Vanadium ist ein kritischer Rohstoff. Mit dem Metall können sogenannte Redox-Flow-Akkumulatoren gebaut werden, die Strom dauerhafter speichern als Lithium-Ionen-Akkus. Damit gelten sie als wichtiger Baustein für die Energiewende. Doch die Versorgung mit Vanadium ist noch unzureichend ausgebaut; die Preise schwanken stark, was Investitionen hemmt. Eine von Forschenden am Paul Scherrer Institut PSI geschaffene Datenbank soll das ändern.
Forschende des PSI haben eine dynamische Datenbank für den Rohstoff Vanadium aufgebaut. Vanadium ist ein Metall mit grossem Potenzial für die Energiewende: Sogenannte Vanadium-Redox-Flow-Batterien (VRFB) können Strom über längere Zeiträume speichern als die weitverbreitete Lithium-Ionen-Technologie. Deshalb sind sie besonders geeignet, Überschüsse von Wind- und Sonnenstrom in grossen Anlagen zu speichern und später wieder einzuspeisen. So können sie als Energiepuffer dienen, die das Stromnetz stabilisieren und die Versorgung auch während sogenannter Dunkelflauten gewährleisten, wenn weder Wind noch Sonne ausreichend Strom liefern. Der Mangel an solchen Speicherlösungen gilt als eine der grössten Herausforderung für die Energiewende, denn Wind- und Sonnenstrom stehen weniger konstant zur Verfügung als Strom aus Kohle- oder Gaskraftwerken.
Für die Datenbank hat Benjamin Rogers, Doktorand am PSI und an der ETH Zürich, im Team von Sarbajit Banerjee, Leiter des Labors für Batterieforschung am Zentrum für Energie- und Umweltwissenschaften des PSI und Professor für Chemie an der ETH Zürich, während mehr als zwei Jahren Daten von allen Akteuren der Vanadiumwirtschaft weltweit gesammelt – von Minenbetreibern bis hin zur verarbeitenden Industrie. Darunter sind Informationen über vermutete und bestätigte Erzvorkommen, aus denen sich Vanadium wirtschaftlich gewinnen liesse, geplante und realisierte Abbaumengen, Bedarf, Formen und Mengen der Verarbeitung, Preise sowie weitere relevante Kennzahlen. Alle Daten sind in eine Art «lebende Weltkarte» für Vanadium eingegangen, die ständig an aktuelle Entwicklungen angepasst wird und allen Akteuren der Branche – Unternehmen, Regierungen, Forschenden – zur Verfügung steht. «Es geht darum, eine verlässliche Basis für Investitions- und politische Entscheidungen zu schaffen», sagt Rogers. «Denn daran mangelt es bislang.» Dadurch sei der vergleichsweise noch recht kleine Vanadiummarkt sehr volatil. Das bedeutet, die Preise schwanken stark, weshalb sich viele Unternehmen scheuen, in den Abbau zu investieren. Die Versorgung mit dem Metall ist daher nicht zuverlässig gesichert.
Marktdominanz und Preisschwankungen
Obwohl es weltweit genügend Vanadiumvorkommen gibt, galt das Metall lange Zeit als zu selten und zu teuer für eine flächendeckende Lösung zur Speicherung von überschüssigem grünem Strom. Inzwischen sind die Preise zwar gefallen – allerdings so stark, dass geplante neue Minen in Australien wirtschaftlich vor dem Aus stehen. Hauptgrund für diese starken Schwankungen ist die Marktkonzentration: Über 60 Prozent der weltweiten Jahresproduktion von rund 150 000 Tonnen stammen aus China, der Rest fast ausschliesslich aus Russland, Südafrika und Brasilien. Länder wie Australien, Kanada, die USA und Kasachstan verfügen zwar ebenfalls über grosse Reserven, diese werden bisher jedoch kaum erschlossen.
Bisher wurde Vanadium vor allem zur Legierung von Baustahl eingesetzt, um dessen Festigkeit zu erhöhen. Eine Gesetzesänderung in China nach dem schweren Erdbeben von 2008 machte den Zusatz verpflichtend und liess die Nachfrage – und die Preise – stark steigen. Mit dem Ende des chinesischen Baubooms kam es jedoch zu einem Preisverfall, der bereits geplante Minenprojekte in Australien ins Wanken brachte.
Verlässliche Rohstoffdaten
«Solche Preisextreme zu vermeiden und dadurch eine zuverlässigere, nachhaltigere Vanadiumproduktion zu ermöglichen, ist das Ziel unseres Projekts», sagt Banerjee. Der studierte Chemiker erforscht das Metall schon seit Jahren als Material für Kathoden von Batterien, Katalysatoren und Computertechnik. Aus seiner Forschungsgruppe sind bereits zwei Start-ups in der Branche hervorgegangen: Eines entwickelt Vanadium-Kathoden, das andere Verfahren zur Gewinnung von Lithium aus Wasser unter Einsatz von Vanadium. «Insofern hatten wir schon lange gute Kontakte in die Szene, und alle haben den Bedarf für ein Projekt wie unseres gesehen», berichtet Banerjee.
Hauptpartner bei der Entwicklung der Datenbank ist der Verband Vanitec. Dieser Verband umfasst viele Akteure der Branche, die auf Vanadium spezialisiert sind.
Um die Verlässlichkeit der Daten zu garantieren, lassen die Forschenden sie – so weit möglich – unabhängig prüfen. «Das Schwierigste», so Rogers, «war nicht die Beschaffung der Daten, sondern sie zu harmonisieren.» Sie kommen in verschiedensten Zählweisen an und mussten daher vereinheitlicht werden, um eine gute Vergleichbarkeit zu ermöglichen.
Innovative Finanzierungsmodelle sind gefragt
Mit verlässlichen Parametern können grosse und kleine Unternehmen, Investoren und politische Entscheidungsträger nachhaltiger planen. Was nicht zuletzt auch deshalb wichtig ist, weil vom Fund einer Lagerstätte bis zur tatsächlichen Förderung und dem Verkauf des Metalls oft zehn oder gar fünfzehn Jahre vergehen. «Viele grosse Bergbauunternehmen, die es sich auch ohne Investoren leisten können, diese Zeit zu überbrücken, steigen in den Vanadiummarkt gar nicht erst ein, bevor er nicht mindestens ein Volumen von 500 000 Tonnen pro Jahr erreicht», sagt Banerjee.
Daher, so schlägt sein Team vor, brauche es zusätzlich zu den Daten auch innovative Finanzierungsmodelle. Eine Idee seien etwa langfristige Abnahmegarantien. Zum Beispiel könne Indien, das viel Vanadium benötigt, Australien zusichern, eine gewisse Menge pro Jahr zu kaufen, sobald die Minen dort mit der Förderung beginnen.
Eine weitere Möglichkeit ist das sogenannte Rohstoff-Leasing, wie es auch bei einigen anderen Metallen bereits gebräuchlich ist: Das Vanadium-fördernde Land «vermietet» sein Vanadium gewissermassen für bestimmte Zeit. So behalten die produzierenden Länder ihre Bodenschätze in ihrem Besitz, während Kapitaleinsatz und Risiko für den Abnehmer sinken und die Nachfrage stabil bleibt.
Die weltgrösste Batterieanlage soll bald in der Schweiz stehen
Einsatz finden Vanadium-Redox-Flow-Batterien vor allem als stationäre Grossspeicher zur Netzstabilisierung, insbesondere in Wind- und Solarparks oder bei industriellen Verbrauchern. Sie eignen sich jedoch auch für grössere Wohnanlagen oder zur Versorgung von Rechenzentren, die – nicht zuletzt durch den rasanten Ausbau der künstlichen Intelligenz – immer mehr Strom benötigen: Im schweizerischen Laufenburg entsteht zurzeit die weltweit grösste Anlage von Vanadium-Redox-Flow-Batterien direkt neben einem KI-Rechenzentrum. Sie soll mit 960 Tanks und 250 Millionen Litern Elektrolytflüssigkeit eine Speicherkapazität von 1,6 Gigawattstunden bieten.
Banerjee und Rogers hoffen, dass dieses Beispiel in Europa Schule macht und Vanadium-Redox-Flow-Batterien stärker eingesetzt werden, um die Energiewende voranzubringen. «Wir stehen an einem wichtigen Punkt», sagt Banerjee. «Gelingt es uns, Vanadium effizient und wirtschaftlich zu fördern und solche Batterien in grosser Zahl herzustellen, kann dies einen bedeutenden Beitrag zu einer stabilen, nachhaltigen Energieversorgung leisten.» Mit der neuen dynamischen Datenbank tragen die PSI-Forschenden dazu bei, dass auch andere Märkte schneller Zugang zu den nötigen Informationen erhalten und das Potenzial dieser Technologie nutzen können.
Text: Jan Berndorff
Vanadium im Fluss: So speichert die Batterie Energie
Vanadium-Redox-Flow-Batterien speichern ihre Energie in wässrigen Vanadium-Elektrolytlösungen – leitfähigen Flüssigkeiten, die den Stromfluss in der Batterie ermöglichen. Diese zirkulieren in grossen Tanks und werden über ein Pumpsystem zu einer Zelle geleitet, in der die Energieumwandlung stattfindet.
Anders als Lithium-Ionen-Batterien bieten sie eine flexible Kombination aus Leistung und Speicherkapazität: Die Leistung hängt von der Zellgrösse ab, die Kapazität allein von der Tankgrösse, die sich nachträglich erweitern lässt.
Ein entscheidender Vorteil ist die nahezu verlustfreie Rückgewinnung des Vanadiums nach der Nutzung, da es ausschliesslich im Elektrolyten gelöst vorliegt und zu über 99 Prozent wieder herausgefiltert werden kann. Bei Lithium-Ionen-Batterien sind Leistungselektroden und Elektrolyt untrennbar verbunden, was die Kapazität baulich begrenzt. Zudem lässt sich das Lithium aus den verschiedenen Komponenten nur mit grossem Aufwand wieder herauslösen.
Weitere Vorteile: Vanadium-Redox-Flow-Batterien sind sehr langlebig – sie erreichen bis zu 20 000 Ladezyklen ohne nennenswerten Leistungsverlust und eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren oder mehr. Nachteile sind höhere Kosten, mehr Platzbedarf und eine geringere Speichereffizienz (bis zu 20 Prozent Energieverluste). «Dies wird durch die Vorteile gerade bei grösseren Speicheranlagen aber mehr als wettgemacht», sagt Banerjee, «zumal Effizienzverluste bei grünem Strom leichter zu verschmerzen sind als etwa bei Kohlestrom.»
Der grösste Vorteil jedoch: Wegen des hohen Wasseranteils im Elektrolyt sind Vanadium-Redox-Flow-Batterien unbrennbar. Ihr Betrieb ist deutlich sicherer als der von grossen Energiespeichern mit der vergleichsweise leicht entzündlichen Lithium-Ionen-Technik.
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Über das PSI
Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Zukunftstechnologien, Energie und Klima, Health Innovation und Grundlagen der Natur. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2300 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 450 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL.
Prof. Dr. Sarbajit Banerjee
PSI Center for Energy and Environmental Sciences
Paul Scherrer Institut PSI
+41 56 310 37 24
sarbajit.banerjee@psi.ch
[Englisch]
Benjamin Lowell Rogers
PSI Center for Energy and Environmental Sciences
Paul Scherrer Institut PSI
+41 56 310 40 21
benjamin.rogers@psi.ch
[Englisch]
Mine the Gap: Sourcing Vanadium for the Energy Transition
Benjamin Rogers and Sarbajit Banerjee
Joule, 01.10.2025
DOI: 10.1016/j.joule.2025.102139
https://www.psi.ch/de/news/medienmitteilungen/daten-fur-einen-besseren-vanadium-... – Medienmitteilung auf der Webseite des Paul Scherrer Instituts PSI
Benjamin Rogers (li.) und Sarbajit Banerjee haben am Paul Scherrer Institut PSI eine dynamische Date ...
Quelle: Markus Fischer
Copyright: Paul Scherrer Institut PSI
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Quelle: Markus Fischer
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