Es sind nur wenige Fälle, doch sie wären fast alle vermeidbar: In Deutschland kommen immer wieder Kinder mit lebensbedrohlichen Virusinfektionen zur Welt, weil Schwangere nicht, wie in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehen, auf das Immunschwächevirus HIV oder auf Hepatitis-B-Viren getestet werden. "Diese Infektionen sind vermeidbar oder können nach der Geburt behandelt werden. Darum sollten die Tests kein Tabuthema sein", mahnt Professor Klaus Vetter, Berlin, auf dem 55. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in Hamburg.
In Deutschland werden derzeit pro Jahr etwa 200 Kinder geboren, deren Mütter mit dem Immunschwächevirus HIV infiziert sind. Wenn Ärzte diese Schwangeren qualifiziert betreuen und behandeln sowie bei der Geburt vorbeugende Maßnahmen ergreifen, beträgt das Risiko, dass die Erreger auf das Kind übertragen werden, 1,7 Prozent. Dies belegt eine Untersuchung an mehreren Universitätsfrauenkliniken, die auf dem Kongress der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in Hamburg vorgestellt wird. Eine andere Studie, bei der die Ärzte eine antivirale Kombinationstherapie bei den Schwangeren einsetzten, ergab, dass von 80 derart behandelten Frauen keine einzige ihr Kind infizierte.
"Diese Studien belegen", erklärt Professor Klaus Vetter vom Berliner Vivantes Klinikum Neukölln, der neue Präsident der Fachgesellschaft, "dass der in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehene HIV-Test konsequent bei allen Schwangeren eingesetzt werden sollte, damit die Infektion erkannt und behandelt und beim Kind vermieden werden kann."
Leichtsinn in der HIV-Vorsorge.
Doch die Realität sieht leider anders aus. Das HIV-Risiko wird in der Schwangerschaft nicht ernst genug genommen. Das belegt eine weitere Untersuchung, die auf dem Fachkongress präsentiert wird. Die Mediziner analysierten, wodurch die HIV- Infektion von Kindern verursacht wurde, die nach 1994 geboren wurden und seitdem in spezialisierten HIV-Ambulanzen behandelt werden. In diesen Einrichtungen wurden insgesamt 68 Kinder betreut, die im Mutterleib oder bei der Geburt infiziert worden waren.
Fazit der Experten: ein Viertel dieser Kinder wurden trotz entsprechender Therapien infiziert. Doch drei Viertel der Kinder - insgesamt 49 - waren nicht korrekt nach dem Vorsorgeschema behandelt worden. Bei 29 Kindern war der HIV-Test der Mutter in der Schwangerschaft unterblieben, bei den übrigen 20 hatten die Ärzte aus dem positiven Test nicht die richtigen Konsequenzen gezogen und keine adäquate Therapie eingeleitet. "Bei diesen Kindern hätte die Infektion bei einer korrekten Diagnostik und Therapie vermieden werden können", lautet die Schlussfolgerung der Studienleiter.
Lückenhafte HBV-Vorsorge.
Auch in der Vorbeugung gegen eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) vor und während der Geburt gibt es Lücken. Jedes Jahr stecken sich in Deutschland 25 000 bis 50 000 Menschen mit diesem Virus an."Die Mutterschaftsrichtlinien schreiben einen HBV-Test vor, doch auch diese Vorsorgeuntersuchung wird leider nicht flächendeckend umgesetzt", kritisiert Klaus Vetter. Wird eine HBV-Infektion der Mutter in der Schwangerschaft erkannt, bekommt das Neugeborene sofort nach der Geburt eine passive und eine aktive Impfung. Diese sofortige Immunisierung kann dem Kind eine chronische Lebererkrankung ersparen oder sogar das Leben des Neugeborenen retten. Das Risiko für eine Chronifizierung ist bei einem Säugling, der sich mit HBV infiziert, neun mal so hoch wie bei einem Erwachsenen: während die Hepatits B nur bei zehn von hundert Erwachsenen chronifiziert, kann dies bei neunzig von hundert Neugeborenen der Fall sein.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
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