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06.10.2025 15:53

AML: Das Krankheitsrisiko, nicht der Remissionsstatus bestimmt den Transplantationserfolg – neue ASAP-Langzeitdaten

Isabell Arndt Medizin & Wissenschaft
DKMS - Medizin & Wissenschaft

    Das genetische Krankheitsrisiko, nicht der Remissionsstatus, bestimmt die Gesamtüberlebensrate von Patient:innen mit Hochrisiko akuter myeloischer Leukämie (AML) nach einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (allo-HSZT). Darüber hinaus bringt eine Remissionsinduktion mit einer Standard-Salvage-Chemotherapie vor der allo-HSZT keinen Nutzen. Dies sind die Ergebnisse eines kürzlich veröffentlichten Langzeit-Follow-ups [1] der ASAP-Studie [2], die an renommierten Universitäten und Kliniken in ganz Deutschland durchgeführt wurde. Die DKMS hat die Studie initiiert und finanziert und fördert Forschung zur Verbesserung von Therapien bei hämatologischen Erkrankungen.

    Die Auswahl der Patient:innen für eine allogene HSZT und der beste Ansatz zur Überbrückung bis zur Transplantation werden von Expert:innen kontinuierlich diskutiert. Mit der 2024 veröffentlichten ASAP-Studie („as soon as possible“ – so schnell wie möglich) liegt erstmals eine randomisierte, kontrollierte Untersuchung vor, die bestehende Behandlungsstandards für AML infrage stellt und bereits große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat [2]. Im Zentrum steht bei ASAP der Vergleich zwischen dem bisherigen Standard, einer Remissionsinduktion mit Salvage-Chemotherapie vor der allogenen HSZT (SOC-Arm), und einem alternativen Ansatz: der sofortigen Transplantation nach intensiver Konditionierung, kombiniert mit weniger belastenden Strategien zur Krankheitskontrolle, etwa reduzierter Chemotherapie oder engmaschiger Überwachung der Leukämieproliferation (alternativer Behandlungsarm).

    ASAP: Transplantation so schnell wie möglich

    Die nun veröffentlichte Langzeitanalyse [1] bestätigt die ersten Ergebnisse der ASAP-Studie [2]. Sie deuten darauf hin, dass eine möglichst frühzeitige Transplantation vergleichbare Behandlungsergebnisse wie eine Remissionsinduktion erzielt, mit dem Vorteil kürzerer Krankenhausaufenthalte und geringerer Belastung durch Chemotherapie [1]. „Die Ergebnisse stellen den internationalen Standard der Leukämiebehandlung in Frage. Wir müssen nicht mehr allen Patient:innen eine sehr aggressive Chemotherapie verabreichen, um die Tumorlast vor der Transplantation zu reduzieren, wenn Therapien mit guter antileukämischer Wirkung für die Konditionierung in den Tagen vor der Stammzelltransplantation eingesetzt werden“, sagt Prof. Dr. Johannes Schetelig, Mitautor der Studie.

    Die Ergebnisse basierten auf einem medianen Nachbeobachtungszeitraum von 61 Monaten in der Patientenkohorte: Die Induktion einer Remission in der SOC-Gruppe (5-Jahres-OS: 47,5 %) im Vergleich zur sofortigen Transplantation in der alternativen Behandlungsgruppe (5-Jahres-OS: 46,1 %) zeigte keinen Vorteil hinsichtlich der Gesamtüberlebensrate (OS) bei AML-Patient:innen, die schlecht auf die Erstbehandlung angesprochen hatten oder einen unbehandelten Rückfall erlitten hatten [1]. Da die Nichtunterlegenheit nicht formal nachgewiesen werden konnte, wird die sofortige Transplantation die gängige SOC nicht ersetzen, kann aber häufiger in Betracht gezogen werden [1]. Ein Argument für die direkte Transplantation ohne Remissionsinduktion ist, dass Patient:innen, die im SOC-Arm eine intensive Salvage-Chemotherapie erhielten, einen Monat länger im Krankenhaus verbrachten und mehr unerwünschte Ereignisse erlitten [1].

    Alter und AML-Genetik sind die wichtigsten Risikofaktoren, die das Überleben beeinflussen

    Die Langzeit-Nachbeobachtung von ASAP analysierte zusätzlich den Behandlungserfolg nach Risikoklassifizierung und genetischen Subgruppen. Sowohl das Alter als auch die AML-Genetik wurden als die wichtigsten Baseline-Risikofaktoren identifiziert, die das Überleben beeinflussen. Die AML-Genetik wurde gemäß den ELN-2022-Kriterien klassifiziert [1].

    Die Gesamtüberlebenswahrscheinlichkeiten nach 5 Jahren (5-Jahres-OS) ab Randomisierung in den verschiedenen Risikogruppen, unabhängig von der Behandlungsgruppe, betrugen [1]:
    • 66 % bei AML mit günstigem Risiko,
    • 53 % bei AML mit mittlerem Risiko und
    • 34 % bei AML mit ungünstigem Risiko.

    Unter Berücksichtigung sowohl des ELN-Risikos als auch der Behandlung betrug die
    3-Jahres-Gesamtüberlebensrate bei Patient:innen mit günstiger/intermediärer AML unter Watchful-Waiting in der alternativen Behandlungsgruppe (N = 49) 77 % gegenüber 66 % bei Patient:innen mit vollständiger Remission, die in der SOC-Gruppe derselben Risikogruppe transplantiert wurden (N = 49) [1].

    Ein wichtiger Schritt in Richtung Präzisionsmedizin bei Transplantationen

    „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Überleben nach einer allogenen HSZT bei AML-Patient:innen weniger von Remissionsinduktions- oder Überbrückungsstrategien beeinflusst wird, sondern vielmehr von der intrinsischen Biologie der Erkrankung“, so Prof. Schetelig. Interessanterweise führte die Verringerung der Leukämiebelastung vor der Transplantation nicht zu einer Verbesserung des Überlebens, wenn intensive zytotoxische Therapien eingesetzt wurden, was eine gängige Annahme in der Behandlungsplanung in Frage stellt [1].

    Der ungewisse Nutzen einer Remissionsinduktion vor der allogenen HSZT steht im Gegensatz zum grundlegenden Einfluss der AML-Genetik. Eine AML mit günstigem Risiko war mit höheren Überlebensraten verbunden als eine AML mit ungünstigem Risiko. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit früheren Berichten über den prognostischen Einfluss der ELN-2022-Klassifikation bei Patient:innen, die sich einer allogenen Stammzelltransplantation unterziehen [1]. „Die Daten der ASAP-Studie zeigen jedoch auch, dass tolerierbare neue Überbrückungstherapien und personalisierte Erhaltungstherapien nach der Transplantation dringend erforderlich sind, insbesondere bei AML mit ungünstigem Risiko, um die Ergebnisse nach einer allogenen HSZT zu verbessern“, fasst Prof. Dr. Johannes Schetelig zusammen. „Diese Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten für die zukünftige Forschung zur Identifizierung spezifischer AML-Untergruppen und ebnen den Weg in Richtung Präzisionsmedizin bei Transplantationen.“

    Die DKMS fördert den wissenschaftlichen Fortschritt

    Die von der DKMS initiierte und durchgeführte ASAP-Studie spiegelt den Fokus auf verschiedene Innovationsbereiche wider, um Blutkrebs aus allen Blickwinkeln wirksam zu adressieren. „Es ist unser erklärtes Ziel, die Überlebens- und Heilungschancen für Patient:innen mit Blutkrebs zu verbessern, indem wir in die Forschung investieren, um aktuelle Behandlungsmethoden zu verbessern und innovative Ansätze zu erforschen“, betont Dr. Elke Neujahr, Global CEO DKMS. Als internationale gemeinnützige Organisation legt die DKMS besonderen Wert auf wissenschaftliche Fragen, die nicht von kommerziellen Interessen getrieben sind. Dazu gehört Forschung, die dazu beiträgt, den Zugang zu ganzheitlichen Behandlungen weltweit zu ermöglichen, oder die den Einsatz aktueller Standardbehandlungen kritisch hinterfragt. Die DKMS arbeitet mit medizinischen Expert:innen auf allen Kontinenten zusammen, um den wissenschaftlichen Fortschritt zu fördern, finanziert Forschungsprojekte auf internationaler Ebene, führt klinische Studien durch und würdigt herausragende wissenschaftliche Arbeiten mit dem DKMS Mechtild Harf Science Award. Mit dem DKMS John Hansen Research Grant unterstützt die Organisation aktiv junge Wissenschaftler:innen mit innovativen Ansätzen auf dem Gebiet der Blutkrebsforschung (aktuelle Bewerbungsfrist: 20. November 2025). Weitere Informationen zu allen wissenschaftlichen Themen finden Sie unter https://professional.dkms.org/research-publications/research-grant.

    Über ASAP
    Die ASAP-Studie war eine multizentrische, offene, randomisierte, kontrollierte Studie mit dem Ziel, AML-Patient:innen so schnell wie möglich einer Stammzelltransplantation zuzuführen, ohne dass vor der allogenen Stammzelltransplantation eine vollständige Remission erreicht werden musste. Eine vollständige Remission gilt als Goldstandard der Behandlung und stellt sicher, dass zum Zeitpunkt der Transplantation keine Leukämiezellen mehr nachweisbar sind. Diese Studie wurde von 18 deutschen Transplantationszentren durchgeführt. Dazu gehören unter anderem das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) und das Universitätsklinikum Münster. Die Studie wurde von der Study Alliance Leukemia (SAL), der Deutschen Transplantations-Studiengruppe und der Gert und Susanna Mayer Stiftung unterstützt. Einzelheiten zur Studienbehandlung entnehmen Sie bitte der ersten Veröffentlichung [2].

    Über die DKMS
    Die DKMS ist eine internationale gemeinnützige Organisation, deren Ziel es ist, weltweit so vielen Blutkrebspatient:innen wie möglich eine zweite Lebenschance zu geben. Sie wurde 1991 in Deutschland von Dr. Peter Harf gegründet und sorgt seither dafür, dass immer mehr Patient:innen eine lebensrettende Stammzellspende erhalten. Bei der DKMS sind mehr als 13 Millionen potenzielle Spender:innen registriert, bis heute hat die Organisation mehr als 125.000 Stammzellspenden vermittelt. Die DKMS ist außer in Deutschland in den USA, Polen, UK, Chile, Indien und Südafrika aktiv. Durch internationale Projekte und Hilfsprogramme verschafft die DKMS noch mehr Menschen weltweit Zugang zu einer lebensrettenden Therapie. Darüber hinaus engagiert sich die DKMS in den Bereichen Medizin, Wissenschaft und Forschung, um die Heilungschancen von Patient:innen zu verbessern. In ihrem Hochleistungslabor, dem DKMS Life Science Lab, setzt die Organisation weltweit Maßstäbe für die Typisierung potenzieller Stammzellspender:innen, um so das perfekte Match für eine Transplantation zu finden.

    1 Stelljes, M. et. al. Disease risk but not remission status determines transplant outcomes in AML: long-term outcomes of the ASAP trial. Blood 2025 Jul 30:blood.2025028730. doi: 10.1182/blood.2025028730 Online vorab veröffentlicht.

    2 Stelljes, M. et al. Remission induction versus immediate allogeneic haematopoietic stem cell transplantation for patients with relapsed or poor responsive acute myeloid leukaemia (ASAP): a randomised, open-label, phase 3, non-inferiority trial. Lancet Haematol. 2024;11(5):e324-e335. doi: 10.1016/S2352-3026(24)00065-6


    Originalpublikation:

    Stelljes, M. et. al.: Disease risk but not remission status determines transplant outcomes in AML: long-term outcomes of the ASAP trial. Blood 2025 Jul 30:blood.2025028730. doi: 10.1182/blood.2025028730 Online ahead of print.


    Weitere Informationen:

    https://professional.dkms.org/ Finden Sie hier weitere Informationen über das Engagement der DKMS in Medizin und Forschung.


    Bilder

    ASAP eröffnet neue Perspektiven für internationale Therapiestandards. Prof. Dr. Johannes Schetelig (r.), Direktor für klinische Forschung bei der DKMS und Leiter der Abteilung für Stammzelltransplantation Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden.
    ASAP eröffnet neue Perspektiven für internationale Therapiestandards. Prof. Dr. Johannes Schetelig ( ...
    Quelle: Tobias Ebert
    Copyright: © DKMS

    Prof. Dr. Johannes Schetelig, Direktor für klinische Forschung bei der DKMS und Leiter der Abteilung für Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, leitete die ASAP-Studie.
    Prof. Dr. Johannes Schetelig, Direktor für klinische Forschung bei der DKMS und Leiter der Abteilung ...
    Quelle: Tobias Ebert
    Copyright: © DKMS


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    ASAP eröffnet neue Perspektiven für internationale Therapiestandards. Prof. Dr. Johannes Schetelig (r.), Direktor für klinische Forschung bei der DKMS und Leiter der Abteilung für Stammzelltransplantation Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden.


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    Prof. Dr. Johannes Schetelig, Direktor für klinische Forschung bei der DKMS und Leiter der Abteilung für Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, leitete die ASAP-Studie.


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