idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
25.11.2025 08:58

Nasales Mikrobiom: Ressourcenknappheit als Chance

LMU Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Potenziell gefährliche Staphylokokken konkurrieren in der menschlichen Nasenhöhle mit anderen Bakterien um Biotin. Das könnte neuer Ansatzpunkt im Kampf gegen die Keime sein.

    In unserer Nase lebt eine Gemeinschaft von Mikroorganismen, die neben harmlosen Keimen auch potenziell gefährliche enthalten kann. Vor allem das Bakterium Staphylococcus aureus ist berüchtigt, zumal manche Stämme umfassende Antibiotikaresistenzen ausgebildet haben und die von ihnen ausgelösten schwerwiegenden Infektionen teilweise nicht mehr behandelbar sind. Damit gehört das Bakterium zu den gefürchteten „Krankenhauskeimen“.

    Etwa ein Drittel der Menschen beherbergt S. aureus und trägt somit ein Bakterium in seiner Nase, das unter Umständen pathogen, also krankmachend, ist. Ob es sich dort wohlfühlt, hängt allerding sehr von seinen harmloseren Mitbewohnern ab, den sogenannten Kommensalen. Solche nicht krankmachenden Bakterien können sowohl wachstumsfördernde als auch hemmende Einflüsse auf S. aureus ausüben.

    Wie eine kürzlich im ISME Journal veröffentlichte Studie nun zeigt, spielt Konkurrenz im nährstoffarmen Lebensraum Nase dabei eine große Rolle. „Es gibt einen aktiven Wettkampf zwischen S. aureus und nasalen Kommensalen um das Vitamin Biotin, der die Fitness von S. aureus beeinflusst“, erklärt Simon Heilbronner, Professor für Mikrobiologie am Biozentrum der LMU und Leiter der Studie. Der Infektionsbiologe und sein Team untersuchten, welche molekularen Mechanismen solchen Interaktionen zwischen S. aureus und seinen Kommensalen zugrunde liegen.

    Biotin ist für alle Lebewesen existenziell wichtig, weil es als Kofaktor für Enzyme fungiert und damit unentbehrlich für verschiedene Stoffwechselpfade ist, darunter die Gluconeogenese, die Fettsäuresynthese und der Abbau von Aminosäuren. Der menschliche Körper kann die Substanz nicht selbst herstellen und muss sie mit der Nahrung aufnehmen, weshalb die Konzentration im Gewebe generell niedrig bleibt. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Biotin auch in der Nasenhöhle nur sehr begrenzt verfügbar ist und dass ein Mangel das Wachstum und die Funktionalität der Zellmembran von S. aureus negativ beeinträchtigen“, erläutert Simon Heilbronner.

    Das Bakterium kann zwar – ebenso wie einige seiner Kommensalen – auch selbst Biotin produzieren, die Synthese verbraucht jedoch sehr viel Energie und über Prozesse an der Zellmembran gehen zudem stetig gewisse Mengen des Vitamins unfreiwillig wieder verloren. „Alle untersuchten nasalen Bakterienstämme verfügen daher über sehr effektive molekulare Mechanismen für die Aufnahme des Vitamins.“ Ein entscheidender Faktor angesichts der um diese wichtige Substanz herrschenden Konkurrenz.

    Hinzu kommt, dass manchen Bakterien – vor allem Koagulase-negative Staphylokokken –stark auf Nachbarn angewiesen sind, die Biotin produzieren können, weil ihnen selbst diese Fähigkeit gänzlich fehlt. Sie zehren also von der Produktion anderer und haben damit Einfluss auf die Menge verfügbaren Biotins im Lebensraum Nase. So bleibt das Vitamin Mangelware und damit ein limitierender Faktor für das Wachstum.

    „Wir konnten zeigen, dass Biotin die Wechselbeziehungen zwischen den Arten des menschlichen Nasenmikrobioms stark beeinflusst und sowohl für Konkurrenz als auch für gegenseitige Abhängigkeiten sorgt“, so Heilbronner. „Trotz seiner Fähigkeit, selbst Biotin zu produzieren, ist S. aureus darauf angewiesen, zusätzlich Biotin aus der Umwelt aufzunehmen, um optimal wachsen zu können.“

    Das wäre ein möglicher Ansatzpunkt bei der Bekämpfung multiresistenter Keime: „Man könnte gezielt Probiotika bestehend aus Kommensalen entwickeln, die S. aureus nicht mit Biotin versorgen, sondern ihm Konkurrenz machen. Und neue Wirkstoffe nutzen, die die Synthese oder Aufnahme von Biotin blockieren. Damit sollte sich S. aureus aus der Nase vertreiben lassen.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Simon Heilbronner
    Fakultät für Biologie
    Ludwig-Maximilians-Universität München
    Tel.: +49 89 2180 74611
    E-Mail: simon.heilbronner@lmu.de


    Originalpublikation:

    Kevser Bilici, David Gerlach, Laura Camus & Simon Heilbronner: Competitive fitness of Staphylococcus aureus against nasal commensals depends on biosynthesis and acquisition of biotin. The ISME Journal 2025.
    https://doi.org/10.1093/ismejo/wraf248


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).