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17.10.2025 10:10

Neues infektionsrelevantes Protein in Leishmaniose-Erregern entdeckt

Dr. Carmen Rotte Kommunikation & Medien
Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften

    Auf den Punkt gebracht:

    • Bedeutsam für Ansteckung: Forschende haben entdeckt, dass Parasiten der Gattung Leishmania das Protein TKUL benötigen, um Infektionen von Wirtszellen aufrechtzuerhalten.

    • Zwei Enzyme in einem Molekül: TKUL besitzt zwei infektionsrelevante Enzymfunktionen: eine Kinase und eine Ubiquitin Ligase.

    • Ungewöhnlicher Mechanismus: Die Kinase fungiert als molekularer Schalter, der die Ubiquitin-Ligase aktiviert. Dies geschieht durch strukturelle Umordnungen.

    • Neues molekulares Wirkstoffziel: Kinase-Hemmstoffe können beide Enzymaktivitäten von TKUL blockieren und somit neue Therapieansätze für Leishmaniose liefern.

    Leishmaniose zählt zu den sogenannten vernachlässigten Infektionskrankheiten (NTDs), die insbesondere Menschen in den ärmsten tropischen Regionen der Welt treffen. NTDs werden weniger erforscht und bekämpft als andere Erkrankungen. Verursacht wird Leishmaniose durch Parasiten der Gattung Leishmania, die durch den Stich infizierter Sandmücken auf den Menschen übertragen werden. Leishmaniose breitet sich aber mittlerweile auch verstärkt in gemäßigten Zonen Europas und Nordamerikas aus. Ursachen dafür sind fortschreitender Klimawandel, anhaltende bewaffnete Konflikte mit steigender Migration und zunehmender internationaler Reiseverkehr.

    Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass pro Jahr weltweit bis zu eine Million Menschen neu an der kutanen Form der Leishmaniose erkranken, die zu Hautläsionen führt. Zusätzlich treten jährlich etwa 50.000 bis 90.000 neue Fälle der schweren viszeralen Krankheitsform auf. Diese auch als Kala-Azar oder Schwarzes Fieber bekannte Form der Leishmaniose schädigt vor allem innere Organe wie Leber und Milz. Unbehandelt ist viszerale Leishmaniose lebensgefährlich und führt in über 95 Prozent der Fälle zum Tod.

    Neue Therapien benötigt

    Bisher lässt sich Leishmaniose nicht verhindern – es stehen weder Impfstoffe noch vorbeugende Medikamente zur Verfügung. Um infizierte Personen zu behandeln, existieren nur wenige Wirkstoffe, darunter Miltefosin. In der Mehrheit sind diese Substanzen nicht speziell gegen Leishmaniose gerichtet, verursachen schwere Nebenwirkungen und verlieren zunehmend an Wirksamkeit durch Resistenzbildungen seitens der Parasiten. Zudem sind die Medikamente in besonders betroffenen Regionen oft nicht ausreichend verfügbar, zu teuer oder müssen zum Teil durch fachmedizinisches Personal als Spritze verabreicht werden. Die Entwicklung neuer, gezielter Therapien gegen Leishmaniose stellt daher eine wichtige globale Herausforderung dar. Ein entscheidender Schritt dabei liegt in der Identifizierung parasitenspezifischer molekularer Angriffspunkte.

    Entscheidend für Infektion

    Ein Forschungsteam um Sonja Lorenz am Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften hat ein bislang unerforschtes, parasitenspezifisches Protein, TKUL, aus dem Erreger Leishmania mexicana charakterisiert und herausgefunden, dass es eine Schlüsselrolle während der Infektion spielt. Die zugehörigen parasitologischen Studien wurden durch die Arbeitsgruppen von Christian Janzen an der Universität Würzburg und Ulrike Schleicher am Uniklinikum Erlangen durchgeführt. Dass TKUL in den menschlichen und tierischen Wirtsorganismen der Leishmanien fehlt und einen einzigartigen Aufbau besitzt, eröffnet neue Perspektiven, gezielte Therapien gegen Leishmaniose zu entwickeln.

    Ein Protein, zwei Enzymaktivitäten

    TKUL vereint zwei Enzymkomponenten, die sonst nur einzeln in Proteinen vorkommen: Ein Teil des Proteins ist eine Kinase-Domäne, die zelluläre Signalwege gewöhnlich durch die Übertragung von Phosphatgruppen steuert. Die zweite Komponente ist eine Ubiquitin-Ligase-Domäne, die Proteine mit dem kleinen Signalprotein Ubiquitin versieht. Diese Markierung dient im Zellstoffwechsel häufig dazu, überschüssige oder defekte Proteine abzubauen und ihre Bausteine wiederzuverwenden – ein Prozess, der essenziell ist, um die Zellgesundheit aufrechtzuerhalten.

    Neue Werkzeuge gegen Leishmaniose

    Lorenz‘ Forschungsteam hat aufgedeckt, dass die beiden Enzymaktivitäten von TKUL miteinander gekoppelt sind. „Die Kinase fungiert als molekularer ‚Schalter‘, der die Ubiquitin-Ligase aktiviert. Dies geschieht jedoch nicht – wie erwartet – durch die Übertragung eines Phosphatrests auf die Ubiquitin-Ligase-Domäne, sondern durch wirkungsvolle strukturelle Umordnungen“, erklärt Thornton Fokkens, Postdoktorand in der Forschungsgruppe am MPI, der die mechanistischen Erkenntnisse erzielte. „Dank dieses einzigartigen Aktivierungsmechanismus können wir die Ubiquitin-Ligase-Aktivität von TKUL mit Hemmstoffen blockieren, die an die Kinase-Domäne binden“, ergänzt er. Darin sieht Lorenz einen großen Vorteil: „Hemmstoffe für Ubiquitin-Ligasen zu finden, ist sehr schwierig. Hier können wir mit einem Kinase-Hemmstoff die Ubiquitin-Ligasefunktion von TKUL quasi durch die Hintertür ausschalten.“

    Ziel ihrer Forschungsgruppe ist es nun, diese Wirkstoffe gezielt weiterzuentwickeln, um TKUL in Infektionsmodellen spezifisch zu hemmen. „Die Substanzen werden wertvolle Werkzeuge sein, um die genaue Rolle von TKUL bei Leishmanien-Infektionen aufzuklären und neue therapeutische Ansätze zu eröffnen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Sonja Lorenz
    Forschungsgruppe Spezifitätsmechanismen im Ubiquitin-System
    Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, Göttingen
    Tel.: +49 551 201-1757
    E-Mail: sonja.lorenz@mpinat.mpg.de


    Originalpublikation:

    Fokkens, T. J.; Rauh, E. T.; Wolter, M.; Sebald, H.; Mitnacht, M.; Ainatzi, S.; Sprick, S.; Teschke, L.; Eisenhuth, N.; Huibregtse, J. M. et al.: A Leishmania virulence factor harnesses an allosteric kinase switch to regulate its ubiquitin ligase activity. Molecular Cell (2025).
    https://doi.org/10.1016/j.molcel.2025.09.002


    Weitere Informationen:

    https://www.mpinat.mpg.de/5143026/pr_2520 – Original-Pressemitteilung
    https://www.mpinat.mpg.de/de/lorenz – Webseite der Forschungsgruppe Spezifitätsmechanismen im Ubiquitin-System, Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften


    Bilder

    Leishmanien halten Infektionen nur mithilfe des Proteins TKUL aufrecht, das eine Kinase- (gelb) und eine Ubiquitin-Ligase-Domäne (blau) besitzt. Blockiert ein Hemmstoff die Kinase, kann diese die Ligase nicht mehr aktivieren.
    Leishmanien halten Infektionen nur mithilfe des Proteins TKUL aufrecht, das eine Kinase- (gelb) und ...
    Quelle: Johannes Pauly, Sonja Lorenz
    Copyright: Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Leishmanien halten Infektionen nur mithilfe des Proteins TKUL aufrecht, das eine Kinase- (gelb) und eine Ubiquitin-Ligase-Domäne (blau) besitzt. Blockiert ein Hemmstoff die Kinase, kann diese die Ligase nicht mehr aktivieren.


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