Regelmäßig vor der Zeitumstellung werden in der Presse Zahlen zur Zunahme von Schlafstörungen diskutiert.
So auch dieses Jahr: Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse zeigen angeblich, dass der Anteil von Personen mit psychisch bedingten Schlafstörungen von 2014 bis 2024 von 10,3 Prozent auf 17,9 Prozent gestiegen sei – ein Anstieg von 73,5 Prozent. Beachtlich! Vor allem die Generation Z leide zunehmend an Schlafstörungen. Der WDR, die Pharmazeutische Zeitung und andere Medien griffen – wie nicht anders zu erwarten – diese Meldung prompt auf.
Drei Gründe für Skepsis
Die Datenbasis für die Analyse bilden die Versicherten der KKH. Unabhängig davon, ob diese eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung darstellen oder nicht, stellt sich die Frage, inwiefern es seit 2014 tatsächlich einen stetigen Anstieg von Schlafstörungen gegeben hat. Es gibt zumindest plausible Hinweise darauf, dass dieser Anstieg zu einem nicht unerheblichen Teil auf Änderungen in der Diagnostik, der Versorgung und der Erfassung der Krankheit zurückzuführen ist.
1. Ärzte kodieren anders
Zwar gelten Schlaf-Wach-Störungen erst mit der 11. Version der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-11) im Jahr 2022 als eigenständiges Krankheitsbild. Die vollständige Umsetzung in Deutschland erfolgt sogar erst im Jahr 2027. Doch allein die Fachdiskussionen darüber kann dazu geführt haben, dass Ärzte vermehrt auf Schlafstörungen achten und anders kodieren. Folglich bekommen mehr Patienten die Diagnose "Schlafstörung" – nicht, weil mehr Menschen schlecht schlafen, sondern weil Ärzte öfter danach fragen und sie als Krankheitsbild erfassen.
2. Mehr Schlafmediziner arbeiten
Kommt hinzu: Die schlafmedizinische Versorgung in Deutschland hat sich im vergangenen Jahrzehnt verbessert, zumindest gemessen an der Anzahl schlafmedizinisch qualifizierter Ärzte und schlafmedizinischer Einrichtungen wie Schlaflabore. Laut Bundesärztekammer nahm die Anzahl der praktizierenden Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzqualifikation „Schlafmedizin“ von 1.060 im Jahr 2014 um knapp 37 Prozent auf 1.450 im Jahr 2023 zu.
Hinweis: Die offizielle Zusatzqualifikation zur Schlafmedizin existiert seit der Einführung der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer im Jahr 2018. Zuvor gab es seit dem 19. Oktober 1995 einen freiwilligen Qualifikationsnachweis der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM).
3. Menschen werden aufmerksamer
Und nicht zuletzt ist das Bewusstsein für Stress, psychische Belastungen und gesunden Schlaf in Deutschland gewachsen. Smartwatches, die unseren Schlaf messen, helfen dabei, Auffälligkeiten und mögliche Störungen frühzeitig zu bemerken.
Fazit: Es gibt sehr bedeutsame Indizien dafür, dass der gemessene Anstieg von Schlafstörungen nicht nur auf eine tatsächliche Zunahme der Erkrankung, sondern vor allem auf eine verbesserte Diagnostik, ein verbessertes Versorgungsangebot und eine höhere gesellschaftliche Aufmerksamkeit zurückzuführen ist. Bei der Zeitumstellung am vergangenen Wochenende hat mir meine Smartwatch jedenfalls ein „Like“ gegeben: Ich habe eine Stunde mehr als sonst geschlafen.
Prof. Dr. Thomas Bauer, Tel.: (0201) 8149-264, thomas.bauer@rwi-essen.de
https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/unstatistik
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
fachunabhängig
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch

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