Die Literaturwissenschaftlerin Dr. Nora Zapf wurde am 17. Oktober 2025 auf der Frankfurter Buchmesse für ihre Übersetzung des Langgedichts „Primero sueño/Erster Traum“ der mexikanischen Barock-Dichterin Sor Juana Inés de la Cruz mit dem renommierten Paul-Scheerbart-Preis der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung ausgezeichnet. Die mit 5000 Euro dotierte Ehrung gehört zu den bedeutendsten Übersetzerpreisen im deutschsprachigen Raum und würdigt, dass Zapf diesen intellektuell schillernden Schlüsseltext aus der lateinamerikanischen Tradition neu zugänglich gemacht hat.
Das berühmte Langgedicht der mexikanischen Nonne und Dichterin aus dem 17. Jahrhundert ist zwischen 1685 und 1690 entstanden und besteht aus 975 Versen. Es beschreibt, wie im Traum die Seele einer Frau auf der Suche nach Wissen und Erkenntnis aufsteigt und fällt. Für die spanische Gedichtform namens „Silva“ sind unregelmäßig wechselnde 11- und 7-silbige Verse, die durch Kreuzreime verbunden sind, charakteristisch.
Dichterin, Nonne und Feministin
Sor Juana Inés de la Cruz (1648–1695) war eine der faszinierendsten Frauen des Barock – Dichterin, Philosophin, Nonne und Verteidigerin des weiblichen Intellekts. Im kolonialen Mexiko aufgewachsen, brachte sie sich schon als Kind Lesen und Schreiben bei und galt früh als Wunderkind. Am Hof des Vizekönigs von Neuspanien beeindruckte sie mit ihrem Wissen in Theologie, Astronomie und Rhetorik, bevor sie ins Kloster eintrat, um sich dem Studium widmen zu können – damals eine der wenigen Möglichkeiten für eine Frau, frei zu denken. In ihren Gedichten und Essays verband sie barocke Sprachkunst mit scharfer Gesellschaftskritik und forderte das Recht der Frauen auf Bildung. Ihr Hauptwerk Primero sueño gilt als Höhepunkt lateinamerikanischer Barockliteratur und macht Sor Juana zur Ikone des frühen Feminismus.
Übersetzung aus dem barocken Mexiko ins Heute
Syntax und Rhythmus und das Zusammenhalten der Motive über die große Textmenge hinweg waren für die Augsburger Forscherin Dr. Nora Zapf eine Herausforderung bei der Übertragung. „Zuerst habe ich die erste Zeile übersetzt, um das Gedicht besser zu verstehen, dann die zweite, dritte, dann konnte ich nicht mehr aufhören. Übersetzen ist für mich die intimste Form des Lesens, weil man jeden Buchstaben und jedes Wort genau anschaut: Klang, Etymologie, Länge, etc. Gleichzeitig darf man das Ganze dabei nicht vergessen. Sor Juanas Traum besteht nur aus wenigen Sätzen, die aber fast 1000 Verse lang sind. Gedichtübersetzung ist immer ein Mischwesen: zwischen Nachahmen und Neuschreiben“, sagt Zapf. „Dabei wollte ich vor allem das Barock von Sor Juana in die poetische Sprache der Gegenwart übersetzen.“
Die Laudatorin Lea Schneider, selbst Lyrikerin und Übersetzerin, sagt: „Wenn ich eine Definition davon geben müsste, was Übersetzung im besten Fall sein kann, dann würde ich sagen: Genau das. Ein Gespräch, das die Linearität der Zeit aufhebt […], als eine Übung in Quantenphysik; als poetischen Weltrettungsplan für eine trotz allem immer noch mögliche Zukunft, der gleichzeitig vor 335 Jahren und morgen geschrieben wurde.“
Über die Preisträgerin
Dr. Nora Zapf ist Literaturwissenschaftlerin, Übersetzerin und Lyrikerin. Sie studierte Romanistik, Neuere Deutsche Literatur und Politikwissenschaft in München und Lissabon und promovierte an der LMU München. Nach Stationen in Innsbruck und Harvard forscht und lehrt sie heute an der Universität Augsburg an der Professur für Romanische Literaturwissenschaft (Spanisch/Portugiesisch). Ihre Schwerpunkte liegen auf lateinamerikanischer Literatur, Lyrik- und Übersetzungstheorie.
Dr. Nora Zapf
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Romanische Literaturwissenschaft (Spanisch / Portugiesisch)
Telefon: +49 821 598 - 5948
E-Mail: nora.zapf@philhist.uni-augsburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Sprache / Literatur
überregional
Wettbewerbe / Auszeichnungen
Deutsch
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