Vom dualen System zum Netzwerk: Forschungsteam aus Chemnitz, Santiago de Chile und Magdeburg hat eine neue Sicht auf die Handlungssteuerung im Gehirn und ihren Nutzen für die Entwicklung neuroinspirierter KI
Wenn Sie heute Morgen Ihren ersten Kaffee gemacht haben – haben Sie dabei bewusst jede Bewegung geplant oder einfach automatisch gehandelt? Diese einfache Frage führt direkt zum Kern einer zentralen Unterscheidung in den Neurowissenschaften: zwischen Handlungen, die gewohnheitsmäßig ablaufen, und solchen, die zielgerichtet sind. In einer kürzlich, im renommierten Journal „Trends in Neuroscience“, veröffentlichten Arbeit stellen Prof. Dr. Fred Hamker (Professur Künstliche Intelligenz der Technischen Universität Chemnitz), Dr. Javier Baladron (Universidad de Santiago de Chile) und Dr. Lieneke Janssen (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg) genau diese klassische Unterscheidung in Frage. Sie schlagen vor, dass unser Verhalten wahrscheinlich durch das Zusammenspiel verschiedener Hirnkreisläufe geprägt wird – und dass ähnliche Prinzipien künftig auch für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) relevant sein könnten.
Bisher gehen Forschende davon aus, dass unser Gehirn über zwei Systeme verfügt, die unser Denken und Handeln steuern: ein schnelles, automatisches System und ein langsames, bewusstes System – bekannt etwa aus Daniel Kahnemans Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“. Diese Systeme führen entweder zu schnellen, gewohnheitsmäßigen Handlungen oder zu überlegtem, zielgerichtetem Verhalten. Doch laut Hamker, Baladron und Janssen entsteht ein Großteil unseres Alltagsverhaltens durch eine komplexe Kette von Vorgängen im Nervensystem, bei der beide Systeme eng miteinander verflochten sind.
Das Forschungsteam schlägt daher ein neues Modell vor: Statt zwischen „gewohnheitsmäßig“ und „zielgerichtet“ zu unterscheiden, sollte man Verhalten auf einem Kontinuum betrachten. Im Zentrum stehen dabei die Schleifen der Basalganglien mit Thalamus und Kortex – wiederkehrende Schaltkreise im Gehirn. „Diese Schleifen ermöglichen sowohl zielgerichtetes als auch automatisches Verhalten. Entscheidend ist, wie stark sie miteinander interagieren: Wenn Abkürzungen innerhalb dieser Schaltkreise entstehen, wird Verhalten eher zur Gewohnheit. Wenn dagegen alle Schleifen vollständig durchlaufen werden, bleibt das Handeln stärker auf ein Ziel ausgerichtet“, erläutert Hamker.
Ihre Überlegungen könnten auch neue Impulse für die KI-Forschung liefern. Die drei Forschenden sehen Parallelen zwischen den Aufmerksamkeitsmechanismen moderner Transformer-Netzwerke – also jener Technologie, die auch großen Sprachmodellen zugrunde liegt – und der Kontextverarbeitung im menschlichen Gehirn. „Indem KI-Modelle künftig gewohnheitsähnliche Abkürzungen nutzen, könnten sie effizienter und energiesparender werden“, meinen die Forschenden. So eröffnet die Arbeit von Hamker, Baladron und Janssen nicht nur neue Perspektiven auf die Funktionsweise des menschlichen Gehirns, sondern auch auf die zukünftige Entwicklung intelligenter Maschinen.
Prof. Dr. Fred Hamker, Professur Künstliche Intelligenz der TU Chemnitz, Telefon +49 (0)371 531-37875, E-Mail fred.hamker@)informatik.tu-chemnitz.de
Interacting corticobasal ganglia-thalamocortical loops shape behavioral control through cognitive maps and shortcuts, Fred H. Hamker (TU Chemnitz), Javier Baladron (Universidad de Santiago de Chile) and Lieneke K. Janssen (OVGU Magdeburg), Trends in Neurosciences, 9 October 2025, https://doi.org/10.1016/j.tins.2025.09.006
Prof. Dr. Fred Hamker, Inhaber der Professur Künstliche Intelligenz der TU Chemnitz, ist Mitglied de ...
Quelle: Fotografik: Jacob Müller
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Biologie, Informationstechnik, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch

Prof. Dr. Fred Hamker, Inhaber der Professur Künstliche Intelligenz der TU Chemnitz, ist Mitglied de ...
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