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20.11.2025 11:22

Namen finden für Gewalt: Holocaust als „travelling memory“ in Kolumbien

Caroline Link Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    DFG-Forschungsprojekt am Institut für Romanistik der JLU zu den gewaltvollen Ereignissen um den Justizpalast in Bogotá im November 1985

    Der November 1985 markiert für das kollektive Gedächtnis der kolumbianischen Gesellschaft ein Davor und ein Danach: Am 6. und 7. November 1985 besetzte die bewaffnete Guerrilla-Gruppe M-19 den Justizpalast im Zentrum von Bogotá und nahm 350 Geiseln; das kolumbianische Militär eroberte das Gebäude anschließend gewaltsam zurück. Prof. Dr. Verena Dolle vom Institut für Romanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) forscht zur Erinnerung an diese in Kolumbien häufig als „holocausto“ bezeichneten Ereignisse vor 40 Jahren und ist für die Erinnerungsfeiern nach Kolumbien gereist. Im Rahmen ihres DFG- Forschungsprojekts „Verflochtene Erinnerungen und ihre Dynamik: ‚holocausto‘ im literarischen Diskurs in Kolumbien von 1985 bis 2022“ hat sie in Bogotá unter anderem Podiumsdiskussionen, Ausstellungen und künstlerische Aufführungen besucht und einen Vortrag zu ihrem Projekt an der Universidad de los Andes (Uniandes) gehalten, mit der die JLU durch eine Partnerschaft eng verbunden ist.

    In kolumbianischen Medien und Ausstellungen ist seit 1985 bis heute der Begriff „holocausto“ – meist klein geschrieben und in der Bedeutung „Brandopfer“ – in Bezug auf die Ereignisse um den Justizpalast sehr stark präsent. „Wir untersuchen, wie die in Kolumbien nicht weiter hinterfragte, für eine deutsche Gesellschaft jedoch sehr auffällige Verwendung dieses Begriffs zu deuten ist“, so Prof. Dolle. „Ist es die Anspielung an ein kosmopolitisches Gedächtnis, das als ‚travelling memory‘ Veränderungen erfährt, ein Usus aufgrund anderer sprachlicher Tradition oder eine Verflechtung von beidem?“ Ihre Forschung konzentriert sich auf die Situation in Kolumbien seit den 1980er-Jahren. Sie untersucht, wie kolumbianische Schriftstellerinnen und Schriftsteller in ihren Büchern im Anschluss daran den internen Konflikt und die Gewalt beschrieben haben und ob sie dabei den europäischen Holocaust als Vergleich herangezogen haben. Zudem erforscht sie, wie der europäische Holocaust auf eine außereuropäische Gesellschaft wie Kolumbien wirkt, die selbst von Gewalt betroffen ist. „Die Untersuchung soll zeigen, wie der Begriff Holocaust in einem Land wie Kolumbien interpretiert und als Referenz benutzt wird“, erläutert Prof. Dolle.

    Bei den Ereignissen im November 1985 wurde der Justizpalast durch Beschuss von außen in Flammen gesetzt und es gab mehr als 100 Tote, unter anderem durch außergerichtliche Hinrichtungen von Menschen, die lebend aus dem Gebäude gekommen waren, durch das Militär. Die Verantwortlichkeiten und Hergänge der Ereignisse sind bislang nicht vollständig geklärt. Bis heute werden noch zehn Menschen vermisst. „Es ist nach wie vor eine offene Wunde, das wurde jetzt in Bogotá bei den Erinnerungsfeiern auf politischer Ebene und den Aktivitäten der Zivilgesellschaft deutlich“, sagt Prof. Dolle.

    Das Projekt läuft noch bis September 2027. Darin eingebunden ist auch der renommierte kolumbianische Politologe und Schriftsteller Mauricio García Villegas. Er war im Oktober auf Einladung von Prof. Dolle als Fellow am Institut für Romanistik der JLU, wo er unter anderem einen Vortrag zur Rolle von Emotionen in einer zerrissenen, stark von Konflikten und Gegensätzen geprägten Gesellschaft wie der kolumbianischen gehalten hat. Dem Vortrag folgte ein Podiumsgespräch zusammen mit Prof. Dr. Stefan Peters, Professur für internationale Beziehungen und Friedensforschung an der JLU und Leiter des Deutsch-kolumbianischen Friedensinstituts CAPAZ.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Verena Dolle
    Institut für Romanistik
    Telefon: 0641 99-31150
    E-Mail: verena.dolle@romanistik.uni-giessen.de


    Bilder

    „Resuena el holocausto – Der ‚holocausto‘ hallt nach“: Ausstellung im neuen, an gleicher Stelle erbauten Justizpalast in Bogotá zu den Ereignissen im November 1985.
    „Resuena el holocausto – Der ‚holocausto‘ hallt nach“: Ausstellung im neuen, an gleicher Stelle erba ...
    Quelle: Verena Dolle


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    „Resuena el holocausto – Der ‚holocausto‘ hallt nach“: Ausstellung im neuen, an gleicher Stelle erbauten Justizpalast in Bogotá zu den Ereignissen im November 1985.


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