Ersatzmethoden für Tierversuche entwickeln: Das ist das Hauptziel des 3R-Netzwerks. Anfang des Jahres ist eines von drei neuen 3R-Zentren in Baden-Württemberg an der Uni Ulm gestartet, mit einer Auftaktveranstaltung hat es nun auch ganz offiziell die Arbeit aufgenommen. Die Abkürzung 3R steht für „Replace, Reduce, Refine“, also Tierversuche ersetzen, reduzieren und die Bedingungen bei unvermeidbaren Tierversuchen verbessern.
Das 3R-Zentrum der Universität Ulm baut auf ihrer langjährigen Erfahrung bei der Optimierung unvermeidbarer Tierversuche (Refinement) auf. Im neuen, integrativen 3R-Zentrum soll ein Refinement-Labor mit Fokus auf Tumor- und Traumaforschung entstehen. Weitere Schwerpunkte sind die Weiterentwicklung der Stammzell- und Organoid-Technologie für die personalisierte Medizin. Um Tierversuche zu reduzieren, entsteht zudem eine Biobank zum Austausch von tierischem Gewebe. „Wir stellen sicher, dass exzellente Wissenschaft und verantwortungsbewusste Forschung Hand in Hand gehen“, so Universitätspräsident Professor Michael Weber bei der Auftaktveranstaltung des integrativen 3R-Zentrums der Uni Ulm am Montag, 20. Oktober. Rund 60 Gäste waren in den Senatssaal gekommen. Weber forderte sie auf: „Lassen Sie uns zusammenarbeiten, innovativ sein und mit gutem Beispiel vorangehen.“
Das 3R-Netzwerk des Landes Baden-Württemberg besteht bereits seit 2020. „Mit dem neuen 3R-Zentrum in Ulm erweitern wir das landesweite Netzwerk zur Vermeidung, Reduzierung und Verbesserung von Tierversuchen um einen starken biomedizinischen Partner“, so Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Petra Olschowski. Ulm verfüge über herausragende Forschung zu Tumor- und Traumatherapien und bringe moderne Stammzell- und Organoid-Technologien für die personalisierte Medizin sowie eine neue Biobank für tierisches Gewebe in das Netzwerk ein. „Damit schaffen wir beste Voraussetzungen, um Tierversuche noch weiter zu vermeiden, zu verringern und die Methoden zu verbessern. Wir stärken den Tierschutz, fördern innovative Forschung und sichern zugleich medizinischen Fortschritt – in Baden-Württemberg und weit darüber hinaus.“
Vor Ort betonte Dr. Sabine Gerbersdorf vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, dass das Land schon früh die Forschung an Alternative zu Tierversuchen gefördert habe und Ulm eine der Top-Adressen in der Biomedizin sei. Der Ulmer Standort erhält vom Land 150 000 Euro für drei Jahre. Die Universität Ulm unterstützt das Zentrum mit einer Personalstelle, zudem gibt die Medizinische Fakultät mehr als eine halbe Million Euro dazu. Deren Dekan Professor Thomas Wirth sagte: „Wir brauchen für komplexe Fragestellungen derzeit noch Tierversuche – aber je mehr wir ersetzen können, desto besser.“
Zwar werden auch an der Universität Ulm zahlreiche Alternativmethoden zu Tierexperimenten eingesetzt, beispielsweise Pankreas-Organoide in der Krebsforschung. Ersatzmethoden und Computersimulationen werden immer besser und helfen bereits jetzt, Tierversuche zu ergänzen und zu reduzieren. „Für richtungsweisende Entdeckungen sind wir jedoch noch auf Tiermodelle angewiesen“, erläuterte Professor Jan Tuckermann, Leiter des Instituts für Molekulare Endokrinologie und Physiologie und einer der drei Sprecher des Ulmer 3R-Zentrums. Tuckermann verwies auf den diesjährigen Medizin-Nobelpreis, der an drei Forschende für ihre Entdeckungen zu einer Form der Immuntoleranz ging – Forschungsergebnisse, die ohne Mausmodelle nicht denkbar gewesen seien.
Der Wissenschaftler warnte auch vor immer mehr Bürokratie. „In der Konsequenz werden Tierversuche im Ausland unter einfacheren Regularien durchgeführt.“ Und manch Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler entscheide sich aufgrund der komplizierten Regelungen möglicherweise gegen Deutschland. Ziel müssten entbürokratisierte Verfahren bei höchsten Tierschutzstandards in Forschungsvorhaben sein. „Solange Tiere für die Forschung eingesetzt werden, ist unsere Aufgabe im i3R-Zentrum, die verschiedenen Forschungsansätze besser zu verzahnen, um die Anzahl von verwendeten Tieren zu reduzieren und bestmögliche Forschungsergebnisse zu erzielen und dabei das Wohlergehen der noch notwendigen Tiere zu optimieren“, so Tuckermann.
Beim anschließenden Symposium ging es unter anderem um aus Patienten-Stammzellen gewonnene Organoide zur Behandlung von Blasenkrebs an der Uniklinik Ulm, die Reduktion von Tierversuchen durch gut geplante Studiendesigns und die Rolle von 3R in der translationalen Traumaforschung.
Über das 3R-Netzwerk
Neben Ulm sind Anfang 2025 zwei weitere 3R-Zentren am Karlsruher Institut für Technologie und an der Hochschule Furtwangen an den Start gegangen. Diese neuen 3R-Zentren fördert das Wissenschaftsministerium für zunächst drei Jahre mit insgesamt 750 000 Euro; bereits seit 2020 hat das Ministerium den Aufbau eines landesweiten 3R-Netzwerks mit bislang rund 6,8 Millionen Euro gefördert. An den bestehenden fünf 3R-Zentren in Heidelberg, Konstanz, Mannheim, Stuttgart und Tübingen werden beispielsweise humane Organ-on-chip-Modelle oder Computersimulationen für die Krebsforschung und Medikamententestung entwickelt.
Baden-Württemberg zeichnet sich durch eine hohe Dichte an biomedizinischen Forschungseinrichtungen und pharmazeutisch-chemischer Industrie aus. Deshalb kommt dem Land eine besondere Verantwortung beim Schutz von Versuchstieren zu. Neben dem Tierschutz geht es im 3R-Netzwerk auch um eine bessere Übertragbarkeit von Forschungsergebnissen auf den Menschen sowie um Weiterbildungsangebote für den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Prof. Dr. Jan Tuckermann, Leiter des Instituts für Molekulare Endokrinologie und Physiologie sowie einer von drei Sprechern des Ulmer i3R-Zentrums, Mail: jan.tuckermann@uni-ulm.de
Das integrierte 3R-Zentrum an der Universität Ulm hat seine Arbeit aufgenommen
Quelle: Elvira Eberhardt
Copyright: Elvira Eberhardt / Uni Ulm
Prof. Jan Tuckermann ist einer der Sprecher des i3R-Zentrums
Quelle: Elvira Eberhardt
Copyright: Elvira Eberhardt / Uni Ulm
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsprojekte, Organisatorisches
Deutsch

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