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03.11.2025 14:04

Mittelstand profitiert von seiner Flexibilität in geopolitisch unsicheren Zeiten

Dr. Jutta Gröschl Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn

    Die geopolitische Situation und die zunehmend fragileren Handelsbeziehungen fordern aktuell besonders exportorientierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) heraus. Wie diese darauf reagieren (können), stellten internationale Entrepreneurshipforscherinnen und Forscher Ende November auf dem International Roundtable on SMEs in Berlin vor. Zugleich zeigten Vertreterinnen und Vertreter verschiedener deutscher und europäischer Institutionen auf, wie den KMU bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen geholfen wird.

    Die geopolitische Situation und die zunehmend fragileren Handelsbeziehungen fordern aktuell besonders exportorientierte kleine und mittlere Unternehmen heraus. "Zugleich bietet der expandierende Verteidigungsbereich aber auch Chancen für Unternehmen, die bereit sind, ihr Geschäftsmodell entsprechend zu verändern. Aufgrund ihrer flachen Hierarchieebenen können kleine und mittlere Unternehmen dabei deutlich flexibler als Großunternehmen agieren, was sich wiederum auf ihre Innovativität auswirkt", erklärte Dr. Dr. h.c. Friederike Welter am Mittwoch im Rahmen des International Roundtable on SMEs. Rund 20 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft diskutierten mit internationalen Entrepreneurshipforscherinnen und -forschern über die aktuelle Situation im europäischen Mittelstand.

    Wie sich Wirtschaftsbereiche unter extremem geopolitischem Druck technologisch schnell verändern können, zeigt nach Untersuchungen von Professor Pontus Braunerhjelm und Dr. Maryna Brychko (Royal Institute of Technology Karlskrona/Schweden) die ukrainische Drohnenindustrie: "Schon vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine stellten die technische Ausbildung und die kompetenten IT-Fachkräfte eine wesentliche Stärke des Landes dar. Durch den Krieg sind weitere wichtige Faktoren dazu gekommen, die zur schnellen Entwicklung der Drohnenindustrie beigetragen haben: die Mobilisierung der Zivilbevölkerung, beschleunigte Regierungsreformen, gezielte Beschaffungsanreize, erzwungene Kapitalbindung und ausländische Partnerschaften, die den Technologietransfer erleichtert haben", berichteten die beiden Wissenschaftler. Dadurch sei ein dezentrales Innovationsökosystem entstanden, das eine effiziente Brücke zwischen dem militärischen und dem zivilen Bereich schlägt.

    Damit die mittelständische Wirtschaft in Deutschland ebenso schnell wie in der Ukraine agieren kann, bedarf es aus Sicht des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) einer integrierten Außen-, Handels- und Industriepolitik, die sowohl strategisch auf wirtschaftliche Sicherheit und europäische Interessen setzt als auch klare Prioritäten vorgibt. "Wenn wir politischen Pragmatismus, wirtschaftliche Resilienz und Nachhaltigkeitsanforderungen in Einklang bringen, schaffen wir die Grundlage dafür, dass die Unternehmen in Deutschland den technologischen Wandel aktiv gestalten und zugleich ihre internationale Führungsrolle behaupten können. Doch dazu muss die Bundesregierung endlich ins Handeln kommen: Ankündigungen reichen nicht – wir brauchen jetzt konkrete Maßnahmen, die Planungssicherheit schaffen und Investitionen ermöglichen", führte Cedric von der Hellen, Referent für Außenwirtschaftspolitik beim BDI, aus.

    Auf europäischer Ebene hat die SME Connect Defence Working Group bereits eine Wissenssammlung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erarbeitet, um die Beteiligung von KMU an den europäischen Verteidigungslieferketten zu beschleunigen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und strategische Autonomie zu stärken. "Im Mittelpunkt stehen dabei Dual-Use-Anwendungen – automatisierte Lager- und Transportsysteme, robuste Datenebenen in der Lieferkette und fortschrittlicher leichter Schutz. Unserer Ansicht nach bietet sich dadurch eine Überholspur für die Skalierung ziviler Innovationen auf Verteidigungsniveau", erläuterte Markus Becker, Vorsitzender der SME Connect Defence Working Group.

    Unabhängig von den geforderten wirtschaftspolitischen Gegebenheiten betreiben aber auch die Familienunternehmen selbst aktives Risikomanagement: "Durch ihre Fähigkeit, komplexe, organisationsübergreifende Vermögenswerte in Krisensituation schnell neu zu organisieren, schützen Familienunternehmen nicht nur die unternehmerische Grundlage für die nachfolgenden Generationen, sondern sie sichern dadurch auch ihre Liquidität und können sich zugleich für neue Wachstumswege aufstellen", berichtete Professor Alfredo De Massis (IMD Business School und Universität Chieti-Pescara/Italien) in seinem Vortrag. Anhand verschiedener Fallbeispiele veranschaulichte er, wie die Unternehmen zugleich ihre Netzwerke mobilisieren, um sich aus Abhängigkeiten zu lösen, absehbare Risiken zu managen und Innovationen zu initiieren. Auf Basis seiner wissenschaftlichen Forschung zeigte er anschließend auf, dass die Politik diese Unternehmensnetzwerke in der aktuellen geopolitischen Situation beispielsweise durch die Förderung sektorübergreifender Allianzen unterstützen kann.

    Geopolitische Alternativen sind gefragt
    Der industrielle Mittelstand agiert in einem zunehmend schwierigen geopolitischen Umfeld: China hat sich zu einem starken Wettbewerber entwickelt und beschränkt gleichzeitig den Zugang zu wichtigen Ressourcen. In Deutschland wertet die staatliche Institution Germany Trade & Invest (GTAI) statistische Daten zu potenziell relevanten Ländern aus, um die Unternehmen bei der Suche nach alternativen Produktionsstandorten beispielsweise in Ostasien zu unterstützen. In seinem Vortrag stellte GTAI-Bereichsleiter Achim Haug verschiedene Alternativen zu China vor.

    Aus strategischer Sicht ist es wichtig zu wissen, wo die Stärken der deutschen Wirtschaft liegen. "Wenn Deutschland den Export bestimmter Güter dominiert, sind andere Länder in gewissem Maße von diesem Land abhängig. Angesichts der US-amerikanischen Zollpolitik und der stetigen Verschärfung der Exportbedingungen für Seltene Erden durch die chinesische Regierung kann dies ein Trumpf sein, um selbst politischen Druck auszuüben", erklärte Jürgen Matthes, Leiter des Themenclusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte im Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Zwar schneide Deutschland bei der Anzahl der Produktgruppen mit Exportdominanz alleine deutlich schlechter ab als die USA und China. Betrachtet man jedoch die EU oder G7 und EU zusammen, dann weisen diese Ländergruppen deutlich mehr export-dominante Güter auf als China.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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