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24.11.2025 13:15

Warum manche Vulkane nicht explodieren

Franziska Schmid Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

    Eine neue Studie zeigt, dass sich Gasblasen im aufsteigenden Magma nicht nur durch Druckabfall, sondern auch durch Scherkräfte bilden können. Wenn diese Gasblasen früh im Vulkanschlot wachsen und sich miteinander verbinden, können Entlüftungskanäle entstehen. Dies könnte erklären, warum einige Vulkane manchmal nicht explodieren. Mit ihrer Arbeit liefern die Forschenden einen neuen Schlüssel, um Prozesse im Inneren aktiver Vulkane besser zu verstehen und präziser einschätzen zu können, wie Vulkane ausbrechen.

    Wie explosiv ein Vulkan ausbricht, hängt davon ab, wie viele Gasblasen sich im Magma bilden – und wann. Bisher galt: Gasblasen entstehen vor allem dann, wenn beim Aufstieg des Magmas der Umgebungsdruck sinkt. Gase, die auf Grund des hohen Drucks in tieferen Erdschichten im Magma gelöst waren, entweichen bei geringerem Druck und bilden Blasen. Je mehr Gasblasen sich im Magma befinden, desto leichter wird es und desto schneller steigt es nach oben. Dadurch kann das Magma auseinandergerissen werden, was zu einem explosiven Ausbruch führen kann.

    Dieser Vorgang lässt sich mit einer Sektflasche vergleichen: Solange diese geschlossen und damit unter Druck ist, ist das Kohlendioxid gelöst. Öffnet man nun den Korken der Flasche, sinkt der Druck und das Kohlendioxid bildet Blasen. Diese ziehen die Flüssigkeit nach oben und lassen sie explosiv aus der Flasche spritzen.

    Doch diese Erklärung ist unvollständig: Denn manche Vulkane wie der Mount St. Helens im US-Bundesstaat Washington oder der chilenische Vulkan Quizapu sind trotz hochexplosivem Magma mit hohem Gasanteil manchmal auch ruhig ausgeflossen. Für dieses Rätsel, das Vulkanolog:innen seit Langem beschäftigt, liefert ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der ETH Zürich nun eine neue Erklärung.

    Scherung als neuer Faktor

    In einem kürzlich in der Fachzeitschrift Science erschienen Artikel zeigen die Forschenden, dass sich Gasblasen im aufsteigenden Magma nicht nur durch Druckabfall, sondern auch durch Scherkräfte bilden können. Wenn diese Gasblasen tief im Vulkanschlot wachsen, können sie sich miteinander verbinden, wodurch Entlüftungskanäle entstehen. Gas kann dann schon frühzeitig entweichen, und das Magma fliesst beim Ausbruch ruhig aus.

    Man kann sich die Scherkräfte im Magma wie das Rühren in einem Glas Honig vorstellen: Der Honig bewegt sich dort schneller, wo man mit dem Löffel rührt. Am Rand des Glases, wo die Reibung höher ist, bewegt er sich langsamer. Im Vulkanschlot passiert etwas Ähnliches: Das Magma bewegt sich am Rande des Schlots, wo die Reibung am grössten ist, langsamer als im Inneren. Dadurch wird die Gesteinsschmelze regelrecht geknetet, wodurch Glasblasen entstehen.

    «Wir konnten experimentell nachweisen, dass die durch Scherkräfte erzeugte Bewegung im Magma ausreicht, um Gasblasen zu bilden – selbst ohne Druckabfall», erklärt Olivier Bachmann, ETH-Professor für Vulkanologie und magmatische Petrologie und einer der Autoren der Studie. Die Experimente der Forschenden zeigen, dass Blasen vor allem in der Nähe der Ränder eines Vulkanschlots entstehen, wo die Scherkräfte am stärksten sind. Bereits vorhandene Blasen verstärken diesen Effekt zusätzlich. «Je mehr Gas im Magma enthalten ist, desto weniger Scherkraft ist für die Blasenbildung und das Blasenwachstum erforderlich», sagt Bachmann.

    Warum explosive Vulkane doch nicht explodieren

    Gemäss den neuen Erkenntnissen könnte ein Magma mit geringem Gasgehalt, das scheinbar nicht explosiv ist, dennoch zu einer heftigen Eruption führen, wenn sich durch eine starke Scherung viele Blasen bilden und das Magma dadurch schnell nach oben schiesst.

    Umgekehrt können Scherkräfte aber auch dazu führen, dass sich Blasen in einem gasreichen und potenziell explosiven Magma frühzeitig bilden und miteinander verbinden. Dadurch entstehen im Magma Entlüftungskanäle, die den Gasdruck senken. «Damit können wir erklären, warum manche zähflüssige Magmen trotz ihres hohen Gasgehalts ruhig ausfliessen, anstatt zu explodieren – ein Rätsel, das uns seit Langem beschäftigt», sagt ETH-Professor Bachmann.

    Ein Beispiel dafür ist der Ausbruch des Mount St. Helens im Jahr 1980. Obwohl das Magma reich an Gas und damit potenziell explosiv war, begann dieser mit der Bildung eines sehr langsamen Lavastroms innerhalb des Vulkankegels. Die starken Scherkräfte, die auf das Magma wirkten, erzeugten zusätzliche Gasblasen, die anfänglich eine Entlüftung ermöglichten. Erst als ein Erdrutsch den Vulkanschlot weiter öffnete und es zu einem rapiden Druckabfall kam, explodierte der Vulkan. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass viele Vulkane mit zähflüssigen Magmen Gase effizienter entweichen lassen als bisher gedacht.

    Spezielles Laborexperiment durchgeführt

    Um die Prozesse im Inneren eines Vulkans sichtbar zu machen, entwickelten die Forschenden ein spezielles Experiment: Sie verwendeten eine zähe Flüssigkeit, die geschmolzenem Gestein gleicht, und sättigten sie mit dem Gas Kohlendioxid.

    Anschliessend beobachteten sie, was passiert, wenn die lavaähnliche Flüssigkeit durch Scherung in Bewegung gesetzt wird. Sobald die Scherkräfte einen bestimmten Schwellenwert überschritten, entstanden in der Flüssigkeit plötzlich Gasblasen. Je höher die anfängliche Gasübersättigung, desto geringer war die benötigte Scherung, um weitere Gasblasen zu bilden. Die Forschenden stellten ausserdem fest, dass die Anwesenheit bereits vorhandener Blasen die Bildung weiterer Blasen in ihrer unmittelbaren Umgebung begünstigte.

    Die Forschenden kombinierten diese Beobachtungen mit Computersimulationen von Vulkanausbrüchen. So konnten sie zeigen, dass dieser Effekt besonders in jenen Bereichen auftreten dürfte, in denen zähflüssige Magma an den Wänden eines Vulkanschlots entlangfliesst und dabei stark geschert wird.

    Mit ihrer Arbeit liefern die Forschenden einen neuen Schlüssel, um Prozesse im Inneren aktiver Vulkane besser zu verstehen und präziser einschätzen zu können, wie Vulkane ausbrechen. «Um zu besseren Vorhersagen über das Gefahrenpotenzial von Vulkanen zu gelangen, müssen wir unsere Vulkanmodelle aktualisieren und Scherkräfte berücksichtigen», sagt Olivier Bachmann, Professor für Vulkanologie an der ETH Zürich und Mitautor der Studie.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Olivier Bachmann, ETH Zürich, olivier.bachmann(at)eaps.ethz.ch


    Originalpublikation:

    Roche O, Andanson J, Dequidt A, Huber C, Bachmann O, Pinel D: Shear-induced bubble nucleation in magmas, Science, 6. November 2025, doi: 10.1126/science.adw8543


    Weitere Informationen:

    https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2025/11/warum-manche-v...


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Chemie, Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Kooperationen
    Deutsch


     

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