Das Zukunftslabor Gesundheit erprobte eine Plattform für den sicheren, standortübergreifenden Austausch medizinischer Daten. Zudem arbeiten die Wissenschaftler*innen an Empfehlungen für die Anwendung von Modellierungsstandards und ermöglichen so eine Übersicht für eine effiziente, datengestützte Gesundheitsforschung.
Die Digitalisierung ermöglicht eine datenbasierte Medizin, die nicht nur Patient*innen und Ärzt*innen, sondern auch der gesamten Gesundheitsforschung zugutekommt. Ein anschauliches Beispiel ist die elektronische Patient*innenakte (ePA). Sie speichert medizinische und gesundheitsrelevante Daten, die für die Diagnose und Behandlung entscheidend sind. Dazu zählen Diagnosebefunde, Therapiepläne, Medikationen, Impf- und Vorsorgedaten, Labor- und Testergebnisse. Mithilfe digitaler Systeme werden die Daten strukturiert gespeichert und sind so für die Behandlung und Nachnutzung verfügbar.
Während die ePA primär auf die Optimierung der individuellen Gesundheitsversorgung ausgerichtet ist, fokussiert die Datenplattform des Zukunftslabors Gesundheit die medizinische Forschung. In den vergangenen fünf Jahren hatten die Wissenschaftler*innen diese Plattform aufgebaut und getestet. Sie ermöglicht den Zugang zu aggregierten und anonymisierten medizinischen Daten, die z. B. aus elektronischen Patient*innenakten aggregiert werden können.
Bei der Erprobung der Plattform gewannen die Wissenschaftler*innen wertvolle Erkenntnisse zur Überwindung technischer Hürden bezüglich der standortübergreifenden Datenübertragung zwischen unterschiedlichen medizinischen Einrichtungen. Sie entschieden sich dafür, die Plattform mit dem Modellierungsstandard openEHR (open Electronic Health Record) aufzubauen. openEHR ist ein offener, internationaler Standard zur Verwaltung, Speicherung und zum Austausch elektronischer Gesundheitsdaten. Zudem konzipierten die Wissenschaftler*innen die Plattform modular, sodass verschiedene digitale Tools integriert werden können, z. B. der openEHR-FLAT-Loader für den Daten-Upload, die EHRbase zur Datenverwaltung oder das NUM-Portal für das Suchen und Abrufen von Daten.
„Auf GitHub stellen wir eine Anleitung zur Verfügung, die den Aufbau der interoperablen Datenplattform, basierend auf openEHR, beschreibt. GitHub ist eine Plattform, über die Codes und Dokumentationen öffentlich zugänglich gemacht werden können. Dies ermöglicht es, Software mit einer breiten Community weiterzuentwickeln. Indem wir unsere Erkenntnisse aus dem Aufbau der Plattform transparent machen, fördern wir den offenen und kollaborativen Forschungsgeist, der den wissenschaftlichen Fortschritt fördert“, erklärt Jendrik Richter, Universitätsmedizin Göttingen.
Neben openEHR existieren weitere Standards, die zur systematischen Erfassung, Zusammenführung und Integration von Gesundheitsdaten verwendet werden können. Bisher fehlen allgemeine Empfehlungen zur Anwendung geeigneter Standards. Daher arbeiten die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors an einer Publikation mit solchen Empfehlungen.
Empfehlungen zur Modellierung von Gesundheitsdaten
Die Wissenschaftler*innen führten eine Literaturrecherche zur Identifizierung bestehender Modellierungsansätze/-standards in Deutschland durch. Daraufhin interviewten sie fünf Expert*innen aus dem Bereich der Datenmodellierung und werteten die Gespräche mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse aus. Aus den Ergebnissen leiteten die Wissenschaftler*innen erste Hypothesen zu Empfehlungen hinsichtlich der Modellierung von Gesundheitsdaten ab. Diese betonen die Bedeutung einer klaren Governance, der Verständlichkeit und technischen Funktionalität der Modelle sowie der Anpassung des Modellierungsansatzes an spezifische Projektanforderungen. Der Fokus liegt dabei auf der Wiederverwendbarkeit und Interoperabilität der Modelle. Statt neuer Standards wird die sinnvolle Kombination bestehender Standards empfohlen. Außerdem sollen die Modelle praxisnah und benutzerfreundlich sein.
Die Wissenschaftler*innen diskutierten die Hypothesen in einem Workshop Vertreter*innen von Forschungsinstituten, IT-Abteilungen von Krankenhäusern sowie Unternehmen mit Fokus auf Sensorik und Datenanalyse. Sie stimmten den Hypothesen überwiegend zu, diskutierten einige aber auch intensiv. Der Austausch diente den Wissenschaftler*innen dazu, die Hypothesen zu schärfen und Einblicke aus der Praxis zu erhalten. Darüber hinaus ergaben die Diskussionen, dass sich die verschiedenen Modellierungsstandards nicht ausschließen müssen. Die Wahl des Standards ist oft projektspezifisch, teilweise auch organisationsabhängig.
Des Weiteren tauschten sich die Wissenschaftler*innen in einem Workshop auf der Tagung des Fachverbandes für Dokumentation und Informationsmanagement in der Medizin (DMVD) mit den Teilnehmer*innen zu Best Practices in der praktischen Modellierung von Gesundheitsdaten aus. Sie diskutierten u. a. Qualitätsmerkmale von Modellen, Modellierungs- und Governanceprozesse sowie nationale Entwicklungen zur Regulation von Modellierung. Expert*innen der Modellierungsstandards „Observational Medical Outcomes Partnership“ (OMOP), „Fast Healthcare Interoperability Resources“ (FHIR) und openEHR waren vertreten.
Aus den Ergebnissen der Expert*innen-Interviews und den beiden Workshops sowie aus den eigenen Erfahrungen mit Modellierungsstandards entwickelten die Wissenschaftler*innen einen Online-Fragebogen. Dieser beinhaltete Fragen zu Vor- und Nachteilen der Standards, Anwendungsbereichen, Tipps, Ebenen der Interoperabilität sowie Rahmenbedingungen der Modellierung von Gesundheitsdaten. Insgesamt füllten 26 Personen den Fragebogen vollständig aus, darunter Medizininformatiker*innen, medizinische Dokumentar*innen und Datenwissenschaftler*innen.
Die Auswertung der Online-Befragung ist noch nicht abgeschlossen. Erste Ergebnisse bestätigen die Hypothesen der Wissenschaftler*innen. Darüber hinaus werden die Bedarfe und Anforderungen der Modellierungsexpert*innen deutlich. Zudem ist der Standard FHIR am meisten verbreitet und findet international sowie national Beachtung, z. B. in der deutschen ePA.
„Wir werden unsere Erkenntnisse nutzen, um Empfehlungen zu Modellierungsstandards auszuarbeiten. Dabei erheben wir nicht den Anspruch, dass unsere Empfehlungen internationale Gültigkeit haben werden. Es geht uns darum, die Erfahrungen von Expert*innen wiederzugeben und einen Orientierungsrahmen für die praktische Anwendung zu schaffen“, sagt Lena Elgert, Medizinische Hochschule Hannover.
Ansprechpartnerin für redaktionelle Rückfragen:
Kira Konrad B. A.
Marketing & Kommunikation
Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen (ZDIN)
Am OFFIS – Institut für Informatik, Escherweg 2, 26121 Oldenburg – Germany
Tel: 0441 9722-435, E-Mail: kira.konrad@zdin.de
www.zdin.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch

Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).