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24.09.2025 13:16

Wenn Gefäße altern – unterschätztes Risiko für Herz und Gehirn

Friederike Süssig-Jeschor Pressestelle
Universitätsmedizin Magdeburg

    Magdeburger Forschungsteam zeigt neue Wege zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

    Wenn die Blutgefäße altern, steigt das Risiko für Herzinfarkt, Herzschwäche, Schlaganfall und Demenz. Dieser Prozess passiert schleichend und bleibt lange unbemerkt, sodass Probleme oft erst bei schweren Komplikationen sichtbar werden. Um auf dieses Gesundheitsrisiko aufmerksam zu machen, haben Forschende der Universitätsmedizin Magdeburg nun in der renommierten Fachzeitschrift Nature-Signal Transduction and Targeted Therapy eine Übersichtsarbeit veröffentlicht. Darin beschreibt das Team, wie Gefäße steif werden, welche Folgen das für Millionen Menschen hat und wie sich dieser Alterungsprozess bremsen lässt. Genau hier setzt auch das Magdeburger Forschungsprojekt „Digitale kardiovaskuläre Prävention“ (DIKAP) mit der derzeit größten Präventionsstudie zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland an.

    Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit Todesursache Nummer eins. 2019 starben daran fast 18 Millionen Menschen. Ein wesentlicher Grund ist die Gefäßalterung: Mit den Jahren verlieren Arterien ihre Elastizität, der Blutdruck steigt, Organe werden schlechter versorgt. Die Folgen reichen von Herzschwäche über Nierenerkrankungen bis hin zu Demenz. „Unsere Arbeit zeigt deutlich: Gefäßsteifigkeit ist einer der frühesten und wichtigsten Marker für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit ein Ansatzpunkt für personalisierte Prävention“, sagt Dr. med. Patrick Müller, Assistenzarzt an der Universitätsklinik für Kardiologie und Angiologie Magdeburg und einer der Autoren.

    Sachsen-Anhalt als Modellregion

    Sachsen-Anhalt ist besonders betroffen. Die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt ist im bundesweiten Vergleich nicht nur die älteste, sondern trägt auch eine besonders hohe Last an Risikofaktoren: Bluthochdruck, Rauchen, Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2, Fettstoffwechselstörungen und Bewegungsmangel sind hier deutlich häufiger als in anderen Regionen Deutschlands. Die Folge: Mehr Herzschwäche, mehr Schlaganfälle, mehr koronare Herzerkrankung (Herzinfarkte) und die bundesweit niedrigste Lebenserwartung.

    „Das macht Sachsen-Anhalt zu einer Modellregion für die demographische Entwicklung in Europa. Wir sehen hier schon heute, was andere Regionen erst in einigen Jahren erwartet. Gleichzeitig eröffnet uns das die Chance, Präventionsstrategien zu entwickeln, die europaweit Wirkung entfalten können. Denn bis zu 80 Prozent aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen wären vermeidbar, wenn wir Risikofaktoren konsequent behandeln und die Gefäßalterung früh erkennen“, betont Prof. Dr. med. Rüdiger Braun-Dullaeus, Direktor der Universitätsklinik für Kardiologie und Angiologie Magdeburg.

    Das interdisziplinäre Forschungsteam beschreibt, wie Entzündungen, Kalkablagerungen oder Umbauprozesse in der Gefäßmuskulatur die Alterung beschleunigen und welche Chancen in einer gezielten Vorbeugung liegen:
    • Früherkennung mit modernen Methoden wie der Pulswellenanalyse,
    • digitale Präventionsprogramme, die Blutdruck, Gewicht und Blutzucker stabilisieren,
    • neue Therapiekonzepte, die Medikamente mit Lebensstiländerungen und digitaler Begleitung verbinden.

    „Die arterielle Gefäßsteifigkeit ist einer der wichtigsten Frühindikatoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und trotzdem bisher kaum in der Regelversorgung angekommen. Wir brauchen einheitliche Messstandards und eine bessere Vergütung, damit dieses Wissen auch wirklich bei den Patientinnen und Patienten ankommt“, erklärt Prof. Braun-Dullaeus.

    Um diese Lücke zu schließen, schlagen die Forschenden ein „arterial stiffness framework“ vor – ein Konzept, das Mechanismen klarer beschreibt und den Weg für standardisierte Prävention und Therapie ebnet. Ziel ist es, die Messung der Gefäßsteifigkeit langfristig als Routineuntersuchung zu etablieren.

    Größte Präventionsstudie Deutschlands gestartet

    Wie der Transfer in die Versorgung gelingen kann, zeigt das Projekt Digitale Kardiovaskuläre Prävention (DIKAP), das im Mai 2025 in Magdeburg gestartet ist. Es ist die größte Studie zur telemedizinischen Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland. „Mit DIKAP wollen wir zeigen, wie sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis übertragen lassen und wie digitale Prävention die Gefäßgesundheit langfristig verbessern kann“, erklärt Studienleiter Dr. Müller. „Mit digitalen Technologien können wir Patientinnen und Patienten eng begleiten und Erkrankungen verhindern, bevor sie entstehen. Das ist eine enorme Chance für die Gesundheitsversorgung, gerade auch in Regionen mit wenigen Ärztinnen und Ärzten“, sagt Dr. Müller.

    Für die Studie werden weiterhin Teilnehmende gesucht: Frauen und Männer ab 40 Jahren mit Bluthochdruck und mindestens einem weiteren Risikofaktor wie Rauchen, Übergewicht, Diabetes oder Bewegungsmangel. Voraussetzung ist, dass bisher kein Herzinfarkt oder Schlaganfall vorlag. Interessierte finden weitere Informationen unter www.dikap.med.ovgu.de.

    Die Übersichtsarbeit entstand in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz Zentrum München (PD Dr. med. Katharina Lechner). Gefördert wird die Forschung durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), das Polycarp-Leporin-Programm der Medizinischen Fakultät Magdeburg und dem Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG).

    Foto: Ein Teil des Magdeburger Forschungsteams zur Gefäßalterung (v. l.): Prof. Dr. med. Rüdiger Braun-Dullaeus, Direktor der Universitätsklinik für Kardiologie und Angiologie Magdeburg, Dr. med. Matthias Kunz, Facharzt für Innere Medizin, Dr. med. Patrick Müller und Dr. med. Maximilian Herzog, Assistenzärzte der Universitätsklinik für Kardiologie und Angiologie Magdeburg und Prof. Dr. med. Stefanie Schreiber, kommissarische Direktorin der Universitätsklinik für Neurologie Magdeburg. Fotografin: Sarah Kossmann/Universitätsmedizin Magdeburg


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Patrick Müller, Assistenzarzt, Universitätsklinik für Kardiologie und Angiologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, patrick.mueller@med.ovgu.de, Tel.: +49-391-67-13201


    Originalpublikation:

    Herzog, M.J., Müller, P., Lechner, K. et al. Arterial stiffness and vascular aging: mechanisms, prevention, and therapy. Sig Transduct Target Ther 10, 282 (2025). DOI: https://doi.org/10.1038/s41392-025-02346-0


    Bilder

    (v. l.) Prof. Dr. med. Rüdiger Braun-Dullaeus, Dr. med. Matthias Kunz, Dr. med. Patrick Müller, Dr. med. Maximilian Herzog und Prof. Dr. med. Stefanie Schreiber
    (v. l.) Prof. Dr. med. Rüdiger Braun-Dullaeus, Dr. med. Matthias Kunz, Dr. med. Patrick Müller, Dr. ...
    Quelle: Sarah Kossmann
    Copyright: Universitätsmedizin Magdeburg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    (v. l.) Prof. Dr. med. Rüdiger Braun-Dullaeus, Dr. med. Matthias Kunz, Dr. med. Patrick Müller, Dr. med. Maximilian Herzog und Prof. Dr. med. Stefanie Schreiber


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