Seit 2008 widmet sich der Ausstellungsbereich ›Bronzerausch‹ im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle dem Zeitraum der späten Jungsteinzeit und der Frühbronzezeit zwischen etwa 2800 und 1550 vor Christus. In den Jahren seit seiner Eröffnung erbrachten allerdings die Untersuchungen zur Himmelsscheibe von Nebra und ihrem kulturellen Umfeld zahlreiche neue Erkenntnisse, die einen deutlich facettenreicheren Blick auf diese Epoche ermöglichen. Um dem aktuellen Forschungsstand Rechnung zu tragen wurde der Dauerausstellungsabschnitt ›Bronzerausch‹ nun inhaltlich aktualisiert und neugestaltet. Ab dem 13. November 2025 ist er wieder für das Publikum geöffnet.
Der Abschnitt ›Bronzerausch‹ der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle widmet sich dem Zeitraum der späten Jungsteinzeit und der Frühbronzezeit zwischen ungefähr 2800 und 1550 vor Christus. Die bisherige Ausstellung, die 2008 eröffnet worden und bis zum vergangenen Jahr zu sehen war, spiegelte den Kenntnisstand der Mitte der 2000er Jahre wider. In den vergangenen 17 Jahren hat sich dieser dank intensiver interdisziplinärer Untersuchungen zur Himmelsscheibe von Nebra und ihrem kulturellen Kontext sowie zahlreicher bahnbrechender Forschungsergebnisse bedeutend erweitert. Daher wurde eine Aktualisierung dieses Ausstellungsbereichs notwendig.
»Mit der Wiedereröffnung des ›Bronzerausch‹ zeigt das Landesmuseum für Vorgeschichte erneut, wie dynamisch und forschungsstark Archäologie in Sachsen-Anhalt ist. Das Landesmuseum für Vorgeschichte unter Leitung von Professor Harald Meller leistet seit Jahren herausragende Arbeit und setzt Maßstäbe. Es verbindet Forschung, Vermittlung und Gestaltung auf einzigartige Weise und macht Sachsen-Anhalt als Land der Himmelsscheibe zu einem Zentrum der europäischen Frühgeschichte«, hebt Rainer Robra, Staatsminister und Minister für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt, hervor.
Die heute vorgestellte Neukonzeption des Ausstellungsabschnitts ›Bronzerausch‹ trägt dem aktuellen Forschungsstand Rechnung und vermittelt mit Hilfe von ungefähr 850 Exponaten und Exponatgruppen auf etwa 190 Quadratmetern die wichtigsten Ergebnisse der letzten Jahre. Zudem präsentiert sie zahlreiche Neufunde, die teilweise bereits in der Landesausstellung ›Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra. Neue Horizonte‹ (2021/22) zu sehen waren, nun aber erstmals dauerhaft zugänglich sind. Um die Ausstellungsinhalte angemessen und in der für das Landesmuseum typischen ästhetischen Weise zu vermitteln, ging die Neukonzeption zugleich auch mit einer völligen Neugestaltung der Szenographie des Raums einher, für die der Salzburger Künstler Karol Schauer verantwortlich zeichnet. So führten die Wiederentdeckung des frühbronzezeitlichen Großgrabhügels Bornhöck und die wichtigen neuen Erkenntnisse zur hierarchischen Gesellschaftsstruktur der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur dazu, dass in der Neugestaltung die Fürstengräber von Leubingen, Helmsdorf und der Bornhöck im Zentrum des Raums stehen.
Von den Eulauer Familiengräbern bis in die Zeit der Himmelsscheibe
Der Rundgang beginnt in der späten Jungsteinzeit (ungefähr 2800 bis 2200 vor Christus), die auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt besonders durch die sogenannte Schnurkeramikkultur einerseits und die sogenannte Glockenbecherkultur andererseits geprägt ist. Aufgrund archäogenetischer Untersuchungen, für die Funde aus Mitteldeutschland von besonderer Bedeutung sind, ist heute bekannt, dass es sich bei diesen über weite Gebiete Europas verbreiteten Kulturen um neu einwandernde Bevölkerungsgruppen handelt. Besonderes Kennzeichen beider Kulturen ist die Betonung von individuellen ›heroischen‹ Kriegern in den Bestattungen, erkennbar an der Mitgabe von Waffen ins Grab. In der Glockenbecherkultur entstanden offenbar erste Eliten, die sich beispielsweise durch goldene Haarringe kennzeichnen – ein Statussymbol, das in der Frühbronzezeit fortlebte. Im Zentrum dieses Ausstellungsbereichs, der gewissermaßen den Auftakt zum Hauptraum bildet, steht weiterhin das Triptychon mit den schnurkeramischen Familienbestattungen aus Eulau, darunter die bislang älteste genetisch nachgewiesene Kernfamilie der Welt: Mutter, Vater und zwei Kinder, die alle gewaltsam ums Leben kamen. Ihre Bestattung, bei der dem Ausdruck der familiären Zusammengehörigkeit höhere Priorität eingeräumt wurde als den üblichen Konventionen zur Positionierung der Bestatteten im Grab, ist ein beredtes und berührendes Zeugnis für soziale Werte, die bereits vor über 4.500 Jahren Geltung hatten. Gerahmt werden die im Block geborgenen Eulauer Gräber von zwei weiteren im Block präparierten Bestattungen, die jeweils einen Krieger der Schnurkeramik- und der Glockenbecherkultur repräsentieren und neu in die Dauerausstellung aufgenommen wurden.
Von Pömmelte zum Bornhöck: Neue Erkenntnisse zu Siedlungswesen und gesellschaftlicher Hierarchie der Frühbronzezeit
Die Rückseite des Eulau-Tripytchons, die dem Hauptraum des wiedereröffneten Dauerausstellungsabschnitts zugewandt ist, thematisiert die Rituallandschaft rund um die beiden Ringheiligtümer Pömmelte und Schönebeck (jeweils im Salzlandkreis gelegen) sowie die Siedlung vor den Toren des erstgenannten Heiligtums. Sie stehen für den Übergang von der ausgehenden Jungsteinzeit zur Aunjetitzer Kultur der frühen Bronzezeit. Die Entstehung der Aunjetitzer Kultur aus der Verschmelzung der zuvor über etwa 300 Jahre nebeneinander lebenden Bevölkerungen von Schnurkeramik- und Glockenbecherkultur lässt sich gerade vor dem Hintergrund dieser Landschaft an der Elbe, die von allen drei Kulturen rituell genutzt wurde, bestens verdeutlichen. Funde aus dem Ringheiligtum von Pömmelte werfen ein Schlaglicht auf die Feste, die vor rund 4.000 Jahren dort abgehalten wurden. Die Siedlung am Ringheiligtum Pömmelte, die größte bekannte frühbronzezeitliche Siedlung Mitteleuropas, bildet die Grundlage für die Erläuterung des Siedlungswesens der Aunjetitzer Kultur. Damit fließen zum ersten Mal Erkenntnisse aus den diesbezüglichen grundlegenden Forschungen in die Dauerausstellung des Landesmuseums ein. Erstmals ausgestellt ist ein Depotfund aus zehn Tassen aus der Siedlung von Pömmelte. Die Gefäße verdeutlichen nicht nur die stark standardisierte Keramik der Aunjetitzer Kultur, sondern auch die neuesten Erkenntnisse zu deren Ernährungsgewohnheiten. So konnte mit Hilfe modernster Analysemethoden festgestellt werden, dass eine der Tassen zur Zeit ihrer Benutzung Wiederkäuerfette enthielt, in drei weiteren konnten Spuren von Milchprodukten nachgewiesen werden. Erstmals präsentiert der neugestaltete ›Bronzerausch‹ auch Funde aus der ebenfalls frühbronzezeitlichen Siedlung von Schiepzig (Saalekreis). Dort konnte ein Rinderschlacht- und verwertungsplatz identifiziert werden, der auf eine bislang unbekannte wirtschaftliche Spezialisierung schließen lässt.
Angesichts der wichtigen neuen Erkenntnisse zur hierarchischen Gesellschaftsstruktur der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur stehen im neugestalteten Raum die Fürstengräber von Leubingen und Helmsdorf sowie der sogenannte Bornhöck, ein erst in den vergangenen Jahren wiederentdeckter fürstlicher Grabhügel, dessen Reste detailliert untersucht wurden, im Mittelpunkt der Inszenierung. Zentrales Exponat ist die hölzerne Totenlade aus dem Fürstengrab von Helmsdorf, die neu in die Dauerausstellung integriert wurde. Über ihrer Vitrine, die die Form der einstigen hölzernen Grabkammer innerhalb des Fürstengrabhügels aufnimmt, schwebt eine schwarze Pyramide. Sie versinnbildlicht eine streng hierarchisch organisierte Gesellschaft mit einem mächtigen Alleinherrscher an der Spitze, wie sie bislang nur aus den Hochkulturen des Mittelmeerraums bekannt waren. Zugleich erinnert die Installation an den aus dunklem Granit gehauenen Schlussstein, das Pyramidion, der sogenannten Schwarzen Pyramide des ägyptischen Pharaos Amenemhet III., die ungefähr zeitgleich mit dem dendrochronologisch auf 1829 vor Christus datierten Helmsdorfer Fürstengrab errichtet wurde. Gerahmt wird die Helmsdorfer Totenlade durch die goldenen Ornate und weiteren Grabbeigaben des Helmsdorfer und des Leubinger Fürsten sowie einige der monumentalen Mahlsteine aus dem Bornhöck, dem größten frühbronzezeitlichen Grabhügel Mitteleuropas. Trotz seiner nahezu vollständigen Abtragung im 19. Jahrhundert und der vorausgehenden Plünderung im 13. Jahrhundert konnte seine Untersuchung mit modernsten Methoden zahlreiche wichtige Informationen zur Gestalt und Größe des Monuments, aber auch zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekten der Aunjetitzer Kultur erbringen. Diese fließen erstmals in die Dauerausstellung des Landesmuseums ein. Die Größe und Anzahl der im Steinkern des Hügels gefundenen Mahlsteine lässt darauf schließen, dass sie der Versorgung zahlreicher Menschen dienten. Ihre Deponierung im Grabhügel demonstriert die wirtschaftliche und politische Macht des hier einst bestatteten Fürsten.
Zur Sicherung ihrer Macht konnten die Fürsten der Aunjetitzer Kultur neuesten Interpretationen zufolge auf Armeen zurückgreifen, deren Ausrüstung in Form umfangreicher Hortfunde insbesondere aus der Region um Dieskau (Saalekreis) überliefert ist. Die aus teils über 300 bronzenen Waffen und Ringen bestehenden Horte werden im wiedereröffneten Ausstellungsraum in neuer Anordnung – und ergänzt um einen wichtigen Neufund aus Teicha (Saalekreis) – präsentiert.
Daneben ist es nun auch erstmals möglich, zusätzlich zu den Fürsten und Kriegern auch reiche Frauen der Aunjetitzer Kultur vorzustellen. In Mitteldeutschland sind diese zwar nicht in herausragenden Bestattungen, aber indirekt durch drei reiche Horte mit Bernstein- und Bronzeschmuck nachweisbar. Auch hier erbrachten Neufunde der vergangenen Jahre – jeweils ein Hortfund aus Domsen im Burgenlandkreis und Teicha im Saalekreis – wichtige neue Einblicke.
Die Himmelsscheibe von Nebra und das europaweite Handelsnetzwerk der frühen Bronzezeit
Im, dem Hauptraum vorgelagerten, Umgang im Atrium des Landesmuseums erhalten Besucherinnen und Besucher nun Einblicke in die bronzezeitliche Metallurgie von ihren Anfängen im 3. Jahrtausend vor Christus bis zur Spätbronzezeit im 9./8. Jahrhundert vor Christus. Daneben werden hier die in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnisse zur Herstellung der Himmelsscheibe von Nebra und zur Herkunft ihrer Rohstoffe vorgestellt. Ihr ursprüngliches Aussehen, das einen grauschwarzen Nachthimmel wiedergab, wird durch eine nachtschwarze Rekonstruktion der Himmelsscheibe anschaulich vermittelt. Auch die Herkunft der auf der Himmelsscheibe codierten Ideen und, davon ausgehend, die weitreichenden Fernkontakte der Aunjetitzer Kultur – von den Britischen Inseln über Südskandinavien und die Schweiz bis Südosteuropa und den Vorderen Orient – werden hier thematisiert. In diesem Komplex spielt unter anderem der baltische Bernstein eine wichtige Rolle, der vom Nord- und Ostseeraum aus über das Gebiet der Aunjetitzer Kultur in den Mittelmeerraum gelangte. Neben dem Vorkommen von Salz und den fruchtbaren Böden der Region spielte die Kontrolle über den Handel mit Bernstein, Kupfer und Zinn sicher eine bedeutende Rolle bei der Etablierung der Macht der Aunjetitzer Fürsten. Nach dem Ende der Aunjetitzer Kultur wurden ab dem 14. Jahrhundert vor Christus farbige Glasperlen aus Mesopotamien und Ägypten nach Mittel- und Nordeuropa importiert. Eine Perle aus blauem mesopotamischen Glas, eingeflochten in den bronzenen Kopfschmuck der Bestatteten in einem Frauengrab des 14. Jahrhunderts vor Christus in Esperstedt (Saalekreis), leitet zum Zeitabschnitt der Mittelbronzezeit über, der im 1. Obergeschoss des Landesmuseums präsentiert wird.
Der vollständig überarbeitete und neugestaltete Ausstellungsabschnitt ›Bronzerausch‹ ist ab dem 13. November 2025 für den Publikumsverkehr geöffnet.
Einblicke in die jüngsten Forschungen zur Himmelsscheibe von Nebra und ihrer Zeit, zu den wissenschaftlichen Untersuchungen rund um die Rituallandschaft am Ringheiligtum Pömmelte und um den Bornhöck vermittelt auch die Filmreihe ›Himmelsscheibe plus‹ in der Mediathek des Landesmuseums unter https://mediathek.landesmuseum-vorgeschichte.de/reihe/himmelsscheibe-plus.
Öffnungszeiten des Landesmuseums für Vorgeschichte
Dienstag bis Freitag: 9.00 bis 17.00 Uhr.
Samstag, Sonntag und Feiertage: 10.00 bis 18.00 Uhr.
Montag: nur nach Voranmeldung (Gruppen und Führungen).
Eintrittspreise
Erwachsene: 7,00 €.
Ermäßigt: 5,00 €.
Kinder/Jugendliche (0 bis 18 Jahre): freier Eintritt.
Über weitere Eintrittspreise (zum Beispiel Gruppen, Schulklassen, Familienkarten oder Jahreskarten) informieren Sie sich bitte auf der Website des Landesmuseums unter landesmuseum-vorgeschichte.de/besuch.
https://mediathek.landesmuseum-vorgeschichte.de/reihe/himmelsscheibe-plus Das Filmprogramm des Landesmuseums bietet weiterführende Informationen zur Frühbronzezeit
Blick in den neugestalteten Ausstellungsbereich ›Bronzerausch‹.
Quelle: Michel Klehm
Copyright: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
Der neuarrangierte Hortfund von Dieskau II.
Quelle: Michel Klehm
Copyright: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Organisatorisches
Deutsch

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