Mit einem am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB entwickelten Verfahren können bakterielle, virale, fungale oder parasitäre Erreger bei Sepsis-Patienten sehr viel schneller als bisher und zugleich mit höchster Präzision identifiziert werden. Der Ansatz basiert auf der Hochdurchsatz-Sequenzierung von im Blut zirkulierender zellfreier DNA und wurde am 14. Oktober 2025 in Brüssel durch die EARTO mit dem Innovation Award in der Kategorie »Impact Delivered« ausgezeichnet. Das Diagnostik-Kit ist bereits für die Indikation Sepsis zugelassen und als IVD-zertifiziertes Produkt in der Routineversorgung verfügbar.
Der europäische Verband EARTO – European Association of Research and Technology Organisations vertritt über 350 Forschungs- und Technologieorganisationen in mehr als 32 Ländern Europas – darunter auch das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. Seit 2009 vergibt die EARTO jährlich ihre Innovation Awards, um den wichtigen Beitrag ihrer Mitglieder zur Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft zu würdigen.
Bei der diesjährigen Preisverleihung am 14. Oktober 2025 in Brüssel wurde ein neuer Ansatz zur Erregerdiagnostik bei Intensivpatienten ausgezeichnet. Das am Fraunhofer IGB entwickelte Verfahren basiert auf der Hochdurchsatz-Sequenzierung mittels Next-Generation Sequencing (NGS) des Erbguts von Krankheitserregern, das aus dem Blut von Patienten isoliert wird. Dr. Kai Sohn, Leiter der Abteilung In-vitro-Diagnostik am Fraunhofer IGB, nahm den zweiten Preis in der Kategorie »Impact delivered« entgegen.
Schneller und präziser dank Hochdurchsatz-DNA-Sequenzierung
In den meisten Kliniken werden Sepsis‑Erreger nach wie vor in Form einer klassischen Blutkultur nachgewiesen. Dabei werden die Keime in einer Blutprobe des Patienten im Labor angezüchtet, was mit relevanten Zeitverzögerungen assoziiert ist. Hierdurch kommt der Erregernachweis, der für eine gezielte antiinfektive Therapie notwendig ist, häufig zu spät. Darüber hinaus liefert die Blutkultur in maximal 30 Prozent der Fälle überhaupt ein positives Ergebnis.
Das neue Fraunhofer-Verfahren bedient sich daher des Erbguts der Erreger bzw. ihrer Bruchstücke im Blut. Denn wie alle Zellen setzen auch die verschiedenen Krankheitserreger ihr Erbgut in Form sogenannter zirkulierender zellfreier DNA-Fragmente (cfDNA) frei. Aus einer Blutprobe können die Forschenden bis zu 30 Millionen DNA‑Bruchstücke isolieren und sequenzieren. Finden sich Fragmente nicht humanen Ursprungs, so werden die Sequenzdaten mit einer speziell etablierten Datenbank abgeglichen, in der die Genomsequenzen von Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten gespeichert sind. So lassen sich Pathogene eindeutig und innerhalb von nur 24 Stunden sicher identifizieren.
Impact delivered: Klinische Studien bestätigen hochpräzise Erregeridentifikation
In klinischen Studien unter Leitung des Universitätsklinikums Essen wurde der neue Ansatz mit den bisherigen diagnostischen Standards verglichen. Die Studien bestätigen, dass das NGS-Verfahren ausgezeichnete Performancecharakteristika aufweist: So konnte etwa bei mehr als 60 Prozent aller untersuchten Blutproben der ursächlich krankheitsauslösende Erreger identifiziert werden. Im Vergleich zur Blutkultur führte die NGS-Diagnostik zum Zeitpunkt des Sepsisbeginns viermal häufiger und drei Tage nach Sepsisbeginn sogar zehnmal häufiger zu einem positiven Ergebnis. Nach dieser Präzisionsdiagnose folgt eine spezifisch auf den jeweils ursächlichen Erreger abgestimmte Therapie. Durch diese können die Betroffenen sowohl die Intensivstation, als auch das Krankenhaus deutlich schneller verlassen und weisen eine höhere Lebensqualität nach Krankenhausentlassung auf. Da die Behandlung von Sepsis einen bedeutenden Kostentreiber darstellt, dürfte dies sowohl die Krankenhäuser als auch die Krankenkassen sichtlich entlasten.
Kommerziell vertrieben wird das Diagnostik-Verfahren durch die Noscendo GmbH, einer Ausgründung aus dem Fraunhofer IGB. Wenn Kliniken das Verfahren nicht selbst in angeschlossenen Zentrallaboren nutzen können, bietet das Start-up die Möglichkeit, jederzeit Proben einzusenden und in kürzester Zeit analysieren zu lassen. In den letzten fünf Jahren konnten hierdurch die Blutproben von mehr als 15 000 Patientinnen und Patienten untersucht werden.
EARTO Innovation Award: Innovationen zum Wohle von Wirtschaft und Gesellschaft
Der jährliche EARTO Innovation Award zeichnet eine Innovation mit bedeutender sozialer und/oder wirtschaftlicher Wirkung aus, die mit maßgeblicher Beteiligung eines EARTO-Mitglieds entstanden ist. Eine unabhängige Jury bewertet die Beiträge und wählt den oder die Gewinner aus. In der Kategorie »Impact Delivered« zeichnet EARTO Innovationen aus, die bereits auf dem Markt sind und ihre Wirkung unter Beweis gestellt haben, während in der Kategorie »Impact Expected« Innovationen honoriert werden, die noch nicht auf dem Markt sind, aber großes Potenzial haben.
Die diesjährige Verleihung der EARTO Innovation Awards fand im Rahmen der Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum der EARTO am 14. Oktober 2025 im BELvue Museum in Brüssel statt.
Dr. Kai Sohn kai.sohn@igb.fraunhofer.de
https://www.igb.fraunhofer.de/de/presse-medien/presseinformationen/2025/next-gen... Zur Presseinfo beim Fraunhofer IGB mit Video
Mit ihrer Methode können die Forschenden Bruchstücke der DNA im Blut nachweisen
Quelle: Piotr Banczerowski
Copyright: Piotr Banczerowski
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
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Deutsch
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