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24.10.2025 13:28

Der Anfang vom Ende

Sebastian Hollstein Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Biologe der Universität Jena entdeckt den evolutionären Ursprung des Anus

    Ohne die evolutionäre Herausbildung eines komplexen Verdauungssystems würde es keine großen Säugetiere inklusive Menschen geben. Denn nur dank der effizienten Verarbeitung von Nahrung kann unser Gehirn mit den erforderlichen Energiemengen versorgt werden, die es für all seine aufwendigen Denkprozesse benötigt. Für einen durchgehenden Verdauungstrakt ist allerdings – anders als bei ursprünglichen Lebensformen – nicht nur eine Mundöffnung, sondern auch ein Anus erforderlich, durch den Verdauungsreste den Körper wieder verlassen. Doch woher stammt eigentlich das Ende unseres Verdauungssystems und wann taucht es in der Evolution zum ersten Mal auf? Darauf hat nun der Evolutionsbiologe Prof. Dr. Andreas Hejnol von der Friedrich-Schiller-Universität Jena gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von der Universität Bergen eine Antwort gefunden: Die hintere Öffnung findet sich erstmals bei winzigen Würmern, die seit rund 550 Millionen Jahren auf der Erde existieren. Seine Forschungsergebnisse präsentiert das Team im Forschungsmagazin „Nature Ecology & Evolution“.

    Die Tiere, die zum Stamm der Xenacoelomorpha gehören, sind meist nicht größer als ein Reiskorn und leben in der Regel auf dem Meeresboden. „Einerseits besitzen sie zwar nur eine Mundöffnung, die Nahrung aufnimmt und den Abfall wieder ausspeit – gleichzeitig gehören sie aber zu den ersten sogenannten Bilateria, sind also symmetrisch aufgebaut mit einer linken und einer rechten Körperhälfte, so wie auch Säugetiere und der Mensch“, sagt Andreas Hejnol. „Sie nehmen also eine sehr interessante Position im Stammbaum der Tiere ein.“

    Gleiche Gene bei Spermienkanal und Anus

    Bereits vor einigen Jahren hat der Jenaer Zoologe entdeckt, dass Menschen und Xenacoelomorpha für die Bildung ihrer Mundöffnungen auf die gleichen Gene zurückgreifen. Nun untersuchte er, ob es nicht auch genetische Parallelen gibt, die auf eine verwandte hintere Öffnung hindeuten – und er wurde fündig. „Die adulten Tiere bilden meist hinten einen sogenannten Gonoporus aus, einen Kanal, durch den sie Spermien abgeben“, erklärt Andreas Hejnol. „An dieser Öffnung haben wir nun mehrere Gene entdeckt, die auch für die Bildung des Enddarms bei verantwortlich sind.“

    Um sicherzugehen, dass diese Gene nicht einfach nur auf die hintere Position im Körper hinweisen, lieferte die Natur den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein hilfreiches Experiment: Bei einer bestimmten Art von Xenacoelomorpha, dem sogenannten Pantherwurm, befindet sich der Gonoporus direkt neben dem Mund im vorderen Bereich des Körpers – und auch er besitzt die Anus-Gene. Außerdem sind bei Jungtieren, die noch nicht geschlechtsreif sind und keinen Spermienkanal besitzen, diese Gene nicht exprimiert. Der Gonoporus ist also das entscheidende Körperteil.

    Große Säugetiere dank komplexer Verdauung

    In einer späteren Evolutionsstufe hat sich der Darm schließlich mit dem Spermienkanal verbunden und der Gonoporus entwickelte sich zum Anus. Wann genau das passiert ist, lässt sich noch nicht sagen. Die Xenacoelomorpha – und somit auch der Vorläufer des Afters – sind rund 550 Millionen Jahre alt. Möglicherweise diente die neu entstandene Körperöffnung zunächst der Verdauung und der Fortpflanzung, wie wir das heute noch beispielsweise von Vögeln oder Schnabeltieren kennen, die eine Kloake besitzen. Und auch bei menschlichen Embryonen im Mutterleib teilen sich Genitalien und After zunächst eine Öffnung.

    „Erst die Herausbildung des Anus ermöglichte eine Verdauung, bei der verschiedene Bereiche mit unterschiedlicher Umgebung die Nahrung nach und nach verarbeiten und alle Nährstoffe Stück für Stück herauslösen“, erklärt Andreas Hejnol. „Nur dank dieser viel effizienteren Prozesse konnten Säugetiere größer werden und sich ein so leistungsfähiges Gehirn wie das des Menschen entwickeln, das von allen unseren Organen die meiste Energie benötigt.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Andreas Hejnol
    Institut für Zoologie und Evolutionsforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Erbertstraße 1, 07743 Jena
    E-Mail: andreas.hejnol@uni-jena.de


    Originalpublikation:

    C. Andrikou et al. Molecular evidence from xenacoelomorph gonopore formation supports homology with the bilaterian anus, Nature Ecology & Evolution, 2025; DOI: 10.1038/s41559-025-02866-6


    Bilder

    Der Evolutionsbiologe Prof. Dr. Andreas Hejnol betrachtet Pantherwürmer (Hofstenia miamia) in einer Petrischale.
    Der Evolutionsbiologe Prof. Dr. Andreas Hejnol betrachtet Pantherwürmer (Hofstenia miamia) in einer ...
    Quelle: Nicole Nerger/Uni Jena

    Pantherwürmer (Hofstenia miamia) in einer Petrischale. Die seit 550 Millionen Jahren existierenden Würmer gehören zu den ersten "Bilateria", symmetrisch aufgebauten Tieren mit einer linken und einer rechten Körperhälfte, wie auch Säugetiere.
    Pantherwürmer (Hofstenia miamia) in einer Petrischale. Die seit 550 Millionen Jahren existierenden W ...
    Quelle: Nicole Nerger/Uni Jena


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie
    regional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Der Evolutionsbiologe Prof. Dr. Andreas Hejnol betrachtet Pantherwürmer (Hofstenia miamia) in einer Petrischale.


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    Pantherwürmer (Hofstenia miamia) in einer Petrischale. Die seit 550 Millionen Jahren existierenden Würmer gehören zu den ersten "Bilateria", symmetrisch aufgebauten Tieren mit einer linken und einer rechten Körperhälfte, wie auch Säugetiere.


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