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14.10.2025 09:27

Was die Bibel sagt und was sie damit meint

Martin Brandstätter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Markus Lau ist seit Kurzem Professor für Neutestamentliche Exegese an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Für seine Forschung können selbst antike Flüche eine Anregung sein.

    Die Texte sind gut 1900 Jahre alt – verfasst von mehreren Autoren und überwiegend mit großem zeitlichem Abstand zu den Ereignissen, die sie schildern. Ihre Interpretation ist schwierig, ihre Übertragbarkeit auf die heutige Zeit noch viel mehr. Und dennoch sind sie von zentraler Bedeutung für die christliche Religion. Die Rede ist vom Neuen Testament.

    Einer, der sich intensiv mit diesen Texten beschäftigt, ist Markus Lau. Seit dem 1. September 2025 hat Lau den Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) inne. Wesentlicher Teil seiner Arbeit ist es, die Texte des Neuen Testaments wissenschaftlich zu durchleuchten, um ihre ursprünglichen Sinnpotenziale zu erfassen und zu erklären. Ziel ist es unter anderem, die zentralen Aussagen der biblischen Schriften freizulegen und ihre Bedeutung für die Gegenwart zu erschließen.

    Ein Text, mit dem man nie fertig wird

    „Ein wesentliches Merkmal dieser Texte ist die Tatsache, dass man nie mit ihnen fertig wird. Sie sind nie ausinterpretiert. Jede Generation stellt neue Fragen an die Texte.“ Das ist die theologische Antwort von Markus Lau auf die Frage, ob es nach 1900 Jahren intensiver Beschäftigung mit dem Neuen Testament überhaupt noch offene Fragen gibt. Aber auch unter wissenschaftlichen Aspekten betrachtet gebe es noch viel zu erforschen.

    „Eine historisch-kritische Exegese behandelt das Neue Testament wie jede andere antike Literatur auch“, so der Theologe. Deshalb untersucht er die Evangelien, die Apostelgeschichte, die Offenbarung und die Briefe mit den gleichen Methoden und der gleichen Hermeneutik, wie sie in der Literatur- und Geschichtswissenschaft zum Einsatz kommen, wenn es um Texte von beispielsweise Platon oder Aristoteles geht. Einen wesentlichen Unterschied gebe es jedoch: „Zur Theologie wird das Ganze, weil die Ergebnisse auch in den Resonanzraum der Kirchen hineinsprechen und man als Wissenschaftler auch aus diesen Bereichen auf Resonanz hofft.“

    Ohne korrigierende Exegese geht es nicht

    Auf die Behauptung: „Aber in der Bibel steht doch …“ hat Lau eine klare Erwiderung: „Die Texte lassen sich nicht eins zu eins auf das Heute übertragen. Es bedarf immer einer kritisch korrigierenden Exegese.“ Das Neue Testament zur Debatte zu stellen und vor einer unangemessenen Auslegung zu schützen, sei deshalb eine wichtige Funktion der Exegese. Keinesfalls seien diese Texte immer wörtlich gemeint: „Das funktioniert bei einem Text nicht, der so widersprüchlich in sich ist“, sagt er. Dementsprechend werde seit Jahrhunderten daran geforscht, welche Interpretation in die Gegenwart übertragen werden kann, beziehungsweise „was der Geist dieses Textes ist“, wie Lau sagt.

    Also alles nur eine Frage der Interpretation und keine klaren Aussagen? Nein, so vage ist das Neue Testament dann doch nicht. „Es gibt plausible Lesarten, die seit Jahrhunderten akzeptiert sind, und es gibt Linien, die alle Schriften miteinander verbinden“, sagt Lau. Zwei dieser zentralen Linien lauten: Die Welt beziehungsweise die Schöpfung ist gut! Und: Gott steht auf der Seite derer, die zu kurz zu kommen drohen – der Randständigen, Marginalisierten!

    Antike Fluchtafeln ähneln Paulusbriefen

    Materialität, Body Modification, Second Skin: Wenn Markus Lau von seiner Forschung spricht, fallen Begriffe, die ein Laie nicht unbedingt mit dem Neuen Testament in Verbindung gebracht hätte. Stichwort Materialität: „Demjenigen, der mir meinen Kapuzenmantel gestohlen hat – sei es Mann oder Frau, sei es Freier oder Sklave – möge Sulis ihm das Leben nehmen.“ So ist auf einer antiken Fluchtafel aus Blei zu lesen, die in der ehemaligen römischen Therme im südenglischen Bath ausgegraben wurde. „Sulis“: Damit ist die Göttin Sulis Minerva gemeint. Sie soll den Dieb drastisch bestrafen, wenn es nach dem Verfasser des Fluchs geht.

    Markus Lau ist im British Museum in London zufällig auf diesen Text gestoßen. Was ihn daran fasziniert hat: „Das klingt exakt wie in einigen neutestamentlichen Texten. In Paulusbriefen findet man die Passage ‚sei es Sklave, sei es Freier, sei es Mann, sei es Frau‘ als recht identische Formulierung.“

    Aufnahme in die Heilssphäre Gottes

    Während im Fall der Fluchtafel diese Aussage sicherstellen soll, dass der Fluch unabhängig von Geschlecht oder sozialem Status wirkt, dient sie bei Paulus allerdings einem anderen Zweck: „Hier geht es darum, dass Menschen unabhängig von Geschlecht und Status in die Heilssphäre Gottes hineingenommen werden und die auf Geschlecht und Status beruhenden sozialen Grenzziehungen in den paulinischen Gemeinden auch keine große Rolle mehr spielen.“

    Seit dieser Erstbegegnung mit antiken Fluchtafeln erforscht Markus Lau zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Bochum und Göttingen antike Fluchkulturen, um in diesem Licht biblische Texte zu interpretieren.

    Praktiken der Körpermarkierung, zu denen Lau auch die Beschneidung zählt, Kleidung als Ausdruck bestimmter Zugehörigkeiten: Beschreibungen solcher Elemente finden sich im Neuen Testament jede Menge. Sie genauer zu erforschen, soll im Mittelpunkt eines weiteren Forschungsprojekts von Markus Lau stehen. Der entsprechende Antrag dafür werde sein Würzburger Team und ihn in den nächsten Wochen und Monaten intensiv beschäftigen.

    Lehre ohne didaktische Verbote

    „Mit Leidenschaft Lernwege begleiten“: So beschreibt Lau seine Vorstellung von guter Lehre. „Didaktische Verbote“ kenne er dabei keine. Und so spielt er schon mal mit seinen Studierenden Theater, baut mit Lego Standbilder auf oder untersucht die Bibelrezeption in der Welt von Harry Potter. Er habe die Erfahrung gemacht, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer solcher Angebote dann über Stellen im Text stolpern, die sie sonst vermutlich überlesen hätten. „In solchen Lernprojekten lassen sich deshalb oft neue Erkenntnisse und Perspektiven gewinnen, zu denen ein reines Textstudium möglicherweise nicht geführt hätte.“

    Und wenn solche Angebote noch einen Nebeneffekt haben und es sich herumspricht, dass man in Würzburg gut Theologie studieren kann, ist Markus Lau zufrieden. Diese Art der „Nachwuchsförderung“ sei unerlässlich – in einer Zeit, in der die katholische Kirche und damit auch das Studium der katholischen Theologie in der Gesellschaft kontinuierlich an Attraktivität verlieren.

    Zur Person

    Markus Lau hat von 1998 bis 2003 an der Universität Münster Katholische Theologie studiert und mit dem Diplom abgeschlossen. Nach dem Promotionsstudium an den Universitäten Münster und Freiburg (Schweiz) wurde er 2015 mit der Arbeit: „Der gekreuzigte Triumphator. Eine motivkritische Studie zum Markusevangelium“ promoviert. Seine Habilitation an der Universität Mainz schloss er 2021 ab mit der Arbeit: „Sündenvergebung. Studien zu einem matthäischen Programm“.

    Weitere Stationen seiner akademischen Laufbahn waren Vertretungsprofessuren für Exegese und Theologie des Neuen Testaments an der Universität Frankfurt/Main im Sommersemester 2021 sowie am Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese und Biblische Hermeneutik der LMU München. Vor seinem Wechsel nach Würzburg hatte er seit Oktober 2023 den Lehrstuhl für Neutestamentliche Wissenschaften an der Theologischen Hochschule Chur inne.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Markus Lau, Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese, T: +49 931 31-86591, markus.lau@uni-wuerzburg.de


    Bilder

    Markus Lau hat seit dem 1. September 2025 den Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese an der Universität Würzburg inne.
    Markus Lau hat seit dem 1. September 2025 den Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese an der Univers ...
    Quelle: Gunnar Bartsch
    Copyright: Gunnar Bartsch / Universität Würzburg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Religion
    überregional
    Forschungsprojekte, Personalia
    Deutsch


     

    Markus Lau hat seit dem 1. September 2025 den Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese an der Universität Würzburg inne.


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