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28.10.2025 12:58

Neue genetische Ursache für Mikrozephalie entdeckt

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Die Mikrozephalie ist eine angeborene Fehlbildung, die zu einer deutlich verringerten Gehirngröße führt und häufig mit motorischen und geistigen Einschränkungen einhergeht. Ein internationales Forschungsteam um Dr. Tran Tuoc aus der Abteilung für Humangenetik der Ruhr-Universität Bochum hat eine bislang unbekannte genetische Ursache dafür herausgefunden. Mutationen im Gen EXOSC10 – einem zentralen Bestandteil des RNA-Abbaukomplexes („Exosom“) – verursachen die primäre Mikrozephalie. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift BRAIN vom 24. Oktober 2025 veröffentlicht.

    Präzises Gleichgewicht der Stammzellen

    Während der Entwicklung der Großhirnrinde müssen neuronale Stammzellen in einem präzisen Gleichgewicht zwischen Selbsterneuerung und Differenzierung stehen, um die große Vielfalt an Nervenzellen zu erzeugen, die für Wahrnehmung und Kognition notwendig sind. Ist dieses Gleichgewicht gestört, kommt es zu Fehlbildungen. „Dank moderner Sequenzierverfahren und genetischer Analysemethoden wächst unser Verständnis der genetischen Ursachen von Entwicklungsstörungen des Gehirns rasant“, berichtet Tran Tuoc.

    Genom-Screening von Patient*innen

    Er und sein Team identifizierten durch Genom-Screenings von Patientinnen und Patienten mit kortikalen Fehlbildungen Mutationen im Gen EXOSC10, die nicht durch die Eltern vererbt, sondern im Individuum neu entstanden waren. Um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen, erzeugten die Forschenden Mausmodelle mit vergleichbaren Mutationen. Bei diesen Mäusen führte der teilweise Verlust von EXOSC10 zu einer vorzeitigen Umwandlung von Stammzellen in Nervenzellen. „Dadurch verkleinerte sich die Stammzellpopulation, und die Großhirnrinde blieb kleiner – ganz ähnlich wie beim menschlichen Krankheitsbild“, so Erstautorin Dr. Pauline Ulmke.

    Molekulare Analysen – RNA-Sequenzierung und -Immunpräzipitation – zeigten, dass EXOSC10 normalerweise bestimmte Boten-RNAs des sogenannten Sonic-Hedgehog-(Shh)-Signalwegs, darunter Scube1 und Scube3, abbaut. Fehlt EXOSC10, werden diese Transkripte nicht ausreichend abgebaut, was zu einer übermäßigen Aktivierung des Shh-Signals führt. „Wird diese Signalaktivität im Mausmodell gehemmt, kann die reduzierte Hirngröße weitgehend wiederhergestellt werden – ein klarer Beweis für die ursächliche Rolle dieser Fehlregulation“, folgert Ulmke.

    Bislang unbekannte Verbindung

    „Unsere Studie zeigt eine bislang unbekannte Verbindung zwischen RNA-Abbau und Sonic-Hedgehog-Signalgebung während der Hirnentwicklung“, erklärt Tran Tuoc. „Sie verdeutlicht, wie empfindlich das Gleichgewicht zwischen RNA-Stabilität und Signalaktivität bei der Steuerung des Wachstums des Kortex ist.“ Neben der Identifizierung von EXOSC10 als neuem Mikrozephalie-Gen liefert die Studie grundlegende Erkenntnisse darüber, wie post-transkriptionelle RNA-Regulation das Gleichgewicht neuronaler Stammzellen kontrolliert und damit die Gehirngröße bestimmt.

    Diese Arbeit erweitert das Spektrum bekannter genetischer Ursachen von Mikrozephalie und eröffnet neue Perspektiven für die Erforschung von RNA-Stoffwechsel und Signalwegen bei menschlichen Hirnfehlbildungen. Die Ergebnisse unterstreichen überdies die Bedeutung moderner Genom-Sequenzierung und Tiermodelle, um die molekularen Grundlagen komplexer neuroentwicklungsbedingter Erkrankungen zu entschlüsseln.

    Förderung

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (TU432/3, TU432/6, GRK2862/1) und die Forschungsförderung in der Medizin (F1008N-20, IF-027N-22) unterstützten die Arbeiten.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Tran Tuoc
    Abteilung für Humangenetik
    Medizinische Fakultät
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 29262
    E-Mail.: tran.tuoc@ruhr-uni-bochum.de

    Webseite Humangenetik: https://www.ruhr-uni-bochum.de/mhg/


    Originalpublikation:

    Pauline Ulmke et al.: EXOSC10 Haploinsufficiency Causes Primary Microcephaly by Derepression of Sonic Hedgehog Signalling, in: Brain, 2025, DOI: 10.1093/brain/awaf405, https://academic.oup.com/brain/advance-article-abstract/doi/10.1093/brain/awaf40...


    Bilder

    Huu Phuc Nguyen, Pauline Ulmke und Tran Tuoc (von links) haben mageblich an der Arbeit mitgearbeitet.
    Huu Phuc Nguyen, Pauline Ulmke und Tran Tuoc (von links) haben mageblich an der Arbeit mitgearbeit ...

    Copyright: © RUB, Marquard


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Huu Phuc Nguyen, Pauline Ulmke und Tran Tuoc (von links) haben mageblich an der Arbeit mitgearbeitet.


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