Ohne Kompromisse wären Konflikte nicht zu bewältigen – es droht stets die Eskalation. Aber was ist ein Kompromiss? Was muss gegeben sein, damit er zustande kommt? Wann ist er faul? „Es gab bislang kaum Forschung zum Kompromiss“, sagt Prof. Dr. Constantin Goschler, Professor für Zeitgeschichte der Ruhr-Universität Bochum. Gemeinsam mit Forschenden aus Duisburg-Essen und Münster hat er sich drei Jahre lang den „Kulturen des Kompromisses“ gewidmet. Das Projekt, das von Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wurde, ist abgeschlossen und hat seine Ergebnisse auf der Webseite veröffentlicht: https://www.uni-due.de/kompromisskulturen
Konflikte können auf verschiedene Arten beendet werden: Eine Seite setzt sich zulasten der anderen durch, friedlich oder mit Gewalt; alle Parteien finden eine für sie vorteilhafte Lösung, sie vereinbaren einen Deal; der Konflikt wird gelöst, indem ein von allen akzeptierter Konsens gefunden wird. Wenn all dies nicht passiert, schlägt die Stunde des Kompromisses: In diesem Fall machen alle Seiten unter Umständen schmerzhafte Zugeständnisse, ohne jedoch ihre ursprünglichen Positionen aufzugeben.
Das Forschungsprojekt hat den Kompromiss sowohl theoretisch-systematisch wie historisch erforscht. Kompromisse haben bestimmte Eigenschaften gemeinsam, sie unterschieden sich aber stark je nach Kontext. Das gilt historisch, deshalb hat das Projekt die Geschichte des Kompromisses vom Mittelalter bis in die Gegenwart untersucht. Das gilt für verschiedene Kulturräume, darum wurden Kompromisse vergleichend in Europa, Nordamerika, Japan und Israel erforscht. Das gilt für Situationen, weswegen sowohl Kompromisse in Politik und Diplomatie als auch im Recht, in Literatur und Imagination und schließlich in der alltäglichen Interaktion betrachtet worden sind.
Warum Kompromisse möglich sind oder scheitern
Die Gründe, warum Kompromisse möglich sind oder scheitern, liegen auf verschiedenen Ebenen: Wichtig ist erstens die Einstellung der Beteiligten. „Wer keinesfalls bereit ist, Zugeständnisse zu machen und damit keine Abstriche an den eigenen Zielen vorzunehmen, ist kompromissunfähig“, sagt Prof. Dr. Ulrich Willems (Universität Münster).
Entscheidend sind zweitens die Themen: So ist bei zähl- und teilbaren Gütern ein Kompromiss verhältnismäßig leicht möglich. Ganz anders verhält es sich bei Werten und Moral. Religiöse Überzeugungen etwa lassen häufig Kompromisse nicht zu, da sie als Verrat an Prinzipien erscheinen. „Umso bemerkenswerter ist, dass Kompromisse in religiösen und konfessionellen Streitfragen unter bestimmten Umständen in der Historie dennoch möglich waren“, sagt Prof. Dr. Ute Schneider (Universität Duisburg-Essen).
Eine entscheidende Voraussetzung dafür, Kompromisse zu finden, sind drittens Verfahren und Mechanismen: Gibt es, etwa in der Diplomatie, anerkannte Instrumente, wie Verhandlungen geführt werden, ist es leichter, Übereinkünfte zu finden. Von besonderer Bedeutung sind hier Dritte, die Einigungen vermitteln können. Viertens spielt die Vorstellungswelt der Menschen eine große Rolle dabei, ob Kompromisse möglich sind. Während im europäischen Mittelalter etwa schmerzhafte Zugeständnisse in der Politik schwer zu vermitteln waren, gilt es in vielen heutigen Demokratien als unerlässlich, Abstriche an den eigenen Positionen vorzunehmen, um eine Einigung zu erlangen. Dort, wo Konsens und Harmonie hochgeschätzt werden, etwa im heutigen Japan, wird der Kompromiss anders eingesetzt als in Gesellschaften, die Pluralität und offene Debatten positiv bewerten.
Prof. Dr. Constantin Goschler
Fakultät für Geschichtswissenschaften
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 22540
E-Mail: constantin.goschler@ruhr-uni-bochum.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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