STI-Experten warnen vor Wiedererstarken einer HIV-Epidemie
Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) und die Deutsche STI Gesellschaft (DSTIG) weisen anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember darauf hin, dass infolge des Rückzugs der USA aus globalen Gesundheits- und Entwicklungsprojekten und Kürzungen anderer Geberländer jetzt bereits zahlreiche Programme der HIV-Prävention und -Behandlung eingeschränkt werden mussten. Für Millionen HIV-infizierte Menschen vor allem im Globalen Süden bedeutet dies, dass sie nicht mehr ausreichend therapiert werden können, was lebensbedrohliche Folgen hat. Zudem steht ein Anstieg der HIV- und Aidserkrankungszahlen zu befürchten.
Am 1. Dezember findet der Welt-Aids-Tag statt, der in diesem Jahr unter dem Motto „Rethink. Rebuild. Rise.“ steht. Diese Aufforderung „neu zu denken, wiederaufzubauen und aufzustehen“ richtet sich an Menschen mit HIV, Forschende, Politikerinnen und Politiker, Health Professionals und Medienvertreter, um gemeinsam Antworten auf die neuen Herausforderungen bei der Bekämpfung von HIV und Aids zu finden. „Dieser Appell ist angesichts der tiefgreifenden Veränderungen in der Finanzierung und Organisation der weltweiten HIV-Projekte bitter nötig. Wir müssen auch als Europäerinnen und Europäer die bisherigen Strategien prüfen und über neue Strukturen und Finanzierungen nachdenken“, sagt Prof. Dr. med. Norbert Brockmeyer, Präsident der DSTIG. Aus Sicht des Dermatologen und STI-Experten ist die Bedeutung des Rückzugs der US-amerikanischen Regierung aus den globalen HIV-Programmen noch nicht im Bewusstsein der Menschen angekommen.
Finanzierung von weltweiten HIV/AIDS-Programmen gekürzt
Die USA haben seit Anfang 2025 ihre Finanzierungszusagen für HIV/AIDS-Programme in vollem Umfang zurückgezogen. Es geht vor allem um Programme, die bisher im Rahmen des „President’s Emergency Plan for AIDS Relief“ (PEPFAR) und über die United States Agency for International Development (USAID) weltweit gefördert wurden. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen zu HIV/AIDS (UNAIDS) wird sich dies auf die HIV-Prävention, HIV-Diagnostik und HIV-Behandlung vor allem in den Ländern des Globalen Südens auswirken. Das UNAIDS-Budget betrug 2024 rund 220 Millionen Dollar und wurde gut zur Hälfte von den USA finanziert.
Aber auch andere Länder beschränken ihre Unterstützung für weltweite Gesundheitsprogramme wie den Global Fund. So hat Großbritannien Anfang November seinen Beitrag zu dieser globalen Initiative zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria um 15 % gekürzt und jetzt 850 Millionen Pfund (1,14 Milliarden Dollar) zugesagt. Begründet wird dies mit gestiegenen Rüstungsausgaben. Einige der größten Geldgeber haben bereits Zusagen an den Globalen Fonds gemacht: Deutschland hat im Oktober eine Milliarde Euro zugesagt, 300 Millionen Euro weniger als im letzten Finanzierungszyklus. Die Gates Foundation bleibt bei ihrer Unterstützung mit 912 Millionen Dollar.
„Wir können jetzt schon abschätzen, dass mit dem Wegfall der US-Gelder und Kürzungen anderer Länder das Leben von Millionen Menschen auf dem Spiel steht. HIV-Infizierte, die mit entsprechender medikamentöser Versorgung sehr gute Chancen hatten, mit ihrer Erkrankung zu leben, erhalten dann keine antiretroviralen Medikamente“, betont Brockmeyer und verweist auf eine von UNAIDS veröffentlichte Modellierung aus dem Frühjahr 2025. Die dauerhafte Einstellung der derzeit von PEPFAR unterstützten HIV-Programme (einschließlich Behandlung und Prävention) könnte demnach zwischen 2025 und 2029 dazu führen, dass es zu 6,6 Millionen zusätzlichen HIV-Neuinfektionen käme. 4,2 Millionen zusätzliche AIDS-bedingte Todesfälle wären die Folge.
Die neue Politik der USA und ihr Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (wirksam ab 22. Januar 2026) hat nicht nur Auswirkungen auf die weltweiten Programme gegen HIV/AIDS. Auch Tuberkulose und Malaria sowie Impfpräventionsangebote fallen diesen Entwicklungen zum Opfer. In manchen Ländern mit schwachen Gesundheitssystemen wurden durch PEPFAR nicht nur Medikamente finanziert, sondern auch Gehälter von weltweit über 270.000 medizinischen Fachkräften. Organisationen mussten ihre Arbeit einschränken oder ganz einstellen.
„Ohne eine verlässliche Versorgung der Betroffenen und eine wirksame Prävention kann sich das HIV-Virus wieder stärker ausbreiten“, ergänzt Prof. Dr. med. Silke Hofmann, Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal und Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit der DDG. Es brauche nicht viel Fantasie, um abzuleiten, was eine solche erstarkte HIV-Epidemie auch für die Gesundheitssysteme hierzulande bedeute, so die Expertin.
Auch auf dem „World Health Summit“ im Oktober 2025 in Berlin wurde das Thema aufgegriffen und über innovative Finanzierungsmöglichkeiten für eine nachhaltige Gestaltung der Gesundheitssysteme afrikanischer Länder diskutiert. Dabei wurde die Zusammenarbeit zwischen afrikanischen Staaten untereinander sowie der Ausbau von Partnerschaften mit anderen internationalen Akteuren wie der Europäischen Union, den Vereinten Nationen und regionalen Organisationen in den Blick genommen.
Einen Hoffnungsschimmer in Bezug auf die Haltung der USA sieht Brockmeyer in der Nachricht, dass die US-Regierung trotz der massiven Kürzungen bei den Hilfsprogrammen jetzt doch ein internationales Programm für den kostengünstigen Zugang zu dem Vorbeugemedikament Lenacapavir mittragen will. Der Hersteller des Medikaments Gilead Sciences hat zugesagt, im Kontext einer Partnerschaft mit der US-Regierung Yeztugo (so der Handelsname) zum Selbstkostenpreis zu liefern. Mindestens zwei Millionen Menschen sollen davon profitieren können. Es ist noch nicht entschieden, welche Länder in das Förderprogramm aufgenommen werden.
Zum Welt-Aids-Tag:
Der Aktionstag wurde 1988 ins Leben gerufen und findet jedes Jahr am 1. Dezember statt. Zu seinen Zielen gehört es, die Rechte der HIV-positiven Menschen weltweit zu schützen und durch Aufklärung Vorurteile abzubauen und Ausgrenzung zu verhindern. Weltweit leben etwa 41 Millionen Menschen mit HIV. Das Motto 2025 lautet: „Rethink. Rebuild. Rise.“ („Neu denken. Wiederaufbauen. Aufstehen.“)
Quellen:
Estimating the potential impact of HIV response disruptions. Joint United Nations Programme on HIV/AIDS, UNAIDS. April 2025. https://www.unaids.org/sites/default/files/2025-04/JC3144_Estimates_Funding_cuts...
https://www.reuters.com/business/healthcare-pharmaceuticals/uk-pledges-850-milli...
https://www.tagesschau.de/ausland/un-aids-programm-us-hilfe-100.html
https://dserver.bundestag.de/btd/21/004/2100484.pdf
Kontakt:
Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit:
Prof. Dr. med. Silke Hofmann
Ansprechpartnerin Pressestelle:
Dagmar Arnold
- Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit -
Robert-Koch-Platz 7, 10115 Berlin
Tel.: +49 30 246 253-35
E-Mail: d.arnold@derma.de
https://www.welt-aids-tag.de, Webseite zum Aktionstag
https://www.derma.de, Webseite der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG)
https://www.derma-tagungen.de, Tagungswebseite zur KoPra 2026
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Kooperationen
Deutsch

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