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06.10.2025 11:48

Die natürliche Erholung tropischer Wälder braucht Zeit

Judith Jördens Senckenberg Pressestelle
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

    Das Zusammenspiel von Pflanzen und samenausbreitenden Tieren erholt sich erst nach etwa zwei Jahrzehnten, zeigt eine neue Studie. Ein Forschungsteam des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums Frankfurt (SBiK-F) hat untersucht, wie schnell sich die Samenausbreitung durch Tiere in tropischen Wäldern nach deren Rodung erholen kann. Ihre jetzt im wissenschaftlichen Fachjournal „Current Biology“ erschienene Studie zeigt:  Es dauert Jahrzehnte, bis die samenausbreitenden Tiere zurückkehren und die natürliche Wiederbewaldung in Gang setzen können. Ein entscheidender Faktor für das Tempo der Wiederherstellung der Samenausbreitung ist dabei die Anbindung an intakte Waldgebiete.

    Regenwälder sind unersetzliche Hotspots der Artenvielfalt und gelten als die „Lunge der Erde“. Doch die Fläche ungestörter tropischer Wälder nimmt durch Abholzung immer weiter ab. Die Wiederherstellung von Tropenwäldern ist deshalb entscheidend für die Erhaltung der Artenvielfalt und den Klimaschutz. Die meisten tropischen Pflanzen sind darauf angewiesen, dass Tiere ihre Samen ausbreiten – diese Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Tieren spielen daher eine unersetzliche Rolle bei der natürlichen Regeneration der Wälder. Aber wie lange dauert es, bis sich diese natürlichen Prozesse erholen?

    Um diese Frage zu klären, untersucht die DFG-Forschungsgruppe REASSEMBLY im ecuadorianischen Chocó-Regenwald 62 Flächen in unterschiedlichen Stadien der Regeneration – von landwirtschaftlich genutzten Bereichen wie Kakaoplantagen über junge Sekundärwälder bis hin zu ungestörten Naturwäldern. Als Teil dieses Projektes analysierte ein Forschungsteam um die Senckenberg-Wissenschaftlerin Anna Landim, welche Tiere Samen von welchen Pflanzen ausbreiten und wie sich die Vielfalt dieser Wechselbeziehungen verändert. Die Ergebnisse zeigen: Die für die natürliche Ausbreitung der Früchte und Samen zuständigen Tiere – insbesondere größere Arten wie Tukane oder Säugetiere – benötigen Jahrzehnte, bis sie zurückkehren.

    „Unsere Studie zeigt, dass die Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und Tieren erst nach rund 20 Jahren wieder annähernd so vielfältig sind wie in ungestörten Wäldern“, erklärt Anna Landim, Erstautorin und Doktorandin am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt (SBiK-F). „Als erstes kehren kleine Vögel zurück, die kleine Samen transportieren. Tukane kommen bestenfalls nach etwa 10 Jahren dazu. Größere Säugetiere, wie beispielsweise Klammeraffen, die auch große Samen transportieren können, brauchen noch länger. Einzelne Arten mit speziellen Ansprüchen an ihr Habitat, wie den Langlappen-Schirmvogel, finden wir praktisch nur in ungestörten Naturwäldern.“

    Ein entscheidender Faktor für die Regeneration ist die Nähe zu umliegenden Wäldern. Je besser ein Waldstück mit anderen Wäldern verbunden ist, desto schneller finden Tiere dorthin zurück und übernehmen ihre Rolle als Samenausbreiter. „In isolierten Waldinseln können sich die wichtigen Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Tieren nur sehr langsam wieder einstellen. In gut vernetzten Landschaften geschieht das deutlich schneller“, erläutert Koautorin Eike Lena Neuschulz vom SBiK-F. Dabei spielt auch die Anwesenheit von einzelnen alten Bäumen eine wichtige Rolle. „Solche Bäume sind wie Brücken in der Landschaft – sie erleichtern es Tieren, zwischen Waldfragmenten zu wandern und Samen auszubreiten“, ergänzt sie.

    Die Ergebnisse machen deutlich, dass die natürliche Wiederbewaldung Zeit braucht – mehr als die zehn bis fünfzehn Jahre, nach denen junge Wälder in vielen Regionen oft erneut gerodet werden. „Werden Wälder zu früh wieder gerodet, können sich die entscheidenden ökologischen Prozesse nicht wiederherstellen“, sagt Koautor Matthias Schleuning, ebenfalls SBiK-F, und ergänzt: „Unsere Studie gibt wichtige Hinweise, mit welchen Maßnahmen die Wiederbewaldung beschleunigt werden kann, insbesondere der Erhalt von einzelnen alten Bäumen und eine bessere Vernetzung der Waldflächen. Diese Maßnahmen sind aufwendig – aber für die Wiederherstellung intakter Regenwälder sind sie entscheidend.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Anna Rebello Landim
    Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt
    anna.rebello-landim@senckenberg.de

    Dr. Eike Lena Neuschulz
    Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt
    Tel. 069 7542 1872
    elneuschulz@senckenberg.de

    Dr. Matthias Schleuning
    Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt
    Tel. 069 7542 1892
    matthias.schleuning@senckenberg.de


    Originalpublikation:

    Anna R. Landim, Jörg Albrecht, Jorge Brito, Santiago Burneo, Santiago Erazo, Felicity L. Newell, Boris A. Tinoco, Marco Tschapka, Eike Lena Neuschulz, Matthias Schleuning, Delayed recovery of seed-dispersal interactions after deforestation, Current Biology, 2025 https://doi.org/10.1016/j.cub.2025.08.070


    Bilder

    Tukane spielen in tropischen Wäldern eine wichtige Rolle bei der natürlichen Ausbreitung von Pflanzensamen. Nach der Abholzung kehren sie oft erst nach 10 Jahren wieder in neue Waldgebiete zurück. Foto: Marco Tschapka
    Tukane spielen in tropischen Wäldern eine wichtige Rolle bei der natürlichen Ausbreitung von Pflanze ...

    Damit sich der Wald und die Wechselbeziehungen mit samenausbreitenden Tieren vollständig regenerieren können, benötigt es mehrere Jahrzehnte. Foto: Eike Lena Neuschulz
    Damit sich der Wald und die Wechselbeziehungen mit samenausbreitenden Tieren vollständig regeneriere ...


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Tukane spielen in tropischen Wäldern eine wichtige Rolle bei der natürlichen Ausbreitung von Pflanzensamen. Nach der Abholzung kehren sie oft erst nach 10 Jahren wieder in neue Waldgebiete zurück. Foto: Marco Tschapka


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    Damit sich der Wald und die Wechselbeziehungen mit samenausbreitenden Tieren vollständig regenerieren können, benötigt es mehrere Jahrzehnte. Foto: Eike Lena Neuschulz


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