Neue Studie des WSI
Arbeiten im Ruhestand verbreitet – 55 Prozent der mitbestimmten Betriebe beschäftigen Rentner*innen oder Pensionär*innen
Die Beschäftigung von Rentner*innen und Pensionär*innen ist in vielen Betrieben und öffentlichen Dienststellen verbreitet. Das zeigt eine neue Auswertung der Betriebs- und Personalrätebefragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.*
Mehr als die Hälfte der befragten knapp 3.700 Betriebs- und Personalräte berichtet, dass in ihren Einrichtungen Menschen über das Renten- oder Pensionsalter hinaus tätig sind. Diese Beschäftigung folgt oft einem stabilen Muster: 82,5 Prozent der Betriebs- und Personalräte, in deren Betriebe Ruheständler*innen arbeiten, berichten, dass die Betroffenen bereits vor Renten- oder Pensionsbeginn in derselben Einrichtung tätig waren. Und wenn sie weiterbeschäftigt werden, führen sie auch in der Regel ihre bisherige Tätigkeit fort. Rentner*innen und Pensionär*innen gehen ihrer Arbeit jedoch meist mit reduzierter Stundenzahl und ganz überwiegend in Minijobs nach. „Offensichtlich ist also unter den bestehenden Rahmenbedingungen bereits viel möglich und die Beschäftigung dieser Personengruppe folgt auch den Wünschen und Fähigkeiten der Betreffenden und den Einsatzmöglichkeiten in Branchen und Betrieben“, schreiben die Studienautoren Dr. Florian Blank und Dr. Wolfram Brehmer. Die Befunde sind auch vor dem Hintergrund aktueller politischer Diskussionen interessant. Die Bundesregierung will über Steuererleichterungen („Aktivrente“) sowie vereinfachte Befristungsmöglichkeiten die Beschäftigung im Rentenalter fördern. Die Wissenschaftler warnen vor Nebenwirkungen der Pläne: Im ungünstigsten Fall könnten Arbeitgeber die geplante Förderung missbrauchen, um Ältere auszunutzen und Löhne zu drücken.
Die WSI-Befragung ist repräsentativ für Betriebe und Dienststellen mit mehr als 20 Beschäftigten und Betriebs- oder Personalrat. Die Daten von 2023 zeigen, dass rund 55 Prozent der mitbestimmen Betriebe Menschen beschäftigen, die eine Altersrente oder Pension beziehen. Dabei unterscheiden sich Privatwirtschaft und öffentlicher Dienst kaum voneinander. In den genannten Betrieben machen Beschäftigte im Rentenalter 1,4 Prozent der Belegschaft aus. Überdurchschnittlich häufig arbeiten sie in kleineren Betrieben und in Dienstleistungsbranchen.
In der Befragung sollten Betriebs- und Personalräte auch angeben, aus welchen Gründen Ältere weiterbeschäftigt werden. 86 Prozent sagten, Wissen und Fähigkeiten der Älteren würden im Betrieb weiter gebraucht. Knapp 57 Prozent gaben zu Protokoll, dass keine anderen Arbeitskräfte verfügbar gewesen seien und fast ebenso viele, dass sich Rentner*innen und Pensionär*innen flexibel einsetzen ließen. Andere Gründe – Jüngere einarbeiten, Kostenersparnisse – spielten eine geringere Rolle. 89 Prozent gaben zudem an, dass mit der Weiterbeschäftigung den Interessen der Rentner*innen entsprochen werde. Ruheständler*innen werden am häufigsten in Form von Minijobs weiterbeschäftigt. Dies gilt vor allem für die private Wirtschaft.
In aller Regel arbeiten Ruheständler*innen, die im alten Betrieb weiterbeschäftigt sind, auch in ihrem alten Tätigkeitsbereich. Dabei genießen sie üblicherweise keine Vergünstigungen in Form von weniger anstrengenden Aufgaben oder weniger Verantwortung. Sie werden „eingesetzt und behandelt wie jüngere Beschäftigte“, so die Forscher. Im Vergleich zu Jüngeren haben sie aber meist eine geringere Wochenarbeitszeit, können ihre Arbeitszeiten relativ stark selbst bestimmen und müssen keine Nacht- und Schichtarbeit leisten.
Es sei schwer zu sagen, ob die „Aktivrente“ und erleichterte sachgrundlose Befristungen zu noch mehr Beschäftigung im Rentenalter beitragen könnten, schreiben Blank und Brehmer. Zumal viele Beschäftigte lieber früher als später in den Ruhestand wechseln möchten und auch viele Unternehmen Möglichkeiten für einen früheren Ausstieg aus dem Arbeitsleben anbieten.
Die Wissenschaftler sehen aber eine gewisse Gefahr darin, dass die geplanten Gesetzesänderungen einen neuen „zweitklassigen Arbeitnehmer*innenstatus“ schaffen könnten, mit älteren Beschäftigten, die arbeitsrechtlich weniger geschützt sind als ihre jüngeren Kolleg*innen. „Im schlimmsten Fall würde die Verbindung aus der Rente beziehungsweise Pension und der Steuererleichterung im Sinne eines Kombilohns wirken“, erklären Blank und Brehmer. Dann liefe es auf eine Subventionierung von Unternehmen hinaus, die Ältere – die dank Rente weniger auf den Verdienst angewiesen sind – mit geringeren Löhnen abspeisen könnten. Das könnte wiederum Druck auf die Einkommen der regulär Beschäftigten ausüben.
„Anstelle der geplanten Änderungen, deren Wirkungen völlig unklar sind und die für den Staatshaushalt eine deutliche Belastung darstellen können, sollte der Fokus auf gute Arbeit, auf die Gesundheit der Beschäftigten und auf Anerkennung ihrer Leistungen gelegt werden“, sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des WSI. „Davon würden alle Beschäftigten, jüngere wie ältere, profitieren und sicher würden auch die Fähigkeit und die Bereitschaft steigen, länger zu arbeiten.“
Dr. Florian Blank
WSI-Experte für soziale Sicherung
Tel.: 0211-7778-581
E-Mail: Florian-Blank@boeckler.de
Dr. Wolfram Brehmer
WSI-Experte für empirische Strukturanalysen
Tel.: 0211-7778-340
E-Mail: Wolfram-Brehmer@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
*Florian Blank, Wolfram Brehmer: Arbeiten im Ruhestand – Arbeit, Arbeitsbedingungen und Motive aus betrieblicher Sicht. Auswertung der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2023. WSI-Report Nr. 107, Oktober 2025. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-009260
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch

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