Spätestens seit Corona ist der Begriff Fatigue einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Gemeint ist eine anhaltende Form von Erschöpfung, die häufig auch während einer Krebserkrankung und nach einer Krebstherapie auftritt. In einer Studie unter der Leitung des Kinderonkologen Roman Crazzolara von der Medizinischen Universität Innsbruck wurde erstmals der Zusammenhang von Krebstherapie und körperlicher Fatigue bei Kindern untersucht. Nun lassen sich erste Maßnahmen ableiten.
    Innsbruck, am 04. November 2025: Krebsbedingte Fatigue bei Kindern und Jugendlichen ist ein bislang wenig erforschtes Thema, trotz ihrer weitreichenden Bedeutung für den Alltag von Betroffenen und Familien. Ein Team um Roman Crazzolara von der Universitätsklinik für Pädiatrie I (Direktor Thomas Müller) hat auf Basis der Innsbrucker ePROtect-Studie* Daten aus einer Zeitspanne von vier Jahren systematisch ausgewertet. „Wir konnten erstmals detailliert beschreiben, wie sich körperliche Fatigue im Verlauf der Krebserkrankung und unter Chemo- bzw. Immuntherapie verändert. Unsere Ergebnisse sollen helfen, krankheits- und therapiebedingte Belastungsspitzen besser zu erkennen und gezielt zu behandeln“, so Roman Crazzolara. Die unter der Erstautorenschaft von Alexander Tilg und in Zusammenarbeit mit Kolleg:innen, darunter Stefan Kuhle und Andreas Meryk durchgeführte und von der Kinderkrebshilfe Tirol und Vorarlberg sowie der Kinderhilfe Regenbogen Südtirol unterstützte Studie wurde kürzlich im Lancet-Journal eClinicalMedicine veröffentlicht.
Forschung inkludiert Patient:innenperspektive
Im Zeitraum von Mai 2020 bis Dezember 2024 wurden im Rahmen der ePROtect-Studie regelmäßig Symptome erhoben, die direkt von an Krebs erkrankten Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre – je nach Alter auch von deren Eltern – über die ePROtect-App übermittelt wurden. „Insgesamt lagen uns damit über 11.000 persönliche Einschätzungen, sog. Assessments, des gesundheitlichen und körperlichen Befindens vor, die auf einer Skala von 0 für sehr starke Fatigue bis 100 für keine Fatigue eingeordnet wurden. So konnten wir die Symptome im Behandlungsalltag engmaschig dokumentieren und die Befunde krankheits- wie auch therapiebezogen zuordnen“, berichtet Erstautor Alexander Tilg. Dieser einzigartige Forschungsansatz spiegelt den Schwerpunkt der Innsbrucker Kinderonkologie wider, nämlich, die Perspektive der jungen Patient:innen mittels Patient-Reportet Outcome Measures unmittelbar in den Behandlungsprozess einzubeziehen.
Gamechanger Immuntherapie
Die zentrale Erkenntnis aus der Innsbrucker Studie: Fatigue verläuft wellenförmig und unterscheidet sich je nach Erkrankung und Therapieabschnitt. Besonders ausgeprägt ist die körperliche Erschöpfung bei Non Hodgkin Lymphomen und akuter myeloischer Leukämie. Am Beispiel der häufigen akuten lymphatischen Leukämie (ALL, Nicht Hochrisiko) zeigte sich, dass zu Beginn der Erkrankung eine relevante Fatigue besteht, gefolgt von einer Erholung in der Konsolidierungsphase, ehe es nach einer Glukokortikoid-Gabe (Immunsuppressiva) zu einem deutlichen Einbruch kommt. „Unsere Analyse zeigt sehr deutlich, dass Glukokortikoide die Fatigue messbar verschlechtern, während sich die körperliche Verfassung unter Immuntherapie, wie etwa der Antikörpertherapie mit Blinatumomab, erheblich verbessert“, beschreibt Tilg die weitreichenden Ergebnisse.
Gezieltes Körper-Training
Auf Basis der gewonnenen Daten wurden an der Kinderklinik Innsbruck in einem Pilotprojekt bereits konkrete Schritte abgeleitet: In Zusammenarbeit mit dem Institut für Sportwissenschaft der Leopold-Franzens Universität Innsbruck wurden Kinder in Phasen, in denen Fatigue nachweisbar ansteigt, durch gezieltes körperliches Training wie Kraftübungen physisch wie psychisch gestärkt. Dem abgeschlossenen Pilot-Projekt soll schon bald eine klinische Interventionsstudie folgen, um strukturierte Bewegungs- und Kraftprogramme wissenschaftlich zu überprüfen. „Parallel wird auch die telemedizinische Begleitung ausgebaut, um die Eigenverantwortung (Self Empowerment) und das Selbstmanagement der Patient:innen zu stärken. Geplant ist eine technisch breitere Umsetzung sowie die Kooperation mit weiteren kinderonkologischen Zentren“, so Crazzolara. 
Das Konzept, die Fatigue nicht nur besser zu verstehen, sondern im klinischen Alltag wirksam zu reduzieren und damit die Lebensqualität junger Patientinnen und Patienten spürbar zu verbessern, könnte längerfristig auch als Modell für erwachsene Patient:innengruppen dienen.
*) ePROtect: An der Innsbrucker Univ.-Klinik für Pädiatrie I wurde unter der Leitung von Roman Crazzolara ein Telemonitoring-Programm entwickelt, an dem alle jungen Krebspatient:innen teilnehmen dürfen, die an der hämatologisch-onkologischen Station behandelt werden. Via App wird täglich von der Klinik oder von zu Hause aus ein Online-Fragebogen zum persönlichen Befinden ausgefüllt, die Angaben werden schließlich in die Behandlung miteinbezogen.
    
https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2025.103607
https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2025/59.html Pressebilder zum Download
Die direkte Übermittlung der eigenen Symptome via App ermöglicht es, die Perspektive der Kinder in d ...
Quelle: David Bullock
Copyright: MUI/D. Bullock
Führten die Analyse durch, v.l.: Andreas Meryk, Alexander Tilg und Roman Crazzolara
Quelle: David Bullock
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    Merkmale dieser Pressemitteilung: 
     Journalisten
     Medizin
     überregional
     Forschungsergebnisse
 Deutsch  
    

Die direkte Übermittlung der eigenen Symptome via App ermöglicht es, die Perspektive der Kinder in d ...
Quelle: David Bullock
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Führten die Analyse durch, v.l.: Andreas Meryk, Alexander Tilg und Roman Crazzolara
Quelle: David Bullock
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