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04.11.2025 13:08

Warum die Erde mal mehr und mal weniger stark bebt

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Wenn tektonische Platten langsam aneinander vorbeigleiten, baut sich entlang der Verwerfungen Spannung auf. Wenn diese Spannung die maximale Belastbarkeit einer Verwerfung, also die Festigkeit, überschreitet, wird sie schließlich in Form eines Erdbebens freigesetzt. Die Höhe der freigesetzten Spannung kann gemessen werden, aber es ist schwierig, die Gesamtmenge der Spannung zu messen, die sich vor einem Erdbeben aufbaut. Es erscheint intuitiv sinnvoll, dass stärkere Gesteine mehr Spannung aufbauen und freisetzen sollten, aber diese Annahme konnte bisher nicht bestätigt werden.

    Eine Studie von Forschenden der Ruhr-Universität Bochum zeigt, dass je stärker oder tiefer eine Verwerfung im Gestein der Erdkruste ist, desto mehr Spannung bei einem Erdbeben freigesetzt wird. Die Studie wurde am 29. Oktober 2025 in der der Zeitschrift Communications Earth & Environment veröffentlicht.

    Ein messbarer Indikator für die Festigkeit der Erdkruste

    Die Erkenntnisse haben weitreichende Bedeutung. Sie zeigen, dass seismologische Daten genutzt werden können, um zu bestimmen, wie fest Gesteine an einem bestimmten Ort im Durchschnitt (im relativen Sinne) sind, das heißt wie viel Belastung sie aushalten können, bevor sie brechen. Daraus lässt sich ableiten, dass es möglich ist, indirekt die durchschnittliche relative Festigkeit der Erdkruste und ihre räumlichen und zeitlichen Veränderungen zu bestimmen, was sonst nur schwer möglich ist.

    „Unsere Ergebnisse liefern eine physikalische Grundlage für den Zusammenhang zwischen der Freisetzung von Spannungen während Erdbeben und der Stärke der Verwerfungen“, erklärt Dr. Gian Maria Bocchini vom Institut für Geowissenschaften der Ruhr-Universität Bochum. „Das bedeutet, dass wir anhand seismologischer Daten Rückschlüsse auf die relative Festigkeit der Erdkruste ziehen können. Das war bisher nur schwer nachzuweisen.“

    Untersuchungen in Nordostjapan

    Für ihre Analyse wertete das Forschungsteam Erdbebendaten aus dem Nordosten Japans in den elf Jahren nach dem Tohoku-Oki-Erdbeben der Stärke 9,0 im Jahr 2011 aus. Die Region ist eines der seismisch aktivsten Gebiete der Welt und wird durch ein dichtes Netz hochwertiger seismischer Bohrlochstationen überwacht.

    Die Auswertung ergab ein klares Muster: Je tiefer ein Erdbeben auftritt, desto größer ist der Spannungsabfall und desto mehr Energie wird freigesetzt. Um diesen Trend zu erklären, vergleichen die Forschenden Ergebnisse aus numerischen Finite-Elemente-Modellen, die Kräfte in der Erdkruste simulieren, mit Spannungsabfallmessungen aus seismologischen Daten. Der Vergleich zeigt, dass der Spannungsabfall mit der maximalen Scherspannung zunimmt, das heißt der größten seitlichen Kraft, der Verwerfungen standhalten können, bevor sie brechen.

    Bedeutung für die Erdbebenforschung

    Die Studie liefert eine physikalische Erklärung für den Zusammenhang zwischen Spannungsabfall und Tiefe eines Erdbebens und hilft, scheinbar widersprüchliche Ergebnisse aus früheren Forschungen zu verstehen. Sie zeigt, dass stärkere oder tiefere Verwerfungen höheren Spannungen standhalten können und daher größere Spannungsabfälle aufweisen. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die relative Verwerfungsfestigkeit ziehen, einen Wert, der schwer zu messen ist.

    „Interessanterweise haben sich die Spannungsabfallwerte in all den Jahren nach dem Tohoku-Oki-Erdbeben kaum verändert“, merkt Prof. Dr. Armin Dielforder von der Universität Greifswald an. „Die Festigkeit von Verwerfungen scheint über die Zeit hinweg konstant zu sein, was zum Verständnis von Nachbebensequenzen beitragen könnte.“

    Langfristig liefert diese Forschung eine neue Grundlage für ein besseres Verständnis von Erdbebenprozessen und eine genauere Modellierung der mechanischen Eigenschaften der Erdkruste.

    Kooperationspartner

    An der Studie waren Forschende der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Greifswald sowie es U.S. Geological Survey, Earthquake Science Center, Pasadena (USA), beteiligt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Gian Maria Bocchini
    Fakultät für Geowissenschaften
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel. +49 234 32 19802
    E-Mail: gian.bocchini@ruhr-uni-bochum.de


    Originalpublikation:

    Gian Maria Bocchini, Armin Dielforder, Kilian B. Kemna, Rebecca M. Harrington, Elizabeth S. Cochran: Earthquake Stress-Drop Values Delineate Spatial Variations in Maximum Shear Stress in the Japanese Forearc Lithosphere, in: Communications Earth & Environment, 2025, DOI: 10.1038/s43247-025-02877-y, https://doi.org/10.1038/s43247-025-02877-y


    Bilder

    Gian Maria Bocchini erforscht Erdbeben.
    Gian Maria Bocchini erforscht Erdbeben.

    Copyright: © Christina Rauch


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Gian Maria Bocchini erforscht Erdbeben.


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