Das Hethitologie-Portal Mainz beherbergt Digitalisate von rund 30.000 Tontafeln eines alten Volkes aus Anatolien. Dieses Portal technisch weiter auszubauen, hat sich ein Forschungsteam der Uni Würzburg vorgenommen.
Boğazköy-Ḫattuša hieß die Hauptstadt der Hethiter, ein Volk, das vor knapp 3.500 Jahren in Anatolien lebte. In der Grabungsstätte haben Forschende im Laufe der Jahrzehnte nahezu 30.000 Tontafeln gefunden. Die königliche Verwaltung des hethitischen Staates hielt darauf Staatsverträge, Erlässe, Gebete, Mythen und Rituale vor allem auf Hethitisch fest – einer Sprache, die erst im Jahr 1915 entschlüsselt werden konnte. Um diese Tafeln, Fragmente und deren Inhalt auch digital bereitstellen zu können, wurde vor fast 25 Jahren das Hethitologie-Portal Mainz (HPM) ins Leben gerufen.
Die digitale Infrastruktur des Portals erweitern – darum kümmert sich nun ein Team der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) im Rahmen des Projekts „Digital Pathways to the Hittite World“. Federführend beteiligt sind Professor Daniel Schwemer, Leiter des Lehrstuhls für Altorientalistik, Stephanie Döpper, Juniorprofessorin für Digital Humanities für Vorderasiatische Archäologie und Altorientalistik, und Martin Gruber, Juniorprofessor für Vorderasiatische Archäologie, sowie Andreas Schachner vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI, Abteilung Istanbul) und Leiter der Ausgrabungen in Boğazköy-Ḫattuša sowie außerplanmäßiger JMU-Professor. Das Zentrum für Philologie und Digitalität (ZPD) sowie das Center for Artificial Intelligence and Data Science (CAIDAS) unterstützen das Projekt auf technischer Seite.
Detailliertere Suchen ermöglichen
Obwohl sich im Hethitologie-Portal Digitalisate aller bekannten hethitischen Tontafel-Fragmente befinden, kann eine gezielte und strukturierte Suche mit Blick auf komplexe Fragestellungen oft schwierig sein und lange dauern. Deshalb bereinigt das Team im ersten Schritt die Daten. „Da bereits seit 1906 in Boğazköy-Ḫattuša gegraben wird, haben wir eine große Diskrepanz in der Datenqualität“, meint Döpper. Details, die über den Textinhalt hinausgehen – wie beispielsweise der genaue Fundort –, helfen Forschenden genauere Analysen durchzuführen. Damit ersparen diese sich zeitaufwendige Recherchen.
Das Team möchte auch erweiterte Suchen ermöglichen, indem es Datensätze miteinander verknüpft. Nutzerinnen und Nutzer sollen so spezifische Inhalte einzelner Texte finden können. Ein Beispiel: „Auch Anfragen zu spezifischen Forschungsfeldern werden möglich. Wenn jemand beispielsweise zu hethitischen Ritualen forscht, kann die Person auch nach spezifischen Ritualwerkzeugen suchen und sich alle Fundobjekte anzeigen lassen, die darauf Bezug nehmen“, erklärt die Juniorprofessorin.
Ein großes Sprachmodell lernt Hethitisch
Auch künstliche Intelligenz (KI) kommt zum Einsatz: Dafür kooperiert das Team mit dem CAIDAS zusammen – allen voran mit Professor Andreas Hotho, Leiter des Lehrstuhls für Data Science. Die Forschenden wollen mit LLäMmlein arbeiten – dem großen Sprachmodell des Zentrums, das als erstes seiner Art ausschließlich in Deutsch trainiert worden ist.
Die KI soll nun eine weitere Sprache lernen: Hethitisch. „LLäMmlein kann Linguistinnen und Linguisten bei der Arbeit helfen. Das Sprachtraining ermöglicht ihm, sprachliche Muster des Hethitischen schneller zu erkennen“, so Döpper. Dies falle vor allem ins Gewicht, wenn es um nur in Fragmenten erhaltene Tontafeln geht. Das Sprachmodell könne vorhersagen, welcher Text am wahrscheinlichsten folgen dürfte und unterstütze so bei der Rekonstruktion von Sätzen sowie bei der Wiederherstellung vollständigerer Tafeln aus verschiedenen Fragmenten.
Die Arbeit in der Archäologie erleichtern
Wichtige Fragen, die sich Archäologinnen und Archäologen stellen, sind: Wo genau wurde ein Fragment gefunden? Wie viele Tafeln befanden sich dort? Früher führten Forschende Grabungstagebücher, um Informationen zu einer archäologischen Stätte festzuhalten. „Das Problem hierbei ist, dass jeder sein eigenes System und seine eigenen Abkürzungen verwendet hat. Was bei Forscher A als Fundort A bezeichnet wird, heißt bei Forscherin B Fundort B, und eigentlich meinen sie die gleiche Stelle“, so Döpper. Das Ziel: Die Tagebücher auswerten und die daraus gewonnen Informationen im Portal digital vereinheitlichen. Nutzerinnen und Nutzer erhalten dadurch detailliertere Angaben zum Fundort von Tafeln.
Darüber hinaus will das Team die Zuordnung von Keramikscherben zu bestimmten Typen erleichtern. Die Form hilft, zeitlich einzuordnen, wann ein Gefäß entstanden ist. Üblich ist es, diesen Vorgang händisch vorzunehmen. „Auch wenn es bereits digitale Ansätze gibt, sind diese oft noch fehlerhaft. Beispielsweise nehmen manche Systeme die erhaltene Länge einer Scherbe als wichtigstes Merkmal für eine Klassifikation. Diese ist jedoch nur ein zufälliges Ergebnis der Erhaltung “, so die Juniorprofessorin. Solche Defizite wollen die JMU-Forschenden beheben, um den Prozess der Typologisierung zu automatisieren.
Weiterführende Informationen
Die Volkswagen-Stiftung fördert das Projekt mit 250.000 Euro. Ausgangspunkt ist eine bestehende Förderung der Stiftung im Programm „Weltwissen: Strukturelle Förderung Kleiner Fächer“. Startschuss war am 1. Oktober 2025. Die Laufzeit beträgt zwei Jahre.
Die wissenschaftliche Erforschung von Boğazköy-Ḫattuša findet im Rahmen eines internationalen Langfristprojekts unter Federführung des Deutschen Archäologischen Instituts - Abteilung Istanbul statt, mit der die Würzburger Altorientalistik seit vielen Jahren zusammenarbeitet.
Zum Hethitologie-Portal Mainz
Das Hethitologie-Portal Mainz wird vom Rechenzentrum der JMU gehostet und ist eine der führenden digitalen Infrastrukturen der Altorientalistik: Seit nunmehr fast 25 Jahren stellt es digitale Texteditionen, Medien, Datenbanken und vieles mehr im Open Access zur Verfügung.
Von 2001 bis 2007 wurde das Portal mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft geschaffen und ist seither in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, digitale Heimat zahlreicher Forschungsprojekte mit unterschiedlichen Förderern geworden. Seit 2015 leitet Professor Daniel Schwemer das Portal als federführendes Mitglied des Direktoriums. Zu finden sind im Portal vor allem hethitische Texteditionen, aber auch bibliographische und namenkundliche Datenbanken sowie Mediendatenbanken mit Zeichnungen, Fotos und 3D-Modellen von Keilschrifttexten.
Stephanie Döpper, Juniorprofessorin für Digital Humanities für Vorderasiatische Archäologie und Altorientalistik, T: +49 931 31 83170, stephanie.doepper@uni-wuerzburg.de
https://www.dainst.org/forschung/projekte/noslug/2280 Mehr Informationen zur Erforschung der Hethiter-Hauptstadt gibt es auf der Webseite des DAI
https://www.hethport.uni-wuerzburg.de/HPM/index.php Zur Webseite des Portals
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie
überregional
Forschungsprojekte
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