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26.09.2025 11:22

Prozesse im Kohlenstoffkreislauf können die Erde in ein Eiszeit stürzen

Jana Nitsch Pressestelle
MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen

    Wie die Erde die Erwärmung überkorrigieren könnte

    Welche Prozesse haben das Klima im Laufe der Erdgeschichte reguliert? Diese Frage beschäftigt Forschende angesichts des menschengemachten Klimawandels. Dr. Dominik Hülse vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und Dr. Andy Ridgwell von der University of California (USA) haben ein bislang fehlendes Puzzleteil in der Beschreibung des globalen Kohlenstoffkreislaufs und der Klimaregulierung entdeckt. In einer neuen Publikation im Fachjournal Science stellen die beiden ein erweitertes Erdsystemmodell vor, das zeigt, wie die globale Erwärmung zu einer Eiszeit überkorrigiert werden könnte.

    Bislang galt die langsame Verwitterung von Silikatgestein als Protagonist bei der Regulierung des Klimas. In diesem System nimmt Regen Kohlendioxid (CO2) aus der Luft auf, trifft auf freiliegendes Gestein an Land und löst es langsam auf. Gelangt der aufgenommene Kohlenstoff zusammen mit dem gelösten Kalzium aus den Gesteinen ins Meer, bildet er den Grundstoff für etwa Muschelschalen und Kalksteinriffe, die den Kohlenstoff für viele hunderte Millionen Jahre im Ozeanboden einschließen. „Wenn sich der Planet erwärmt, verwittern Gesteine schneller und nehmen mehr CO₂ auf, wodurch sich die Erde wieder abkühlt“, erklärt Dominik Hülse.

    Allerdings gab es in der frühen Erdgeschichte auch Phasen, in denen die Erde völlig von Schnee und Eis bedeckt war. Die, führen die beiden Autoren aus, seien aber allein durch die langsame Verwitterung von Silikatgestein nicht zu erklären, es müssten noch andere Prozesse bei der Abkühlung gewirkt haben.

    Das fehlende Puzzleteil hängt auch mit der Kohlenstoffspeicherung im Ozeanboden zusammen. Wenn der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre steigt und sich der Planet erwärmt, gelangen mehr Nährstoffe wie Phosphor ins Meer. Diese Nährstoffe befeuern das Wachstum von Algen, das bei der Photosynthese Kohlendioxid aufnimmt. Sterben die Algen, sinken sie zum Meeresboden und nehmen den Kohlenstoff mit.

    In einer wärmeren Welt mit stärkerem Algenwachstum verlieren die Ozeane jedoch auch Sauerstoff, was dazu führt, dass Phosphor recycelt wird, anstatt dauerhaft im Sediment gespeichert zu werden. Das erzeugt eine Rückkopplungsschleife: Mehr Nährstoffe im Wasser erzeugen mehr Algen, dessen Zersetzung wiederum verbraucht mehr Sauerstoff, wodurch noch mehr Nährstoffe recycelt werden. Gleichzeitig werden große Mengen Kohlenstoff im Sediment vergraben, was die Erde abkühlt.

    Seit mehreren Jahren verfeinern Hülse und Ridgwell ein Computermodell des Erdsystems, indem sie immer mehr dieser Prozesse einbeziehen. „Dieses komplettere Erdsystemmodell stabilisiert das Klima nach einer Erwärmung nicht immer sanft, sondern kann es überkorrigieren und die Erde weit unter ihre Ausgangstemperatur abkühlen – ein Prozess, der jedoch immer noch Hundertausende von Jahren dauert. Im Computermodell der Studie kann dies eine Eiszeit auslösen. Allein mit der Silikatverwitterung konnten wir solche extremen Werte nicht simulieren“, erklärt Dominik Hülse.

    Die Studie zeigt, dass niedrigere Sauerstoffkonzentrationen in der Atmosphäre, wie sie in der geologischen Vergangenheit vorkamen, stärkere Nährstoff-Rückkopplungen auslösen und damit die extremen Eiszeiten der frühen Erdgeschichte verursacht haben könnten.
    Während der Mensch heute immer mehr CO₂ in die Atmosphäre einbringt, wird sich der Planet weiter erwärmen. Doch laut Modell der Forschenden könnte es in circa hunderttausend Jahren wieder zu einer Abkühlungs-Überreaktion kommen. Diese würde allerdings schwächer ausfallen, da die heutige Atmosphäre mehr Sauerstoff enthält als in der frühen Erdgeschichte – was die Nährstoff-Rückkopplung dämpft.

    „Am Ende des Tages, spielt es eine große Rolle, ob der Beginn der nächsten Eiszeit in 50, 100 oder 200 Tausend Jahren liegt?“, fragte sich Ridgwell. „Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, die aktuelle Erwärmung zu begrenzen. Dass die Erde sich von selbst wieder abkühlt, wird nicht schnell genug geschehen, um uns zu helfen.“

    Die Studie wurde unter anderem im Rahmen des am MARUM angesiedelten Exzellenzclusters „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“ gefördert. In der im Januar 2026 beginnenden zweiten Förderphase möchte Hülse mit dem Modell klären, warum sich das Erdsystem in der Vergangenheit teils erstaunlich schnell von Klimaperturbationen erholt hat – und welchen Einfluss organische Wechselwirkungen mit dem Sediment dabei hatten.

    Beteiligte Institute:
    • MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften und Fachbereich Geowissenschaften der Universität Bremen
    • Department of Earth & Planetary Sciences, University of California (USA)

    Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Dominik Hülse
    MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften und Fachbereich Geowissenschaften
    der Universität Bremen
    Paläozeanographie
    E-Mail: dhuelse@marum.de

    Dr. Andy Ridgwell
    Department of Earth & Planetary Sciences
    University of California, Riverside (USA)
    E-Mail: andy@seao2.org


    Originalpublikation:

    Dominik Hülse, Andy Ridgwell: Instability in the geological regulation of Earth’s Climate. Science 2025. DOI: 10.1126/science.adh7730


    Weitere Informationen:

    https://news.ucr.edu/articles/2025/09/25/carbon-cycle-flaw-can-plunge-earth-ice-... Englische Pressemitteilung der University of California (USA)


    Bilder

    Dominik Hülse, Co-Autor der Studie und Erdsystemmodellierer an der Universität Bremen, in seinem Büro.
    Dominik Hülse, Co-Autor der Studie und Erdsystemmodellierer an der Universität Bremen, in seinem Bür ...
    Quelle: V. Diekamp
    Copyright: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften, Mathematik, Meer / Klima, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Dominik Hülse, Co-Autor der Studie und Erdsystemmodellierer an der Universität Bremen, in seinem Büro.


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