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16.10.2025 08:41

Die Entstehungsgeschichte des Universums: Der Blick zurück an den Anfang

Barbara Wankerl Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Physik

    Seit jeher beschäftigen sich die Menschen mit der Frage, wie die Welt entstanden ist. Da sich das frühe Universum nicht direkt beobachten lässt, gibt es bisher lediglich Theorien und Spekulationen über die ersten Momente des Urknalls und die weitere Entwicklung des Universums. Leo Stodolsky vom Max-Planck-Institut für Physik (MPP) und Joseph Silk vom Institut d’Astrophysique de Paris schlagen jetzt neue Möglichkeiten vor, wie Wissenschaftler:innen die Anfänge des Kosmos künftig erforschen könnten: Mit Signalen, die uns von gewaltigen Explosionen im sehr frühen Universum bis in die heutige Zeit erreichen.

    Was geschah in den ersten Augenblicken nach dem Urknall? Wann entstanden die ersten Materieteilchen, wann die fundamentalen Kräfte? Dies sind Fragen, zu denen es viele Überlegungen gibt, aber keine direkten Beobachtungen.

    Der Grund: Die ersten 380.000 Jahre des 13,8 Milliarden alten Universums liegen hinter einem undurchdringlichen Vorhang aus Strahlung und Materie, der uns den Blick in diese Vergangenheit verwehrt. Die ersten direkt beobachtbaren Signale stammen aus der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung (CMB), die 1964 entdeckt wurde. Signale aus früheren Zeiten, wie sichtbares Licht, Mikro- oder Radiowellen, werden blockiert.

    Die Autoren vermuten jedoch, dass es einen Weg gibt, hinter diesen Vorhang zu blicken. In Analogie zu den vielen Supernovae, die heute beobachtet werden, muss es auch in den Anfängen des Kosmos heftige Energieausbrüche gegeben haben: Sei es durch die Entstehung sogenannter „Babyuniversen“ oder durch andere explosionsartige Ereignisse ähnlich dem Urknall, wie zum Beispiel die Entstehung supermassiver primordialer Schwarzer Löcher. Diese Explosionen könnten hochgradig durchdringende Teilchen aussenden und diese wiederum beobachtbare Signale.

    Sie schlagen drei mögliche Signalwege vor. Neutrinos spielen in zwei davon eine Schlüsselrolle. Diese Teilchen werden bei allen astrophysikalischen Ereignissen freigesetzt, die bei sehr hohen Energien stattfinden. Darüber hinaus durchdringen sie Raum und Materie – und könnten bis zu uns gelangen.

    Nachweis über schwache Röntgenstrahlung

    Da energiereiche Neutrinos bei allen explosiven astrophysikalischen Szenarien eine Rolle spielen, ist es plausibel, dass sie auch bei Ausbrüchen im frühen Universum entstehen. Wegen ihrer Eigenschaften könnten sie durch den kosmischen Vorhang schlüpfen, würden aber auf ihrem Weg zur Erde einen Großteil ihrer Energie verlieren. Während dieses Prozesses könnten Positronen, also Antimaterie, entstehen.

    Das Positron ist das Antiteilchen des Elektrons. Wenn beide aufeinandertreffen, vernichten sie sich gegenseitig und es wird Energie in Form von Photonen freigesetzt. Dies könnte als schwache Röntgenstrahlung nachgewiesen werden. Sie ist rotverschoben, das heißt sie entfernt sich von uns, verliert an Energie und kommt als weiche extragalaktische Röntgenstrahlung an. Daraus entsteht ein potenziell nachweisbares Signal mit einem charakteristischen Peak bei einer definierten niedrigen Energie. Möglicherweise wurde dieser bisher bei Beobachtungen im Röntgenbereich übersehen, da das sehr schwache Signal im Rauschen untergeht. Um es zu erkennen, bräuchten Wissenschaftler sehr lange Beobachtungszeiten, die große Datenmengen erzeugen.

    Ein neuer niedrigenergetischer Neutrino-Hintergrund

    Die Autoren gehen noch einer zweiten kosmischen Neutrinos-Signatur nach: Ein unerwartet hoher niedrigenergetischer Neutrino-Hintergrund im heutigen Universum. Im Falle der frühen Ausbrüche könnte man auch mit der direkten Erzeugung stark rotverschobener Neutrinos mit niedriger Energie rechnen. Ihr Ursprung würde sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit entfernen. Das bedeutet, dass die Neutrinos nicht mit ihrer Umgebung interagieren und einfach mit sehr geringer Energie in der Gegenwart ankommen. Im Gegensatz zur weichen Röntgenstrahlung ist die Technologie für ihren Nachweis Detektion noch eine offene Frage.

    Hot Spots im Mikrowellenhintergrund

    Eine dritte Nachweismöglichkeit wäre die Existenz von sehr energiereichen „hot spots“ im kosmischen Mikrowellenhintergrund (CMB), insbesondere kleine Regionen mit einem Spektrum außerhalb des Gleichgewichts. Der CMB wird seit Jahrzehnten intensiv beforscht, unter anderem mit der europäischen „Planck“-Mission, an der das MPI für Astrophysik maßgeblich beteiligt war. Die große Herausforderung dabei ist, diese sehr kleinen Stellen zu identifizieren und ihr Spektrum zu bestimmen. Hier sind eine exzellente Winkelauflösung und fortgeschrittene statistische Methoden gefragt.

    Die beiden Autoren hoffen, mit ihren theoretischen Arbeiten Entwicklungen anstoßen, die diese Signale in Zukunft beobachtbar machen – als Boten direkt aus dem frühen Universum. Ihr Nachweis würde den Weg ebnen, um in den Urknall hineinzublicken. Es würde Licht auf den Beginn des Universums werfen und neue Wege in der beobachtenden Kosmologie eröffnen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Max Planck Institute for Physics
    Prof. Dr. Leo Stodolsky
    leo.stodolsky@mpp.mpg.de

    Institut d’Astrophysique de Paris
    Prof. Dr. Joseph Silk
    silk@iap.fr


    Originalpublikation:

    Signals of Bursts from the Very Early Universe
    Leo Stodolsky, Joseph Silk
    Signals of Bursts from the Very Early Universe - published October 15, 2025
    The Astrophysical Journal, Volume 992, Number 2
    DOI: 10.3847/1538-4357/ae01a4

    Positron signal from the early Universe
    Leo Stodolsky, Joseph Silk
    Phys. Rev. D 111, L121304 - published 27 June, 2025
    DOI: https://doi.org/10.1103/897z-1k7m


    Bilder

    Der kosmische Mikrowellenhintergrund zeigt das älteste Licht im Kosmos vor 380.000 Jahren. Das Bild basiert auf Daten der Planck-Mission. In diesen Daten könnten sich Informationen verbergen, die auf Energieausbrüche kurz nach dem Urknall hindeuten.
    Der kosmische Mikrowellenhintergrund zeigt das älteste Licht im Kosmos vor 380.000 Jahren. Das Bild ...
    Quelle: ESA/Planck Collaboration
    Copyright: ESA/Planck Collaboration


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Der kosmische Mikrowellenhintergrund zeigt das älteste Licht im Kosmos vor 380.000 Jahren. Das Bild basiert auf Daten der Planck-Mission. In diesen Daten könnten sich Informationen verbergen, die auf Energieausbrüche kurz nach dem Urknall hindeuten.


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