TU Berlin testet neuartiges Lageregelungssystem für Satelliten ohne bewegliche Teile
Forscher*innen der Technischen Universität Berlin haben im Rahmen der 45. DLR-Parabelflugkampagne der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR erfolgreich ein neuartiges Lageregelungssystem für Satelliten getestet. Das System, genannt VEKTOR-FDA (Vector Fluid Dynamic Actuator), kommt vollständig ohne bewegliche mechanische Teile aus. Es nutzt elektromagnetisch angetriebenes Flüssigmetall, um die Lage von Raumfahrzeugen zu stabilisieren. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass das Flüssigmetall innerhalb des Systems in beliebiger Ausrichtung in Rotation gebracht werden kann. Dadurch lässt sich die Lagekontrolle aller drei Satellitenachsen mit nur einem einzigen System realisieren. Der erfolgreiche Parabelflug bestätigt: Das Konzept funktioniert auch unter Schwerelosigkeit – ein möglicher Durchbruch für kompaktere und langlebigere Satelliten.
Eine Kugel voller Flüssigmetall
Das Herzstück des neuen Systems ist eine hohle Kugel, in der sich Flüssigmetall befindet. Anstelle von Motoren oder Zahnrädern wird dieses Metall durch außerhalb der Kugel angeordnete elektromagnetische Pumpen in Bewegung gesetzt. Dabei kommen mindestens drei orthogonal zueinander angeordnete Pumpen zum Einsatz. Werden die Pumpen einzeln betrieben, beginnt das Metall im Inneren der Kugel zu strömen und um die Hauptachse zu rotieren. Dadurch entsteht ein Drehimpuls in Richtung der Rotationsachse, der auf den Satelliten übertragen wird und dessen Ausrichtung verändert.
Werden die Pumpen gemeinsam betrieben, überlagern sich die Strömungen der Einzelpumpen, wodurch die Rotation um eine neue resultierende Achse erfolgt. Durch Variation der Pumpleistung kann die Ausrichtung der Rotationsachse gezielt gesteuert werden. Auf diese Weise lässt sich das Raumfahrzeug in jede beliebige Richtung ausrichten oder stabilisieren – ganz ohne mechanische Reibung oder Verschleiß.
„Wir wollten zeigen, dass dieses Prinzip nicht nur im Labor funktioniert, sondern auch unter realistischen Weltraumbedingungen“, sagt Projektleiter Huu Quan Vu vom Fachgebiet Raumfahrttechnik der TU Berlin.
Schweben wie im All
Getestet wurde das System im Rahmen der Parabelflugkampagne der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, deren Flüge zwischen dem 20. bis 31. Oktober 2025 vom französischen Bordeaux aus starteten. Während des Flugs steigt die Maschine steil auf, kippt dann über den Scheitelpunkt und für rund 22 Sekunden herrscht nahezu Schwerelosigkeit (Microgravitation). In dieser Zeit können Forscher*innen ihre Experimente so durchführen, als befänden sie sich im All.
„Das ist jedes Mal ein besonderer Moment, wenn die Schwerelosigkeit einsetzt – ein Gefühl, das sich nur schwer in Worte fassen lässt. Um diesen Moment zu erreichen, müssen wir vor und nach jeder Phase der Schwerelosigkeit eine zweifache G-Belastung, also das doppelte Körpergewicht, aushalten – und das 31 Mal am Tag, drei Tage lang“, berichtet Vu. „Aber wenn die Schwerkraft aussetzt und wir anhand der Messergebnisse sehen, dass unser System so funktioniert, wie es später in einem Satelliten arbeiten soll, ist jede Anstrengung verflogen.“
Der VEKTOR-FDA-Demonstrator bestand den Test: Die elektromagnetischen Pumpen arbeiteten stabil, das Flüssigmetall reagierte wie geplant, und das Team konnte die Lageänderung präzise messen. Damit gilt die technische Machbarkeit des Konzepts als nachgewiesen.
Warum das wichtig ist
Bisherige Lageregelungssysteme wie Reaktionsräder oder Drallräder sind zwar bewährt, aber anfällig: Sie müssen ständig rotieren, ihre Lager verschleißen, und schon kleinste Unwuchten können Störungen verursachen. Der VEKTOR-FDA könnte diese Probleme mit einer mechanikfreien, verschleißarmen und vibrationsfreien Technologie lösen, die zudem kompakter und leichter ist. Gerade für Kleinsatelliten oder Langzeitmissionen ist das ein entscheidender Vorteil. Ein einzelner VEKTOR-FDA könnte die Arbeit mehrerer herkömmlicher Räder übernehmen und so Raum, Gewicht und Energie sparen.
Elf Experimente mit an Bord
Insgesamt waren bei der 45. Parabelflugkampagne der Deutschen Raumfahrtagentur elf Experimente an Bord. Sie reichten von Untersuchungen zu Flammendynamik alternativer Kraftstoffe über neue Verfahren zur Wasserstoffherstellung bis hin zu Technologien für die Raumfahrt der Zukunft.
Mit dem erfolgreichen Flug des VEKTOR-FDA hat das Team der TU Berlin einen wichtigen Meilenstein erreicht. „Wir sehen in diesem Prinzip großes Potenzial für eine neue Generation von Lageregelungssystemen“, sagt Vu. „Mechanikfreie Lageregelungssysteme könnten die Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Satelliten deutlich erhöhen und damit einen echten Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Raumfahrt leisten.“
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Zusammenarbeit mit der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Huu Quan Vu
Fachgebiet Raumfahrttechnik
Fakultät V Verkehrs- und Maschinensysteme
E-Mail: huu.q.vu@tu-berlin.de
Tel.: +49 (0)30 314-75694
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Verkehr / Transport
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
Deutsch

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