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03.11.2025 11:16

Smartes Sensor-Netzwerk und KI-Algorithmen entlasten gestresste Autofahrer

Britta Widmann Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Fraunhofer-Forschende haben ein System entwickelt, das die kognitive Belastung beim Steuern eines Autos mithilfe von Sensoren und KI überwacht. Wenn die Belastungsgrenze erreicht ist, kann die Technik zukünftig den Menschen entlasten. Auch für andere Einsatzfelder, etwa für Piloten oder im OP-Saal, ist das System geeignet. Für das Projekt nutzen die Forschenden ein innovatives Sensor-Netzwerk – und ein PC-Spiel für virtuelles Sushi-Zubereiten.

    Autofahren erscheint so selbstverständlich, dass vielen kaum noch bewusst ist, welche enormen Informationsmengen der Mensch am Steuer verarbeiten muss. Das Display meldet Werte wie Geschwindigkeit, Drehzahl und Tankfüllung, das Navi zeigt die Route an, Ampeln, Straßenschilder und andere Verkehrsteilnehmer sind zu beachten. Hinzu kommen eventuell die Unterhaltung mit dem Beifahrer oder die Nachrichten im Autoradio. Gefährlich kann es werden, wenn der Fahrer die Grenze seiner kognitiven Belastungsfähigkeit erreicht – und dann in einer kritischen Verkehrssituation blitzschnell die richtige Entscheidung treffen muss.

    Forschende des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen arbeiten an einem System, das Menschen bei komplexen Tätigkeiten in unterschiedlichen Anwendungen oder Situationen unterstützt und dabei ihre kognitive Belastungsgrenze berücksichtigt. Sie entwickeln hierfür zwei Technologien: Ein Sensor-Netzwerk misst Biosignale wie Puls, Atemfrequenz oder Bewegungen. KI-gesteuerte Algorithmen erkennen, wenn ein Mensch die Grenze seiner individuellen kognitiven Belastungsfähigkeit erreicht. Die Auswertung der Biosignale wurde mithilfe von Studien entwickelt, in denen die Forschenden den Zusammenhang zwischen Biosignalen und kognitiver Belastung bei Probandinnen und Probanden untersucht haben. Im praktischen Einsatz kann das System dafür sorgen, dass die Fahrzeugelektronik dem Fahrer oder der Fahrerin beispielsweise bestimmte Aufgaben abnimmt und damit die Komplexität reduziert oder einfach eine Pause an der nächsten Raststätte empfiehlt.

    Mobiles und multimodales Sensor-Netzwerk

    Um das Konzept zu realisieren, haben die Fraunhofer-Forschenden das Sensor-Netzwerk »maphera®« entwickelt. »Wir haben eine Vielzahl unterschiedlicher Sensoren in ein System integriert, das nicht nur im Labor funktioniert, sondern mobil und damit in verschiedensten Anwendungskontexten einsetzbar ist. Dementsprechend ist maphera® modular aufgebaut. Je nach Anwendung oder Bedarf kombinieren wir ganz unterschiedliche Sensoren miteinander«, erklärt Norman Pfeiffer, Gruppenleiter Medizinische Sensorsysteme am Fraunhofer IIS. Die Sensorsysteme lassen sich in Textilien oder auch beispielsweise in Armbänder und sogenannte Smart Patches einbauen – intelligente, meist hautaufklebbare Sensoren, die kontinuierlich Biosignale überwachen. Übertragen werden die Daten via Bluetooth LE (Low Energy).

    Was simpel klingt, birgt eine technische Herausforderung. Denn verschiedene Sensoren sind auch mit Mikrocontrollern ausgestattet, die jeweils Unterschiede in den Taktfrequenzen aufweisen. Bei einer Kurzzeitmessung ist das kein Problem. Doch bei einer Nutzung während einer Autofahrt oder im Bereich der Arbeitssicherheit laufen die Messungen oft über mehrere Stunden. Hier addieren sich die zeitlichen Drifts, und die Biosignale werden asynchron, das heißt, sie lassen sich nicht mehr demselben Zeitpunkt zuordnen. Den Fraunhofer-Forschenden ist es gelungen, die zeitlichen Drifts der Mikrocontroller beim Sammeln der Sensordaten einzuberechnen. »Bei unserem System sind die Daten mit einer Toleranz von nur 30 Mikrosekunden synchron«, sagt Pfeiffer. Daher auch der Projektname maphera®. Das Wort kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie »gleichzeitig übertragen«.

    Mit Computerspielen die kognitive Belastung testen

    Der zweite Teil des umfangreichen Forschungsvorhabens konzentriert sich auf den Zusammenhang zwischen Biosignalen und kognitiver Belastung. Die Probandinnen und Probanden sitzen jeweils in einer Expositionskabine, in der sie ungestört von äußeren Einflüssen wie Temperaturänderungen, Zugluft oder Lärm sind.

    Hier lösen sie Aufgaben mit steigendem Schwierigkeitsgrad. Dazu dürfen die Versuchspersonen Computerspiele spielen. Als Koch oder Küchenkraft im Sushi-Restaurant nehmen sie Bestellungen auf und stellen ein Sushi-Gericht zusammen. Mit der Zeit steigen die Zahl der Bestellungen und die Komplexität der bestellten Gerichte. Währenddessen registrieren Sensoren die Biosignale des Körpers. Die so erfassten Daten werden gesammelt und mit dem sogenannten n-back-Test kombiniert, ein Standardtest der Psychologie, der kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit und Erinnerungsvermögen prüft. Im Anschluss an die Tests folgen individuelle Interviews mit den Versuchspersonen.

    Dr. Nadine Lang-Richter, Gruppenleiterin Medizinische Datenanalyse am Fraunhofer IIS, sagt: »Im letzten Schritt führen wir alle Informationen zusammen und analysieren diese mithilfe von KI-Algorithmen, die wir selbst entwickelt haben. Damit erstellen wir ein individuelles kognitives Belastungsprofil des Menschen.«

    Driver-Monitoring-Systeme in Neuwagen

    Solche Systeme könnten den Autofahrer oder die Autofahrerin mit Sensoren, darunter auch Kameras, beobachten und beim Erreichen der kognitiven Belastungsgrenze eingreifen. Automobilhersteller haben großes Interesse an der Technik, denn im Rahmen einer EU-Verordnung (EU, 2019/2144 General Safety Regulation) sind ab 2026 kamerabasierte Driver-Monitoring-Systeme (DMS/Advanced Driver Distraction Warning) in Neuwagen vorgeschrieben. Diese sollen prüfen, ob der Mensch am Steuer aufmerksam ist. Das gilt auch für selbstfahrende Autos. Auch hier muss der Fahrer oder die Fahrerin aufmerksam bleiben, um im Notfall schnell eingreifen zu können.

    Ausbildung von Piloten

    Weitere Einsatzgebiete für die Fraunhofer-Technologien sind im Flugverkehr denkbar. Bei Piloten könnte das individuelle Belastungsprofil die Ausbildung ergänzen und optimieren. In Zukunft wäre sogar ein Einsatz im Operationssaal denkbar. Gerade langwierige Operationen, die über viele Stunden Höchstleistung und Konzentration erfordern, könnten durch solche Monitoringsysteme sicherer werden.

    Die Forschenden des Fraunhofer IIS stellen maphera® und ihre Technologien auf der Messe Medica 2025 (17. bis 20. November 2025, Halle 12, C31) in Düsseldorf vor.


    Weitere Informationen:

    https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2025/november-2025/smart...


    Bilder

    Der miniaturisierte maphera®-Sensorknoten ohne Gehäuse erfasst ein EKG
    Der miniaturisierte maphera®-Sensorknoten ohne Gehäuse erfasst ein EKG

    Copyright: © Fraunhofer IIS / Stephan Göb


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Elektrotechnik, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Maschinenbau, Verkehr / Transport
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Der miniaturisierte maphera®-Sensorknoten ohne Gehäuse erfasst ein EKG


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