Enge Kooperation zwischen Universität Tübingen, Denkmalämtern, Kommunen und Bevölkerung – Hinweise auf bisher unentdeckte Burgen
    Die Universität Tübingen hat am Donnerstag feierlich ein Zentrum für Burgenforschung eröffnet, das bisher ungeklärten Fragen zu den mittelalterlichen Bauten auf den Grund gehen wird: Wie viele Bur-gen gab es in Deutschland und Europa? Welchem Zwecken außer der Verteidigung dienten sie? Wie sah der Alltag ihrer Bewohnerinnen und Bewohner aus? In welcher Beziehung standen die Burgher-ren zu umliegenden Dörfern und Klöstern? 
Das Zentrum bündelt und verstärkt die Forschung und Lehre zum Thema an insgesamt elf Lehrstüh-len der Universität Tübingen. Außerdem baut das Zentrum für Burgenforschung die Verbindungen zu Kooperationspartnern wie Kommunen, Ämtern der Denkmalpflege, bürgerschaftlichen Initiativen, privaten Stiftungen und Verbänden in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. Der Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters von Professorin Natascha Mehler koordiniert das Zentrum, Dr. Michael Kienzle wird dessen wissenschaftlicher Leiter.
„Wir bekommen regelmäßig Hinweise zu Burgen, von denen bisher niemand etwas wusste, bei-spielsweise wenn Baugruben ausgehoben und Mauern freigelegt werden“, sagte Professorin Na-tascha Mehler vom Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters. “Außerdem verfügen wir heute über Messmethoden wie 3D-Laserscanning aus der Luft oder Bodenradar, die Aussagen über die Nutzung von Flächen möglich machen, wo wir bisher nur Wälder, Erde und Wiesen sahen.“ Die Expertin geht von hunderten, wenn nicht sogar tausenden unerforschten Burgen in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. 
Burgen dienten neben der Verteidigung auch als Zollstationen und zur Repräsentation des Adels und seiner Macht. Sie waren Ursprung von Raubzügen, aber auch von Liedern, Tänzen oder Spielen. „Für ein umfassendes Verständnis von Burgen verbindet unser Zentrum verschiedene Fachbereiche wie Geschichte und Landeskunde, Wirtschafts- und Kunstgeschichte, Archäologie, Kulturwissen-schaften, Archäometrie, Geoarchäologie und Mediävistik“, so Mehler. 
„Jeder neue Fund bereichert unser Wissen über das Leben auf Burgen“, sagte Dr. Michael Kienzle, der wissenschaftliche Leiter des Zentrums für Burgenforschung an der Universität Tübingen. Kno-chen können verraten, welche Nutztiere auf Burgen gehalten wurden und welche Wildtiere der Adel jagte. Die Analyse der Keramikscherben eines Ess- und Kochgefäßes lässt darauf schließen, was gekocht und gegessen wurde. Eine tausend Jahre alte Springer-Schachfigur, die im Juni 2024 bei Grabungsarbeiten auf einer unbekannten Burg in Süddeutschland gefunden wurde, liefert Einblicke in die Spielewelt des mittelalterlichen Adels und die Ursprünge des europäischen Schachspiels – eine von sieben Fähigkeiten, die Ritter beherrschen mussten, neben Reiten, Schwimmen, Bogenschie-ßen, Fechten, Faustkampf, Jagen und Versemachen.  
„Das Bild, das wir uns erarbeiten, weicht teilweise erheblich von den Vorstellungen ab, die durch Rit-terfilme, Mittelaltermärkte oder Burgennachbauten in späteren Epochen entstanden sind“, sagte Mi-chael Kienzle. Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und externen Partnern wie Kommunen, Museen und Burgenverbänden ist im neu gegründeten Zentrum angelegt. „Wir graben gemeinsam, organisieren Ausstellungen und Gesprächsreihen“, so Kienzle, der bereits in früheren Projekten ge-meinsam mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern diverse Burgen erforscht hat.
„Mit dem Zentrum für Burgenforschung stärken wir nicht nur die interdisziplinäre Wissenschaft, sondern auch den Dialog mit der Gesellschaft“, sagt Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, Rektorin der Universität Tübingen. „Die Forschung hilft, Mythen und Wunschvorstellungen immer wieder mit Fakten abzugleichen und ein umfassendes Verständnis von der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung von Burgen zu entwickeln.“
Anlässlich der Eröffnungsfeier des Burgenforschungszentrums findet die internationale Tagung „Burg und Konflikt in Mittelalter und Neuzeit“ bis zum 2. November an der Universität Tübingen statt, zu der Burgenforscher und Burgenforscherinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anreisen. Bis dahin ist auch noch die aktuelle Sonderausstellung „Ausgegraben! Ritter und Burgen im Echaz-tal“ im Museum der Universität Tübingen zu sehen.
    
Prof. Dr. Natascha Mehler 
Universität Tübingen 
Abteilung für Archäologie des Mittelalters
natascha.mehler@uni-tuebingen.de
Telefon +49 7071 29-78559
Dr. Michael Kienzle 
Universität Tübingen 
Wissenschaftlicher Leiter 
Zentrum für Burgenforschung 
michael.kienzle@uni-tuebingen.de
Freilegung der Mauerreste an Burg Stahleck in der Nähe von Reutlingen, 2021. 
Quelle: Michael Kienzle
Copyright: Universität Tübingen
Burg Hohenurach bei Bad Urach
Quelle: Michael Kienzle
Copyright: Universität Tübingen
    Merkmale dieser Pressemitteilung: 
     Journalisten
     Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie
     überregional
     Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
 Deutsch  
    

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