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24.11.2025 12:02

Denken kostet Energie

Dr. Kristina Nienhaus Medien und News
Universität Bielefeld

    Wie stark beeinflusst unser Stoffwechsel das Denken? Dieser Überlegung ist der Wissenschaftsphilosoph Dr. Philipp Haueis von der Universität Bielefeld in einer aktuellen Veröffentlichung im Fachjournal „Behavioral and Brain Sciences“ nachgegangen. Gemeinsam mit seinem Co-Autoren David J. Colaço, PhD, von der Ludwig-Maximilians-Universität München beleuchtet Haueis, wie der Stoffwechsel des Gehirns unsere kognitiven Fähigkeiten beeinflusst, also Prozesse wie Gedächtnis, Wahrnehmung oder Aufmerksamkeit.

    „Wir wollten herausfinden, was passiert, wenn man die Energiefragen des Gehirns ernst nimmt“, sagt Haueis. „Das Gehirn ist kein abstrakter Computer, sondern ein Organ, das Energie braucht und Grenzen hat. Diese Grenzen beeinflussen, wie wir denken, erinnern und Entscheidungen treffen.“

    Das menschliche Gehirn macht nur etwa zwei Prozent der Körpermasse aus, verbraucht aber rund 20 Prozent der Energie. Trotz dieses hohen Verbrauchs arbeitet es viel effizienter als moderne Computer. Dennoch berücksichtigen viele wissenschaftliche Modelle, die erklären sollen, wie Wahrnehmung, Gedächtnis oder Aufmerksamkeit funktionieren, diese energetischen Bedingungen kaum. Genau hier setzt die Studie an.

    Stoffwechsel als Schlüssel zu realistischen Denkmodellen
    Die Forschenden zeigen, dass der Stoffwechsel, also alle chemischen Prozesse, die Energie im Körper bereitstellen und verbrauchen, zwei zentrale Rollen in der Erforschung des Denkens spielt. Erstens kann er helfen zu prüfen, ob bestehende kognitive Modelle (also theoretische Beschreibungen geistiger Prozesse) überhaupt biologisch plausibel sind. Denn jedes Modell, das mehr Energie voraussetzt, als das Gehirn bereitstellen kann, ist unrealistisch. Zweitens kann Wissen über den Metabolismus genutzt werden, um neue Modelle zu entwickeln. Diese eröffnen Einblicke in bislang unbeachtete Zusammenhänge zwischen Gehirnstruktur und Informationsverarbeitung. Etwa, wie neuronale Netzwerke Energie nutzen, um effizient zu lernen.

    Ein Aufruf zum interdisziplinären Denken
    Die Veröffentlichung ist die erste, die systematisch zusammenfasst, wie Erkenntnisse über den Stoffwechsel für die Modellierung geistiger Prozesse genutzt werden können und warum das philosophisch notwendig ist. Durch das sogenannte „Open Peer Commentary“-Format des Journals, bei dem Forschende aus verschiedenen Disziplinen öffentlich Stellung nehmen, soll nun eine breite Debatte entstehen.

    Diese Debatte betrifft nicht nur Fachkreise. Die Studie hat weitreichende Folgen für das Verständnis von geistiger Anstrengung, von Berechnung im Gehirn (in der Philosophie „computation“ genannt) und für die Frage, wie künstliche Intelligenz im Vergleich zu biologischer Intelligenz funktioniert.

    „Wenn wir verstehen, dass Denken Energie kostet, verstehen wir auch besser, warum Aufmerksamkeit begrenzt ist und warum maschinelles Lernen ohne biologische Beschränkungen andere Wege geht“, sagt Haueis. Damit liefert die Arbeit nicht nur einen Beitrag zur Grundlagenforschung, sondern auch Impulse für aktuelle gesellschaftliche Diskussionen über KI, Energieeffizienz und das Wesen von Intelligenz selbst.

    Die Studie entstand im Rahmen des Institute for Studies of Science (ISoS) an der Universität Bielefeld, das im Mai 2025 den Status einer zentralen wissenschaftlichen Einrichtung erhalten hat. Das ISoS bündelt die interdisziplinäre Erforschung von Wissenschaft, Medizin und Technik und untersucht, wie wissenschaftliche Praktiken in gesellschaftliche Zusammenhänge eingebettet sind.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Philipp Haueis, Universität Bielefeld
    Abteilung Philosophie
    Telefon 0521 106-4585
    E-Mail: philipp.haueis@uni-bielefeld.de


    Originalpublikation:

    Originalpublikation (Preprint): Philipp Haueis und David J. Colaço, PhD: Metabolic considerations for cognitive modeling. Behavioral and Brain Sciences. DOI: https://doi.org/10.1017/S0140525X25103956 Veröffentlicht am 18.11.2025.


    Weitere Informationen:

    https://aktuell.uni-bielefeld.de/2025/11/24/denken-kostet-energie/ Blogbeitrag auf der Website der Universität Bielefeld
    https://www.uni-bielefeld.de/zwe/isos/ Das Institute for Studies of Science (ISoS)


    Bilder

    Dr. Philipp Haueis ist Wissenschaftsphilosoph an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld.
    Dr. Philipp Haueis ist Wissenschaftsphilosoph an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophi ...
    Quelle: Vreni Jäckle
    Copyright: Vreni Jäckle


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Chemie, Gesellschaft, Informationstechnik, Kulturwissenschaften, Philosophie / Ethik
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Dr. Philipp Haueis ist Wissenschaftsphilosoph an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld.


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