Wie zukunftsorientiert sind die öffentlichen Haushalte in Europa? Eine neue Studie des ZEW Mannheim stellt mit der sogenannten Zukunftsquote einen neuartigen Indikator vor, der misst, welcher Anteil der Staatsausgaben tatsächlich den künftigen Generationen zugutekommt – etwa durch Investitionen in Bildung, Forschung, Infrastruktur oder Klimaschutz.
Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten: Während nordeuropäische und viele osteuropäische Länder vergleichsweise stark in Zukunftsbereiche investieren, liegt die Zukunftsquote in großen Volkswirtschaften wie Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien nur im Mittelfeld. Besonders auffällig ist der enge Zusammenhang zwischen hoher Staatsverschuldung und geringer Zukunftsorientierung der Ausgaben.
„Unsere Analyse zeigt, dass hohe Schulden nicht mit höheren Zukunftsinvestitionen einhergehen – im Gegenteil: Sie engen den finanziellen Spielraum für zukunftsorientierte Politik massiv ein“, erklärt Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“. Dr. Albrecht Bohne, Ko-Autor der Studie, ergänzt: „Länder mit geringeren Schuldenquoten wie Estland, Lettland oder Schweden können wesentlich stärker in Bildung, Forschung und Klimaschutz investieren. Staaten mit hoher Schuldenlast hingegen geraten in ein Ungleichgewicht, das ihre Zukunftsfähigkeit gefährdet.“
Schulden bremsen Zukunftsinvestitionen
Die Studie zeigt: Je höher die Schuldenquote eines Landes, desto geringer der Anteil für Zukunftsausgaben. In hochverschuldeten Ländern wie Griechenland, Italien oder Spanien verdrängen Zinszahlungen und laufende Sozialausgaben zunehmend die finanziellen Mittel für langfristige Investitionen. Dagegen gelingt es Staaten mit soliden Haushalten und hoher Regelkonformität im Stabilitäts- und Wachstumspakt besser, Zukunftsausgaben zu sichern.
„Hohe Schuldenstände und hohe Zukunftsorientierung schließen sich in Europa weitgehend aus. Viele Länder befinden sich in einem schlechten Gleichgewicht aus Schuldenlast und Reformstau“, betont Heinemann. „Die Zukunftsquote kann Regierungen helfen, ihre Ausgabenstruktur transparenter zu gestalten und den Generationenvertrag in der Finanzpolitik wieder zu stärken.“
Nord- und Osteuropa investieren stärker in die Zukunft
Im europäischen Durchschnitt fließen zwischen 21 und 24 Prozent der Staatsausgaben in zukunftsorientierte Bereiche. Die höchsten Werte erzielen die Schweiz (29 Prozent), Estland (28 Prozent), Lettland (27 Prozent) und Schweden (26 Prozent). Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland liegen mit Werten zwischen 19 und 22 Prozent dagegen nur im Mittelfeld oder darunter. Besonders stark zeigt sich dabei die Kluft zwischen Nord und Süd sowie zwischen Ost und West.
Zur Methodik
Die Zukunftsquote basiert auf Eurostat-Daten zur funktionalen Gliederung staatlicher Ausgaben (COFOG). Sie unterscheidet erstmals zwischen gegenwarts- und zukunftsorientierten Ausgabenkategorien. Alle Ausgaben wurden anhand von Kriterien wie Infrastrukturbezug, Humankapitalbildung, technologischem Wissen oder Beitrag zum Naturkapital bewertet und gewichtet. So entsteht ein umfassenderes Bild als bei herkömmlichen Investitionsquoten, die meist nur physische Investitionen erfassen. Der Indikator erlaubt Vergleiche über Länder und Zeit hinweg und ergänzt klassische fiskalische Kennziffern um die Perspektive der Generationengerechtigkeit.
Prof. Dr. Friedrich Heinemann
Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“
Tel.: +49 (0)621 1235-149
E-Mail: friedrich.heinemann@zew.de
https://www.zew.de/fileadmin/FTP/gutachten/FutureRatio_Report_ZEW.pdf
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter
Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch

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