Suprafestkörper sind fest und supraflüssig zugleich. Werden sie in Rotation versetzt, zeigen sie ein überraschendes Phänomen: Ein Innsbrucker Forschungsteam hat entdeckt, wie sich die Bewegungen kristalliner Strukturen in der Supraflüssigkeit beim Auftreten von Quantenwirbeln synchronisieren. Diese Entdeckung liefert neue Einblicke in die grundlegenden Eigenschaften von Quantensystemen.
Ein Suprafestkörper ist ein paradoxer Zustand der Materie – er ist starr wie ein Kristall, fließt aber reibungslos wie eine Supraflüssigkeit. Diese exotische Form der Quantenmaterie wurde erst kürzlich in dipolaren Quantengasen demonstriert. Forscher:innen unter der Leitung von Francesca Ferlaino untersuchten nun, wie die festen und supraflüssigen Eigenschaften eines Suprafestkörpers miteinander wechselwirken, insbesondere unter Rotation. In ihren Experimenten brachten sie ein suprafestes Quantengas mit Hilfe eines sorgfältig kontrollierten Magnetfeldes zum Rotieren und beobachteten ein überraschendes Phänomen: „In Suprafestkörpern sind Quantentröpfchen periodisch angeordnet – ähnlich wie in einem Kristallgitter – und von Supraflüssigkeit umgeben“, erklärt Francesca Ferlaino. „Jedes Tröpfchen folgt dem externen Magnetfeld; sie drehen sich alle gemeinsam. Wenn sich die ersten Wirbel bilden, beginnen sich die Rotationsbewegungen und die Drehachsen der Tröpfchen zu synchronisieren.“
„Es hat uns überrascht, dass sich die Quantentröpfchen nicht einfach chaotisch drehen“, sagt Elena Poli, die für die theoretische Modellierung verantwortlich war. „Sobald sich Quantenwirbel gebildet haben, fiel die gesamte Struktur in einen Takt mit dem externen Magnetfeld – als würde die Natur ihren eigenen Rhythmus finden.“
Andrea Litvinov, der die Experimente durchgeführt hat, fügt hinzu: „Es war spannend zu sehen, wie die Daten plötzlich mit der Theorie übereinstimmten. Es gab einen Moment, in dem das System einfach ‚seinen Rhythmus fand‘.“
Neue Methode zur Untersuchung von Quantenmaterie
Synchronisation bedeutet, dass zwei oder mehr Systeme einen gemeinsamen Rhythmus finden. In der Natur ist dies ein weit verbreitetes Phänomen – beispielsweise können Pendeluhren im Gleichklang ticken, Glühwürmchen gemeinsam aufleuchten oder Herzzellen synchron schlagen. Das Innsbrucker Team hat gezeigt, dass sich sogar exotische Quantenmaterie synchronisieren kann.
Die Entdeckung vertieft nicht nur das Verständnis dieses ungewöhnlichen Zustands der Materie, sondern eröffnet auch eine neue Methode zur Untersuchung von Quantensystemen. Mittels Beobachtung der Synchronisation konnte das Team die kritische Frequenz bestimmen, bei der Wirbel im System auftreten – eine grundlegende Eigenschaft rotierender Quantenflüssigkeiten, die bisher nur schwer direkt zu messen war.
Das Team kombinierte hochentwickelte Simulationsmethoden mit empfindlichen Experimenten an ultrakalten Dysprosiumatomen, die auf nur Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt gekühlt wurden. Mithilfe einer Technik namens „Magnetostirring“ gelang es ihnen, den Suprafestkörper rotieren zu lassen und seine Veränderung mit hoher Präzision zu erfassen.
Vom Labor zum Kosmos
Die Ergebnisse könnten über das Labor hinaus interessant sein. So wird angenommen, dass ähnliche Wirbeldynamiken bei plötzlichen Änderungen der Rotationsgeschwindigkeit eine Rolle spielen, die bei Neutronensternen beobachtet werden. „Suprafestkörper sind eine perfekte Plattform, um Fragen zu erforschen, die sonst unzugänglich sind“, sagt Poli. „Obwohl diese Systeme in mikrometergroßen Laborfallen erzeugt werden, könnte ihr Verhalten Phänomene auf kosmischer Ebene widerspiegeln.“
„Diese Arbeit wurde durch die enge Zusammenarbeit zwischen Theorie und Experiment sowie durch die Kreativität der jungen Forscher:innen in unserem Team ermöglicht“, sagt Gruppenleiterin Francesca Ferlaino vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Die Forschungsarbeit wurde in Zusammenarbeit mit dem Pitaevskii BEC Center der Universität Trient durchgeführt.
Die in Nature Physics veröffentlichte Studie wurde unter anderem vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und der Europäischen Union finanziell unterstützt.
Univ.-Prof. Dr. Francesca Ferlaino
Institut für Experimentalphysik
Universität Innsbruck
+43 512 507 52440
francesca.ferlaino@uibk.ac.at
https://www.erbium.at/
Synchronization in rotating supersolids. Elena Poli, Andrea Litvinov, Eva Casotti, Clemens Ulm, Lauritz Klaus, Manfred J. Mark, Giacomo Lamporesi, Thomas Bland, and Francesca Ferlaino. Nature Physics 2025 DOI: 10.1038/s41567-025-03065-7 [https://www.nature.com/articles/s41567-025-03065-7]
Ein Innsbrucker Forschungsteam hat entdeckt, wie sich die Bewegungen kristalliner Strukturen in der ...
Quelle: Andrea Litvinov
Copyright: Universität Innsbruck
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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