Ein neuer Wirkstoff sorgt dafür, dass ein zentrales Protein in Tumorzellen gezielt abgebaut wird. Dadurch verlieren Krebszellen in Zellversuchen ihren Schutz und sterben ab. Entwickelt wurde der Wirkstoff von Forschenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universitätsmedizin Mainz. Bisherige Wirkstoffe zielen darauf ab, die Aktivität des Proteins „Checkpoint kinase-1“ (CHK1) lediglich zu hemmen. Wird das Protein dagegen komplett abgebaut, setzt das eine Kettenreaktion in Gang: Auch weitere Tumorproteine werden zerstört – die Krebszellen werden zusätzlich geschwächt. Die neue Studie erschien in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“.
Eigentlich ist das Protein CHK1 für den menschlichen Körper lebenswichtig: Wenn bei der Zellteilung Fehler passieren und das Erbgut beschädigt wird, stoppt es den Prozess, damit die Zelle die Schäden reparieren kann. Allerdings unterscheidet das Protein nicht zwischen normalen und Tumorzellen – es schützt sie gleichermaßen.
Prof. Dr. Wolfgang Sippl forscht am Institut für Pharmazie der MLU dazu, wie man Proteinen wie CHK1 in Tumorzellen gezielt den Garaus machen kann. „Die Grundidee ist relativ einfach: Wird CHK1 gestört, können sich Krebszellen nicht mehr reparieren. Klassische Arzneistoffe zielen deshalb darauf ab, die Aktivität von CHK1 in Tumorzellen zu behindern. Ich forsche an sogenannten PROTAC-Molekülen, die dafür sorgen, dass bestimmte Proteine vom Körper selbst abgebaut werden“, erklärt Sippl. Die PROTAC-Technologie habe in den letzten Jahren vielversprechende klinische Kandidaten für die Tumortherapie hervorgebracht, so der Forscher.
Gemeinsam mit der Gruppe von Prof. Dr. Oliver Krämer am Institut für Toxikologie der Universitätsmedizin Mainz entwickelte Sippl erstmals ein PROTAC-Molekül namens MA203, das sich gezielt an das Tumorprotein CHK1 anheftet. Dort sorgt es dafür, dass das Protein von der zelleigenen Abbau-Maschinerie, dem Proteasom, erkannt und in unschädliche Einzelteile zerlegt wird. „Chemotherapeutika schädigen gezielt das Erbgut von Krebszellen, um ihre Vermehrung zu verhindern. Unser Molekül führte in Zellversuchen in Kombination mit den Medikamenten zu einem verstärkten Zelltod von festen Tumor- und Leukämiezellen“, sagt Sippl. Zugleich zeigten die Untersuchungen, dass MA203 mehrere Arten gesunder Zellen unbeeinträchtigt lässt.
Die Forschenden beobachteten zudem eine Art Dominoeffekt: Nachdem das CHK1-Protein in Tumorzellen ausgelöscht wurde, begann auch der Zerfall weiterer zentraler Proteine, die Tumoren zur Vervielfältigung und Reparatur ihres Erbguts benötigen. „Unsere Studie liefert neue Einblicke in die Funktionen von CHK1 und belegt das Potenzial von PROTACs für die gezielte Ausschaltung von wichtigen Faktoren der Tumorregulation“, sagt Sippl. Die Forschenden aus Halle und Mainz planen weitere Untersuchungen, um das klinische Potenzial von CHK1-gerichteten PROTACs zu evaluieren.
Bislang wurden die Versuche nur in Zellkulturen durchgeführt. Bis aus MA203 ein fertiges Medikament werden könnte, sind jedoch noch zahlreiche Untersuchungen nötig. Dazu gehören auch groß angelegte klinische Studien am Menschen.
Unterstützt wurde die Studie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Brigitte und Dr. Konstanze Wegener-Stiftung, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, der Walter Schulz-Stiftung, der José Carreras Leukemia Foundation und der Alexander von Humboldt-Stiftung.
Studie: Ashry R. et al. Identification of a Proteolysis-Targeting Chimera that Addresses Activated Checkpoint Kinase-1 Reveals its Non-Catalytic Functions in Tumor Cells. Angewandte Chemie (2025). doi: https://doi.org/10.1002/anie.202514788
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch

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