Bislang ist der konkrete Prozess der Genesung nach einer akuten Erkrankung unbekannt und es ist nicht geklärt, warum manche Menschen vollständig und manche gar nicht genesen. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) hat nun erste Einblicke in die Physiologie der Genesung gewonnen und die Studienergebnisse im Fachmagazin Cell veröffentlicht.
Demnach kann der Konsum von drei bestimmten, im Nahrungseiweiß vorkommenden Aminosäuren im Rahmen des Genesungsprozesses problematisch sein und die von den Wissenschaftler:innen auch entdeckte Abneigung gegenüber Nahrungseiweiß nach akuter Erkrankung könnte demzufolge ein Schutzmechanismus des Körpers sein.
„Wir haben in unserer Studie herausgefunden, dass der Genesungsprozess nach akuten Krankheitszuständen durch ein stereotypisches Verhaltensmuster charakterisiert ist, das eine starke Abneigung gegenüber eiweißreicher Nahrung umfasst. Diese Beobachtung war für uns sehr überraschend, da eiweißreiche Nahrung seit Jahren ein fixer Bestandteil des Ernährungskonzepts von kritisch kranken Patient:innen darstellt“, sagt Endokrinologe Dr. Nikolai Jaschke aus der I. und III. Medizinischen Klinik und Poliklinik des UKE, der die Studie im Rahmen seines Postdocs im Labor von Andrew Wang (Yale School of Medicine) geleitet hat.
In einer Reihe von Experimenten im Modell konnten die Forschenden darüber hinaus zeigen, dass nicht der Konsum von Eiweiß per se, sondern der Verzehr von drei im Nahrungseiweiß natürlich vorkommenden Aminosäuren im Rahmen des Genesungsprozesses problematisch sein kann. Diese drei Aminosäuren (Glutamin, Lysin und Threonin, kurz: QKT) führen in hoher Dosis zur Produktion eines schädlichen Moleküls (Ammoniak), das über die Leber entgiftet werden muss. Im Rahmen des Genesungsprozesses ist die Kapazität zur Entgiftung dieses Moleküls jedoch reduziert. Eine Supplementierung dieser drei Aminosäuren erwies sich in den Experimenten der Forschenden entsprechend als toxisch. „Wir gehen davon aus, dass die Aversion eiweißreicher Nahrung einen physiologischen Schutzmechanismus darstellt, der den Körper vor einer Anhäufung von schädlichem Ammoniak bewahrt“, sagt Dr. Jaschke.
Als Grundlage der Protein-Aversion konnten die Wissenschaftler:innen ein bestimmtes Protein im Darm identifizieren, das durch lokal gebildetes Ammoniak aktiviert wird. Aufsteigende Nervenfasern übermitteln diese Information an Areale des Gehirns, deren Aktivität Brechreiz, Übelkeit und Aversion auslöst. „Die durch Eiweiß beziehungsweise Ammoniak aktivierten Hirnareale sind teilweise überlappend mit jenen, die durch moderne appetithemmende Medikamente mit dem Wirkstoff Semaglutid stimuliert werden“, erklärt Dr. Jaschke.
In einem nächsten Schritt möchten die Wissenschaftler:innen testen, ob der Genesungsprozess des Menschen basierend auf den nun gewonnenen Erkenntnissen mittels diätetischer Interventionen unterstützt oder verbessert werden kann. Neben kritisch kranken Patient:innen könnten solche diätetischen Formulierungen auch für Kinder mit angeborenen Stoffwechselerkrankungen oder Menschen mit Kachexie, einer komplexen Stoffwechselstörung, die bei Krebserkrankungen auftreten kann, therapeutisch relevant sein.
Dr. Nikolai Jaschke
I. und III. Medizinische Klinik und Poliklinik
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Jaschke@uke.de
Jaschke et al. Gut-to-brain signaling restricts dietary protein intake during recovery from catabolic states. Cell. 2025.
DOI: https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.10.005
Dr. Nikolai Jaschke
Quelle: UKE
Copyright: UKE
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Medizin
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