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03.11.2025 13:55

Klima-Bilanz: Wo es in Deutschland hakt (Achtung, Sperrfrist bis 05.11.25, 5 Uhr)

Christina Krätzig Abteilung 2
Universität Hamburg

    Achtung, Sperrfrist bis Mittwoch, 05.11.25, 5 Uhr.

    In Deutschland steigt das Risiko, die eigenen Klimaziele nicht einhalten zu können. Eine aktuelle Studie des Exzellenzclusters „Climate, Climatic Change, und Society“ (CLICCS) an der Universität Hamburg bewertet sieben gesellschaftliche Schlüsselprozesse, die für erfolgreichen Klimaschutz in Deutschland auf Kurs sein müssten. Fazit: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft rudern in vielen Bereichen zurück. Die Studie liefert eine fortlaufende Bestandsaufnahme der Klimawende. Im Rahmen der Studie wird auch die erste umfassende Datenbank für Klimaklagen in Deutschland geschaffen.

    Derzeit ist es kaum realistisch, dass Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden kann – dieses Ziel hat sich die Bundesregierung gesetzt. Verzögertes Handeln von Politik und Wirtschaft, klimaschädliche Konsumtrends, ein Rechtsruck und weniger Rückhalt in Teilen der Bevölkerung gefährden den dringenden Umbau, wie die jetzt veröffentlichte Studie zeigt.

    „Eine Ursache sind Blockade- und Eskalationsspiralen, die sich selbst verstärken“, sagt Studienautor Prof. Stefan Aykut vom Exzellenzcluster CLICCS und Inhaber einer Mercator Stiftungsprofessur. „Verzögert sich der Klimaschutz, weil nötige Maßnahmen verschleppt wurden, wird die Verminderung von CO2 häufig teurer. Dadurch kann die Zustimmung zum Klimaschutz schwinden und es kommt zu Konflikten, wenn der Eindruck entsteht, dass Kosten nicht gerecht verteilt werden. In der Folge verzögern sich klimapolitische Maßnahmen immer weiter – was die Kosten noch mehr steigen lässt.“

    Ein Beispiel, das in der Studie analysiert wurde, ist die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, auch „Heizungsgesetz“. Gebäude erzeugen erhebliche Emissionen, die aber bisher in Deutschland und Europa viel zu langsam reduziert wurden. Deshalb wird ab 2027 der CO2-Ausstoß aus Gebäuden europaweit verteuert. Darauf wollte die Ampelregierung das Land durch das Heizungsgesetz vorbereiten – auch damit Heizen nicht schlagartig mehr kostet. Doch die konfrontative Diskussion im Jahr 2023 – die Bild-Zeitung sprach von „Habecks Heizungshammer“ – hatte einen gegenteiligen Effekt. Klimaschädliche Öl- und Gasheizungen wurden verstärkt gekauft, während der Absatz emissionsärmerer Wärmepumpen eingebrochen ist.

    „Jetzt ist der Unmut über eine – eigentlich sinnvolle – Maßnahme vorprogrammiert, wenn Heizen ab 2027 teurer wird“, so Aykut. „Ein finanzieller Ausgleich für ärmere Haushalte, beispielsweise ein Klimageld und eine langfristig verlässliche Umsetzung von Maßnahmen sollten daher Priorität haben. Denn für erfolgreiche Klimapolitik braucht es den starken Rückhalt der Bevölkerung.“

    Das Forschungsteam untersuchte auf Grundlage von umfassenden Recherchen, Interviews und Medienanalysen, ob folgende Schlüsselprozesse ausreichend Kraft entwickeln, um die deutschen Klimaziele zu erfüllen: nationale Klimapolitik, globale Klimapolitik, kommunaler Klimaschutz, Unternehmenshandeln, Konsummuster, Klimabewegungen sowie Klimaklagen. Das Ergebnis: Fünf dieser Prozesse unterstützen die Klimaneutralität überwiegend oder teilweise, allerdings nicht ausreichend, um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Unternehmenshandeln bleibt ambivalent, während die Konsummuster derzeit das Klimaziel verhindern.

    Maßgeblich unterstützt wird der Klimaschutz von Verwaltungen und Initiativen auf lokaler Ebene. Die Forschenden zeigen, dass hier Strukturen aufgebaut wurden, die längerfristig wirken und somit eine Zeit lang anti-ökologischen Stimmungen widerstehen können. Die Studie empfiehlt, diese Ressource weiter auszubauen und vor allem Kommunen finanziell zu unterstützen. Außerdem sollten Initiativen aus der Gesellschaft, die den Klimaschutz vorantreiben, rechtlich und politisch gestärkt werden.

    Zusammen mit der Studie erstellt das Team die erste umfassende und frei verfügbare Datenbank für Klimaklagen in Deutschland. Zurzeit sind hier 175 Verfahren zum Beispiel gegen Verwaltungen, Landesregierungen oder Unternehmen aufgenommen. „Klimaklagen sind ein wirksames Mittel für mehr Klimaschutz“, so Prof. Aykut. „Werden sie positiv beschieden, haben sie langfristig Signalwirkung und liefern Argumente für ähnliche Klagen.“ In Deutschland nahm die Zahl Klimaklagen in den vergangenen Jahren ebenso zu wie der Anteil der positiven Entscheide.

    Vorabversion der Studie auf Anfrage an Stephanie.janssen@uni-hamburg.de

    Der „Klimawende Ausblick“ bewertet zum zweiten Mal die aktuelle Entwicklung in Deutschland, unterstützt von der Stiftung Mercator. Stefan Aykut hält die Mercator-Stiftungsprofessur für Soziologie, insbes. gesellschaftliche Dynamiken der ökologischen Transformation. Grundlage der Studie ist der „Hamburg Climate Futures Outlook“, eine jährliche Studie des Exzellenzclusters „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) an der Universität Hamburg. Dieser bewertet die Entwicklung der gesellschaftlichen Schlüsselprozesse der Klimawende weltweit.

    Der Exzellenzcluster CLICCS wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Er ist am Earth and Society Research Hub (ESRAH, ehem. CEN) der Universität Hamburg angesiedelt und arbeitet mit elf Partnerinstituten eng zusammen, darunter das Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, das Helmholtz-Zentrum Hereon und das Deutsche Klimarechenzentrum. CLICCS leitet aus seiner Grundlagenforschung immer wieder auch Handlungsempfehlungen für die Politik ab.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Stefan C. Aykut
    Universität Hamburg
    Mercator Stiftungsprofessor für Soziologie
    insbes. gesellschaftliche Dynamiken der ökologischen Transformation
    Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS)
    Tel.: +49 40 42838-8764
    E-Mail: stefan.aykut@uni-hamburg.de

    Stephanie Janssen
    Universität Hamburg
    Earth and Society Research Hub (ESRAH, ehem. CEN)
    Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS)
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Tel: +49 40 42838-7596
    E-Mail: stephanie.janssen@uni-hamburg.de


    Originalpublikation:

    Aykut SC, Fünfgeld A, Gresse EG, Hüppauff L, Frerichs L (eds.) (2025): Klimawende Ausblick 2025. Band 2: Plausibilität der Transformation in Zeiten von anti-ökologischem Backlash und abnehmender Resonanz. Transcript Verlag; DOI 10.14361/9783839468609

    Vorabversion auf Anfrage an Stephanie.janssen@uni-hamburg.de


    Bilder

    Analysiert die Klimawende in Deutschland: Soziologieprofessor Stefan Aykut.
    Analysiert die Klimawende in Deutschland: Soziologieprofessor Stefan Aykut.
    Quelle: privat
    Copyright: UHH/Aykut


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft, Meer / Klima, Politik, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Analysiert die Klimawende in Deutschland: Soziologieprofessor Stefan Aykut.


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