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24.11.2025 21:00

Neues tropisches Klimamuster entdeckt

Veronika Oleksyn Communications, Events and Science Education
Institute of Science and Technology Austria

    Jamaika und die Philippinen sind jüngste Beispiele, wie tropische Wirbelstürme enorme Zerstörungen anrichten können. Präzise Wettervorhersagen, die auf einem tieferen Verständnis der Klimasysteme basieren, sind entscheidend für die Vorbereitung auf solche Naturkatastrophen und für die Rettung von Menschenleben. Um dies voranzutreiben, haben Forschende des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) und Kolleg:innen eine historische Neuauswertung von Datensätzen und Satellitenbeobachtungen vorgenommen. Dabei konnten sie ein bisher unbekanntes zyklisches Klimamuster identifizieren. Die Ergebnisse wurden in PNAS veröffentlicht.

    Jiawei Bao erinnert sich noch gut daran, wie er nach der Schule heimkam und der Wetterbericht im Fernsehen lief. Von Heilongjiang im Norden Chinas bis zur tropischen Insel Hainan im Süden verdeutlichte die Sendung die extremen Wetterunterschiede im Land – von eisiger Kälte bis zu angenehmer Wärme im Winter, ein Temperaturunterschied von 50° C. „Mich hat es schon immer fasziniert, wie solche großen Unterschiede vorhergesagt werden“, so Bao. Diese früh geweckte Neugierde trieb ihn dazu, eine Karriere in der Klimawissenschaft einzuschlagen.

    Bao ist inzwischen Postdoktorand in Caroline Mullers Forschungsgruppe am ISTA, wo er mithilfe von Physik und Mathematik grundlegende Fragen der Klimawissenschaft untersucht. Sein Ziel: Klimaprozesse und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen besser verstehen.

    Bao hat nun eine neue Art von Klimaschwankungen in den Tropen entdeckt. Die „tropics-wide intraseasonal oscillation“, kurz TWISO, ist ein wiederkehrendes Muster, das sich über mehrere Wochen erstreckt und sich in tropischen Regionen mit Niederschlägen, Wolken und Wind zeigt. Gemeinsam mit Muller, Sandrine Bony vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) an der französischen Sorbonne-Universität und Daisuke Takasuka von der japanischen Tohoku-Universität wurde die Entdeckung nun im Journal PNAS publiziert.

    Das ABC der atmosphärischen Zirkulation

    Veränderungen in der atmosphärischen Zirkulation sind ein zentraler Aspekt dieser neu entdeckten Oszillation. Obwohl atmosphärische Zirkulation und Oszillation komplexe Phänomene sind, beeinflussen sie unser tägliches Leben durch Wind, Wetterschwankungen und den Wechsel der Jahreszeiten. In extremen Fällen sind ihre Auswirkungen tropische Stürme wie Hurrikans, Taifune und Zyklone. Diese Stürme können verheerende Folgen haben, wie etwa der Hurrikan Melissa in der Karibik oder der Taifun Kalmaegi, der auf den Philippinen schwere Schäden verursachte und Todesopfer forderte, bevor er Vietnam erreichte.

    „Atmosphärische Zirkulation bezeichnet die großräumige Bewegung von Luft, bei der Energie, Impuls und Masse von einem bestimmten Ort zu einem anderen transportiert werden“, erklärt Bao. In tropischen Regionen, so Bao, ist die Hadley-Zirkulation das primäre Nord-Süd-Zirkulationsmuster. Sie ist gekennzeichnet durch aufsteigende Luft am Äquator und absinkende Luft in den Subtropen. Im Gegensatz dazu ist die Walker-Zirkulation das vorherrschende West-Ost-Zirkulationsmuster im äquatorialen Pazifik, mit aufsteigender Luft über dem westlichen Pazifik und dem maritimen Kontinent (Indonesien, Malaysia und Pazifikinseln) und absinkender Luft über dem östlichen Pazifik.

    Oszillation als riesiges Pendel

    Neben atmosphärischen Zirkulationen sind auch Klimaoszillationen entscheidend für das Klima in tropischen Regionen. Sie sind Schwankungen innerhalb von Klimasystemen, die von einigen Wochen bis hin zu Jahrtausenden reichen können. „Man kann sich eine Oszillation wie ein riesiges Pendel vorstellen, das hin und her schwingt. Wenn es in die eine Richtung schwingt, kann es zu wärmeren und feuchteren Bedingungen kommen. Wenn es in die andere Richtung schwingt, kann es zu kühlerem und trockenerem Wetter führen“, erklärt Bao.

    Oft sind Oszillationen die Ursache für extreme Wetterbedingungen. Ein Paradebeispiel ist die El-Niño-Süd-Oszillation, die über Zeiträume von zwei bis sieben Jahren oszilliert und in ihren verschiedenen Phasen in verschiedenen Teilen der Welt extremes Wetter hervorruft.
    Bao und seine Kolleg:innen haben nun ein neues Oszillationssystem entdeckt, das als „tropics-wide intraseasonal oscillation“ (TWISO) bezeichnet wird. Die Oszillation existiert schon lange, wurde jedoch erst jetzt erkannt.

    TWISO: Lange Zeit unerkannt, nun entdeckt

    Die Wissenschafter:innen identifizierten TWISO mithilfe von Satellitenbeobachtungen und der Neuauswertung von Datensätzen, die von führenden Forschungseinrichtungen entwickelt und der weltweiten Wissenschaftsgemeinschaft offen zugänglich gemacht wurden.

    Bao nutzte beispielsweise den ERA5-Datensatz, der vom European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF) bereitgestellt wird. Dieser Datensatz repräsentiert die fünfte Generation der globalen Klima- und Wetterreanalyse seit 1940. Ergänzt wurden diese Informationen durch Daten aus Satellitenbeobachtungen der NASA Clouds und des Earth‘s Radiant Energy System (CERES).

    „TWISO ist ein natürliches Phänomen, das schon immer existiert hat, aber erst kürzlich in unserer Arbeit durch die Analyse historischer Beobachtungen und Reanalyse-Daten identifiziert wurde“, erklärt Bao. „Das charakteristische Merkmal von TWISO ist seine tropenweite Kohärenz. Dabei handelt es sich um eine großräumige Oszillation, die den gesamten tropischen Gürtel umfasst, mit Schwankungen, die auf intrasaisonalen Zeitskalen von etwa 30 bis 60 Tagen auftreten.“

    Der Puls der tropischen Atmosphäre

    Während jedes Zyklus der Oszillation variieren verschiedene Komponenten des tropischen Klimasystems auf synchronisierte Weise. Darunter auch die atmosphärische Temperatur, die Meeresoberflächentemperatur, der Wind und die Strahlung. In diesem Sinne kann TWISO als der „Puls“ der tropischen Atmosphäre betrachtet werden.

    Eines der Hauptelemente von TWISO ist die Variabilität der Konvektion, also der Prozess der Wärmeübertragung durch eine Flüssigkeit oder ein Gas, über dem sogenannten „Wärme-Pool“. Diese Region umfasst den westlichen Pazifik und den maritimen Kontinent, wo die Meeresoberflächentemperaturen zu den höchsten der Welt zählen. Dieser Wärme-Pool ist ein Hotspot intensiver und anhaltender Gewitter, die den Ozean und die Atmosphäre eng miteinander verbinden.

    „Wir haben festgestellt, dass die Konvektion in dieser Region starke Zyklen der Intensivierung und Abschwächung durchläuft. Das spielt eine zentrale Rolle dabei, den Rhythmus für das gesamte tropische Klimasystem festzulegen, damit es gemeinsam oszilliert“, erklärt Bao.

    Grundlage für bessere Wettervorhersagen?

    Bao und seine Kolleg:innen weisen darauf hin, dass die Auswirkungen von TWISO auf das regionale Wetter noch ungewiss sind. Wie bereits andere Oszillationen stellt TWISO eine Abweichung vom Normalzustand dar, die häufig zu extremen Wetterereignissen führen kann. Bao betont, dass während einer bestimmten Phase von TWISO die Meeresoberflächentemperaturen ansteigen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit von Zyklonen.

    Angesichts der jährlichen Bedrohung durch tropische Stürme sind genaue Wettervorhersagen von entscheidender Bedeutung, um Menschenleben und deren Grundlagen zu schützen, Evakuierungen zu planen und Katastrophenschutzmaßnahmen vorzubereiten. Dennoch bleibt die Vorhersage des tropischen Wetters ein bis zwei Monate im Voraus eine große Herausforderung. Da TWISO über einen Zeitraum von 30 bis 60 Tagen konsistenten Mustern folgt, bietet es aber die Möglichkeit, die Vorhersagbarkeit innerhalb dieses Zeitraums zu verbessern.

    „Ein gutes Verständnis von TWISO könnte uns befähigen, die Entstehung tropischer Wirbelstürme besser vorherzusagen. Damit könnten wir Frühwarnungen ausgeben und dazu beitragen, die Risiken und Schäden eines Sturms zu minimieren. Das wollen wir in künftigen Forschungen untersuchen werden“, erklärt Bao.

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    Projektförderung:

    J. Bao wurde durch Mittel aus dem „European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme“ im Rahmen des Marie Skłodowska-Curie Grants (Grant agreement No. 101034413) unterstützt. C. Muller dankt dem ERC für die Förderung im Rahmen des „European Union’s Horizon 2020 research and innovation program“ (Project CLUSTER, grant agreement No. 805041).


    Originalpublikation:

    J. Bao, S. Bony, D. Takasuka & C. Muller. 2025. Tropics-wide intraseasonal oscillations. PNAS.

    https://doi.org/10.1073/pnas.2511549122


    Weitere Informationen:

    https://www.ist.ac.at/en/research/muller-group/ Forschungsgruppe "Dynamische Prozesse in Atmosphäre und Ozean" am ISTA


    Bilder

    Jiawei Bao. Der Klimawissenschaftler und Postdoktorand in der Gruppe von Caroline Muller am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) nutzt Physik und Mathematik, um grundlegende Fragen der Klimawissenschaft zu untersuchen.
    Jiawei Bao. Der Klimawissenschaftler und Postdoktorand in der Gruppe von Caroline Muller am Institut ...
    Quelle: © ISTA
    Copyright: © ISTA

    Caroline Muller. ISTA-Professorin Caroline Muller forscht im Bereich der geophysikalischen Strömungsdynamik und Klimawissenschaft und konzentriert sich dabei auf Themen wie extreme Niederschläge und die physikalische Organisation tropischer Wolken.
    Caroline Muller. ISTA-Professorin Caroline Muller forscht im Bereich der geophysikalischen Strömungs ...
    Quelle: © ISTA
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    Anhang
    attachment icon TWISO. Oben: Tropics-wide intra seasonal oscillation (TWISO): Zeitreihe tropischer Mittelwerte über intrasaisonale Zeitskalen. Unten: Schematische Darstellung von TWISO in Phase 1 und Phase 3.

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Jiawei Bao. Der Klimawissenschaftler und Postdoktorand in der Gruppe von Caroline Muller am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) nutzt Physik und Mathematik, um grundlegende Fragen der Klimawissenschaft zu untersuchen.


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    Caroline Muller. ISTA-Professorin Caroline Muller forscht im Bereich der geophysikalischen Strömungsdynamik und Klimawissenschaft und konzentriert sich dabei auf Themen wie extreme Niederschläge und die physikalische Organisation tropischer Wolken.


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