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18.11.2025 10:14

Neue Humanstudie zeigt: Pflanzliche Proteinhydrolysate beeinflussen das Sättigungsgefühl auf unterschiedliche Weise

Dr. Gisela Olias Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie

    Proteinhydrolysate entstehen durch die Spaltung von Proteinen in kurze Proteinfragmente (Peptide) und Aminosäuren. Sie spielen bei der Produktion pflanzenbasierter Lebensmittel eine zunehmende Rolle. In einer neuen Humanstudie haben Forschende des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München und des ZIEL – Institute for Food & Health der Technischen Universität München gezeigt, dass unterschiedliche Hydrolysate aus Erbsenprotein das Sättigungsgefühl auf verschiedene Weise beeinflussen. Die Studie liefert eine wissenschaftliche Basis für die Entwicklung neuer Lebensmittel, die Ernährungsstrategien zur Gewichtsregulation unterstützen.

    Die Nachfrage nach pflanzlichen Proteinquellen wächst, da ihre Herstellung deutlich weniger Energie, Wasser und Land erfordert als die tierischer Produkte. In der Lebensmittelproduktion gewinnen insbesondere Proteinhydrolysate an Bedeutung, weil sie sich vielseitig einsetzen und technologisch gut verarbeiten lassen. Ein Nachteil solcher Hydrolysate ist jedoch ihr häufig bitterer Geschmack, der bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern auf Ablehnung stößt. „Dieser ist auf bestimmte Peptide und freie Aminosäuren zurückzuführen“, sagt Katrin Gradl, Erstautorin der Studie.

    Allerdings legen aktuelle Studien nahe, dass gerade diese bitteren Verbindungen das Sättigungsgefühl beeinflussen können, etwa indem sie die Magenentleerung verlangsamen oder die Ausschüttung von Sättigungshormonen fördern. Ebenso weisen Untersuchungen darauf hin, dass weniger stark aufgespaltene Proteine vor allem über eine verzögerte Magenentleerung wirken, während stärker aufgespaltene Proteine den Magen schneller passieren und so eher eine hormonelle Sättigungsreaktion im Darm auslösen können.

    Pilotstudie mit zwei unterschiedlichen Erbsenproteinhydrolysaten

    Um diese Hypothesen zu überprüfen, führte das Forschungsteam um Veronika Somoza, Arbeitsgruppenleiterin am Leibniz-Institut, eine Pilotstudie mit 19 übergewichtigen Männern (Body-Mass-Index 25–30 kg/m²) durch. Im Fokus stand die Frage, wie sich der Hydrolysegrad sowie der Grad der Bitterkeit von zwei unterschiedlichen Erbsenproteinhydrolysaten auf die Sättigungsregulation auswirkt.

    In der aktuellen Pilotstudie erhielten die Probanden an unterschiedlichen Untersuchungstagen zwei Stunden vor einem Testfrühstück jeweils 15 Gramm von einem der beiden Erbsenproteinhydrolysate. Das Proteinhydrolysat H1 war weniger bitter und stärker aufgespalten (Hydrolysegrad 35 Prozent). Das andere Hydrolysat H2 schmeckte bitterer, war weniger stark hydrolysiert (Hydrolysegrad 23 Prozent) und somit schwerer verdaulich.

    Anschließend erfassten die Forschenden, wie viel Energie die Teilnehmenden beim Frühstück aufnahmen. Bei diesem durften sie so viel essen, wie sie wollten. Außerdem untersuchten sie, wie schnell sich der Magen der Teilnehmer entleerte sowie deren Hormonspiegel im Blut.

    Was die Studie zeigt

    Teilnehmer, die das bitterere, weniger aufgespaltene Hydrolysat H2 erhielten, zeigten eine verzögerte Magenentleerung und nahmen beim Frühstück im Schnitt rund 126 Kilokalorien weniger zu sich. Das weniger bitter schmeckende und stärker hydrolysierte Produkt H1 senkte dagegen die Ghrelin- und DPP4-Konzentrationen im Blut deutlich stärker, ohne jedoch die kurzfristige Energieaufnahme zu beeinflussen. Ein niedriger Ghrelinspiegel signalisiert dem Körper weniger Hunger. Eine niedrigere DPP-4-Konzentration führt dazu, dass Sättigungshormone länger aktiv bleiben und verstärkt somit das Sättigungsgefühl.

    „Unsere Ergebnisse zeigen, dass beide Hydrolysate das Sättigungsgefühl auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Das Hydrolysat H2 machte schnell satt, sodass die Probanden weniger aßen. Das Hydrolysat H1 wirkte dagegen zeitverzögert und fördert vermutlich ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl zwischen den Mahlzeiten“, erklärt Studienleiterin Veronika Somoza. „Sowohl Bitterkeit als auch Hydrolysegrad spielten dabei eine entscheidende Rolle. Somit liefert die Studie wertvolle Ansätze für die Entwicklung funktioneller Lebensmittel, die auf natürliche Weise zur Reduktion der Energieaufnahme beitragen können.“

    Publikation: Gradl, K., Sterneder, S., Kahlenberg, K., Brandl, B., Skurk, T., and Somoza, V. (2025). Randomized Controlled Trial: Effects of a Bitter-Tasting Pea Protein Hydrolysate Intervention With Low Degree of Hydrolyzation on Energy Intake in Moderately Overweight Male Subjects. Mol Nutr Food Res, e70195. 10.1002/mnfr.70195.

    Förderung: Das IGF-Vorhaben 21916 N der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI) wurde im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

    Hintergrundinformation:

    Der Body-Mass-Index (BMI) ist ein Maß, das z. B. Forschende verwenden, um das Körpergewicht einer Person einzuschätzen und sie entsprechend als unter-, normal- oder übergewichtig einzustufen. Die Berechnung erfolgt, indem das Körpergewicht in Kilogramm durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat dividiert wird.

    Die Grenzen für den BMI sind wie folgt: Ein BMI unter 18,5 bedeutet Untergewicht, ein BMI zwischen 18,5 und 24,9 gilt als Normalgewicht. Ab einem BMI von 25,0 bis 29,9 spricht man von Übergewicht und ab einem BMI von 30,0 von Adipositas (Fettleibigkeit). Zu beachten ist, dass diese Werte für Erwachsene gelten und je nach Alter, Geschlecht und Muskelmasse variieren können.

    Erbsenproteinhydrolysate und Hydrolysegrad:

    Die derzeit auf dem Markt erhältlichen Erbsenproteinhydrolysate sind Teilhydrolysate (auch partielle Hydrolysate genannt), die durch chemische oder enzymatische Spaltungsverfahren gewonnen werden. Bei Teilhydrolysaten ist der Spaltungsprozess nicht vollständig abgeschlossen, sodass neben freien Aminosäuren und kurzen Peptidketten auch größere Proteinreste verbleiben. Der Hydrolysegrad gibt an, wie viele Peptidbindungen in einem Proteinhydrolysat im Verhältnis zu allen Peptidbindungen des ursprünglichen Proteins gespalten wurden. Er gibt also an, wie stark die langen Proteinketten bereits in kürzere Peptide und Aminosäuren zerlegt wurden.

    Kontakte:
    Experten-Kontakt:

    Prof. Dr. Veronika Somoza
    Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie
    an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM)
    Leiterin der Arbeitsgruppe Metabolic Function & Biosignals
    Lise-Meitner-Str. 34
    85354 Freising
    E-Mail: v.somoza.leibniz-lsb@tum.de

    Katrin Gradl
    Arbeitsgruppe Metabolic Function & Biosignals
    E-Mail: k.gradl.leibniz-lsb@tum.de

    Pressekontakt am Leibniz-LSB@TUM:

    Dr. Gisela Olias
    Wissenstransfer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Tel.: +49 8161 71-2980
    E-Mail: g.olias.leibniz-lsb@tum.de
    https://www.leibniz-lsb.de

    Informationen zum Leibniz-Institut:

    Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie, Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinellem Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung einer Systembiologie der Lebensmittel ein. Sein Ziel ist es, neue Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind. Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke sensorisch relevanter Lebensmittelinhaltsstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und langfristig vorhersagbar zu machen.

    Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft

    Das Leibniz-Institut ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft (https://www.leibniz-gemeinschaft.de/), die 96 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

    Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Die Leibniz-Institute unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 21.300 Personen, darunter 12.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Finanzvolumen liegt bei 2,2 Milliarden Euro.

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    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Veronika Somoza
    Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie
    an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM)
    Leiterin der Arbeitsgruppe Metabolic Function & Biosignals
    Lise-Meitner-Str. 34
    85354 Freising
    E-Mail: v.somoza.leibniz-lsb@tum.de

    Katrin Gradl
    Arbeitsgruppe Metabolic Function & Biosignals
    E-Mail: k.gradl.leibniz-lsb@tum.de


    Originalpublikation:

    Publikation: Gradl, K., Sterneder, S., Kahlenberg, K., Brandl, B., Skurk, T., and Somoza, V. (2025). Randomized Controlled Trial: Effects of a Bitter-Tasting Pea Protein Hydrolysate Intervention With Low Degree of Hydrolyzation on Energy Intake in Moderately Overweight Male Subjects. Mol Nutr Food Res, e70195. 10.1002/mnfr.70195. https://doi.org/10.1002/mnfr.70195


    Bilder

    Doktorandin Katrin Gradl bei Arbeiten im Zellkulturlabor
    Doktorandin Katrin Gradl bei Arbeiten im Zellkulturlabor
    Quelle: J. Krpelan
    Copyright: Leibniz-LSB


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Doktorandin Katrin Gradl bei Arbeiten im Zellkulturlabor


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