Glomerulonephritiden (GN), Entzündungen der Nierenkörperchen, sind mit etwa einem Viertel die häufigste Ursache für ein Nierenversagen und damit auch für eine lebenslange Dialyse oder Nierentransplantation. Dabei sind die zumeist immunologisch bedingten GN oft behandelbar, wenn sie rechtzeitig erkannt und mit modernen Medikamenten therapiert werden. Mittlerweile ermöglichen neue diagnostische Marker und molekulare Verfahren eine wesentlich genauere Einordnung der Krankheitsbilder – Grundlage für eine maßgeschneiderte Therapie.
Die Pressemitteilung ist auch unter folgendem Link abrufbar:
https://www.dgfn.eu/pressemeldung/fortschritte-bei-glomerulonephritiden-neue-lei...
Die Gruppe der glomerulären Erkrankungen umfasst entzündliche und nicht-entzündliche Nierenkrankheiten, die vor allem die Nierenkörperchen betreffen. In den sogenannten Glomeruli wird das Blut filtriert und der Primärharn erzeugt. Daher können Erkrankungen der Nierenkörperchen schnell zu einem Nierenversagen führen. Häufig liegt als Ursache ein autoimmuner Mechanismus zugrunde. Sie werden in primäre und sekundäre Formen eingeteilt. Bei den sekundären Formen sind die Nieren im Rahmen einer Systemerkrankung beteiligt, etwa bei Lupus erythematodes.
S3-Leitlinie Glomerulonephritiden – Einheitliche Standards
Ein entscheidender Meilenstein ist die neue S3-Leitlinie „Diagnose und Therapie von Glomerulonephritiden“, die unter Federführung der DGfN erarbeitet wurde. Sie enthält erstmals klare, evidenzbasierte Empfehlungen zur Diagnostik, etwa den Einsatz von Nierenbiopsie, Labor- und Bildgebung und Basistherapie zum Nierenschutz wie RAS-Inhibitoren und SGLT2-Hemmer. Dazu gehören auch spezifische Therapiepfade für häufige und seltene GN-Formen. Ebenso berücksichtigt sie auch Kinder und Jugendliche. Zudem sind Patientinnen und Patienten in Therapieentscheidungen und Nachsorge eingebunden.
Zunehmend individuell zugeschnittene Behandlung
Neue Therapien greifen gezielt in fehlgeleitete Immunprozesse ein, die bisher nur unspezifisch mit Kortison und weiteren Immunsuppressiva unterdrückt wurden. Zahlreiche spezifische Therapieangriffspunkte wurden identifiziert – von B- und T-Lymphozyten über Zytokine bis zum Komplementsystem. Erste sogenannte Targeted Therapies sind bereits verfügbar oder stehen kurz vor der Zulassung. So ersetzen neue Antikörpertherapien (zum Beispiel Rituximab, Obinutuzumab) zunehmend klassische Immunsuppressiva. Komplementinhibitoren wie Iptacopan oder Ravulizumab eröffnen neue Optionen bei seltenen Formen wie der C3-Glomerulopathie. Spezifische Wirkstoffe für IgA-Nephropathie und Lupus-Nephritis (zum Beispiel Budesonid, Sparsentan, Belimumab, Voclosporin) sind zugelassen oder in späten Studienphasen. Auch Komplementfaktoren wie C3, C5 sowie alternative und Lektin-Weg-Komponenten werden als Zielstrukturen getestet: „Erste Ergebnisse stimmen zuversichtlich“, sagt Professor Dr. med. Jan J. Menne, Chefarzt der Klinik für Nephrologie Angiologie, Hypertensiologie und Rheumatologie am KRH Klinikum Siloah in Hannover und Tagungspräsident der DGfN 2025. Sogar neuartige Ansätze wie die CAR-T-Zelltherapie – bislang vor allem aus der Onkologie bekannt – werden zur Eliminierung autoimmun aktiver B-Zellen bei Lupus-Nephritis untersucht.
Neueste Entwicklungen – ein Blick in die Zukunft
Neben den Empfehlungen der Leitlinie gibt es ganz aktuelle Studienergebnisse, die zeigen: Die Behandlung von Nierenentzündungen wird immer präziser:
- Gezielte Antikörper: Neue Wirkstoffe greifen krankheitsauslösende Eiweiße oder Zellen direkt an – zum Beispiel bei der Minimal-Change-Nephropathie oder der Lupus-Nephritis.
- Komplementblockade: Medikamente wie Iptacopan unterbrechen Fehlsteuerungen im Immunsystem, die bestimmte seltene Nierenkrankheiten auslösen.
- Doppelte Schutzwirkung: Substanzen wie Sparsentan blockieren gleich zwei Signalwege und können so das Fortschreiten einer IgA-Nephropathie bremsen.
„Diese Vielfalt an Therapien ist vor allem für Patientinnen und Patienten wichtig, die auf herkömmliche Behandlungen nicht ausreichend ansprechen“, betont Menne. „Eine GN kann man zwar noch nicht endgültig heilen. Aber wir können sie heute in vielen Fällen weitgehend zum Stillstand bringen“, erklärt der Nephrologe. „Die neuen Therapien und die Leitlinie setzen Maßstäbe für eine moderne, individualisierte Versorgung.“
Forschung und Versorgung verzahnen
Die DGfN fordert, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse schneller in die Praxis gelangen. „Wir brauchen ein Deutsches Zentrum für Nierengesundheit, um Erkenntnisse zu bündeln und die Versorgung nachhaltig zu verbessern“, so die Generalsekretärin der DGfN, Dr. med. Nicole Helmbold. „Die neuen Therapiemöglichkeiten und die Leitlinie schaffen die Grundlage, das Risiko für Dialyse oder Transplantation bei vielen Betroffenen deutlich zu senken. Für Patientinnen und Patienten mit Glomerulonephritiden bedeutet dies: bessere Chancen, die Nierenfunktion langfristig zu erhalten und die Lebensqualität zu steigern“, sagt Menne.
Quellen:
Herrington WG et al. Empagliflozin in Patients with Chronic Kidney Disease. N Engl J Med. 2023 Jan 12; 388: 117–127
Heerspink HJL et al. Dapagliflozin in Patients with Chronic Kidney Disease. N Engl J Med. 2020 Oct 8; 383:1436-1446.
Perkovic V et al. Alternative Complement Pathway Inhibition with Iptacopan in IgA Nephropathy. N Engl J Med. 2025 Feb 6; 392:531–543.
Rovin BH et al., Efficacy and safety of sparsentan versus irbesartan in patients with IgA nephropathy (PROTECT): 2-year results from a randomised, active-controlled, phase 3 trial. Lancet. 2023 Dec 2; 402:2077–2090.
Lafayette R et al. Efficacy and safety of a targeted-release formulation of budesonide in patients with primary IgA nephropathy (NefIgArd): 2-year results from a randomised phase 3 trial. Lancet. 2023 Sep 9; 402:859–870.
Furie RA et al Efficacy and Safety of Obinutuzumab in Active Lupus Nephritis. N Engl J Med. 2025 Apr 17; 392:1471–1483.
S3-Leitlinie Diagnose und Therapie von Glomerulonephritiden: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/090-003
Weiterführende Informationen:
Patienteninformation zur S3-Leitlinie Diagnose und Therapie von Glomerulonephritiden: https://register.awmf.org/assets/guidelines/090-003p_S3_Diagnose_Therapie_Glomer...
https://www.dgfn.eu/patienten.html
https://www.bundesverband-niere.de/
https://www.nierenstiftung.de/
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Terminhinweis:
Online-Pressekonferenz
Termin: Dienstag, 30. September 2025, 11:00 bis 12:30 Uhr
Anmeldelink: https://register.gotowebinar.com/register/9175249060877034844
Vorläufige Themen und Referierende:
Highlights der 17. Jahrestagung der DGfN „Zeitenwende“
Univ.-Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke
Direktorin I. Medizinische Klinik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Pressesprecherin der DGfN, Tagungspräsidentin der DGfN 2025
Volkskrankheit Chronische Nierenkrankheit (CKD): früh erkennen, gezielt behandeln – ein Update
Univ.-Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke
Präzisionsmedizin statt Gießkanne: Fortschritte in der Therapie entzündlicher Nierenkrankheiten
Professor Dr. med. Jan J. Menne
Chefarzt der Klinik für Nephrologie, Angiologie, Hypertensiologie und Rheumatologie, KRH Klinikum Siloah, Hannover, Tagungspräsident der DGfN 2025
Patientenzahlen nehmen zu, Fachkräfte-Dichte geht zurück: Strategien im Umgang mit steigenden Patientenzahlen in der Nephrologie
Prof. Dr. med. Martin K. Kuhlmann
Chefarzt der Klinik für Innere Medizin - Nephrologie, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin, Präsident der DGfN
Krankenhausreform 2025: Auswirkungen für die nephrologische Versorgung?
Welche Weichen jetzt gestellt werden müssen
Dr. med. Nicole Helmbold
Generalsekretärin der DGfN, Berlin
Moderation: Dr. Adelheid Liebendörfer, DGfN-Pressestelle
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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