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29.09.2025 21:00

Hunde- und Katzenartige navigieren unterschiedlich: die einen haben Standardstrecken, die anderen nicht

Simon Schmitt Kommunikation und Medien
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

    Globale Analyse der GPS-Aufnahmen von über 1.200 Tieren widerlegt lange gültige Annahmen über Tierbewegungen

    Bei einer Untersuchung der Bewegungsdaten von Tieren aus der Familie der Katzen (18 Arten) und Hunde (16 Arten) entdeckte ein internationales Team überraschende Unterschiede bezüglich des Navigationsstils in freier Wildbahn. Wölfe und Füchse nutzen häufiger sogenannte Routenwege als Rotluchse, Löwen und Leoparden. Noch deutlicher wurde der Unterschied, als Arten der beiden Familien verglichen wurden, die wie Kojoten und Pumas zusammenleben.

    Das Projekt wurde von Experten der Universität Maryland (USA) und des Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) geleitet. Die Ergebnisse der bisher größten vergleichenden Studie zur Bewegungsökologie von Raubtieren wurden im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences (DOI: 10.1073/pnas.2401042122) veröffentlicht.

    Der Hund sucht immer wieder die gleichen Orte im Garten auf? Die Katze erkundet bei jedem Ausflug ein anderes Gebiet? Es zirkulieren unzählige Anekdoten zum unterschiedlichen Verhalten der beiden Haustierarten, deren Essenz die Wissenschaft nun auf die Schliche gekommen ist. „Wir haben herausgefunden, dass sich wildlebende Hunde- und Katzenartige auf grundlegend unterschiedliche Weise durch ihre Heimatgebiete bewegen, auch wenn sie häufig ähnlich groß sind, ähnliche Habitate bewohnen und ähnliche Beutetiere bevorzugen“, so Dr. Justin M. Calabrese, Leiter der Forschungsgruppe für Erdsystemwissenschaften am CASUS und Hauptautor der Veröffentlichung. „Hundeartige verlassen sich viel stärker auf regelmäßig genutzte Strecken, sogenannte Routenwege. Im Gegensatz dazu neigen Katzenartige dazu, sich ungleichmäßiger durch die Umgebung zu bewegen, was dazu führt, dass deutlich weniger solche Routenwege identifiziert werden.“

    „Wir vermuten, dass diese Beobachtung auf grundlegende evolutionäre Unterschiede zurückgeht, wie sich diese Arten orientieren und in ihrer Umgebung zurechtfinden“, erklärte Dr. William F. Fagan, Professor für Biologie an der Universität Maryland in den USA und leitender Autor der Publikation. „Hundeartige verfügen im Vergleich zu Katzenartigen über bessere olfaktorische Fähigkeiten, die ihnen möglicherweise dabei helfen, bevorzugte Strecken zu etablieren und wiederzufinden.“

    „Eine so große Datensammlung ist naturgemäß in vielerlei Hinsicht uneinheitlich. Umso erstaunlicher ist es, dass die gefundenen Unterschiede so deutlich und so konsistent sind”, sagt Calabrese, der auch außerordentlicher Professor an der Universität Maryland ist. „Wir konnten zudem ausschließen, dass die familienspezifischen Unterschiede auf einige typische Störfaktoren zurückgehen.” Interessanterweise wurden die Differenz zwischen Hunde- und Katzenartigen noch deutlicher, als die Forscherinnen und Forscher ihre Analysen auf einzelne Landschaftstypen beschränkten, in denen Arten beider Familien gemeinsam untersucht werden konnten. Somit kann zum Beispiel ein Einfluss der Umgebung auf die Bewegungsmuster der Tiere ausgeschlossen werden. Konkret ergaben die Daten von in den östlichen Rocky Mountains lebenden Kojoten und Pumas mehr und häufiger genutzte Routenwege für Kojoten.

    Bedeutung für mathematische Modellierung, Wildtierschutz und Evolutionsbiologie

    Die vorgestellten Ergebnisse widersprechen dem bisherigen Wissensstand über die Bewegungsökologie von Raubsäugetieren. Bis jetzt ging die Forschung davon aus, dass sich Raubtiere – unabhängig von ihrer taxonomischen Zugehörigkeit – beliebig in ihrem Gebiet bewegen. Diese Annahme ist weit verbreitet und wurde bereits in mathematische Standardmodelle aufgenommen. Die neuen Erkenntnisse zeigen jedoch, dass Fleischfresser aus der Familie der Hunde dazu neigen, ein System von „Autobahnen“ zu schaffen, um sich durch Teile ihres Verbreitungsgebiets zu bewegen.

    Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge sind diese Erkenntnisse sowohl für die Theorie der Tierbewegungen als auch für die Wildtierschutz-Praxis bedeutsam. Im ersten Fall gilt es, Modelle von Begegnungsprozessen zwischen sich bewegenden Tieren zu verbessern – ein Schwerpunkt der ökologischen Forschung am CASUS. Die neuen Modelle von zum Beispiel Räuber-Beute-Beziehungen und Krankheitsübertragungen könnten dann womöglich besser zu den Beobachtungsdaten passen. Bezüglich des Wildtierschutzes helfen ein besseres Verständnis und eine genauere Vorhersage der Bewegungsmuster der Tiere, Begegnungen zwischen Mensch und Wildtier zu reduzieren und Schutzgebiete gefährdeter Arten besser zu planen.

    Enorme Anstrengungen zahlen sich aus

    „Diese Forschungsarbeit war ein gewaltiges Unterfangen, das mit einer Vielzahl von E-Mails während der COVID-Pandemie begann“, erinnert sich Fagan. Mit 177 Beteiligten aus 150 Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt entwickelte sich das Projekt zur größten vergleichenden Studie zur Bewegungsökologie von Raubtieren, die jemals durchgeführt wurde. Der gesammelte Datensatz umfasst GPS-Halsbanddaten der Bewegungen von 1.239 einzelnen Raubtieren über ungefähr ein Jahrzehnt. Insgesamt 34 Arten von sechs Kontinenten wurden berücksichtigt. „Das Projekt hat gezeigt, wie moderne GPS-Technologie und ausgefeilte Analysemethoden faszinierenden Aspekte des Tierverhaltens aufdecken können. Noch vor ein paar Jahren hätte man diese Erkenntnisse nicht erlangen können“, fügte Fagan hinzu.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Justin Calabrese | Forschungsgruppenleiter
    Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) am HZDR
    E-Mail: j.calabrese@hzdr.de
    Web: https://www.casus.science/?page_id=4289


    Originalpublikation:

    William F. Fagan et al.: Wild canids and felids differ in their reliance on reused travel routeways, in Proceedings of the National Academy of Sciences, 2025 (DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.2401042122)


    Weitere Informationen:

    https://bit.ly/felidsandcanids Englischsprachige Pressemitteilung des Instituts mit Links zu Kooperationspartnern und anderen Arbeiten der Forschungsgruppe (Veröffentlichung am 29. September 21 Uhr MESZ)


    Bilder

    Der Rotfuchs (Vulpes vulpes) ist einer der am weitesten verbreiteten Vertreter der Ordnung Raubtiere (Carnivora).
    Der Rotfuchs (Vulpes vulpes) ist einer der am weitesten verbreiteten Vertreter der Ordnung Raubtiere ...
    Quelle: Ivan Rudoy / Unsplash


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Geowissenschaften, Informationstechnik, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Der Rotfuchs (Vulpes vulpes) ist einer der am weitesten verbreiteten Vertreter der Ordnung Raubtiere (Carnivora).


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