Am 28. November überbieten sich die Anbieter beim „Black Friday“ mit Rabatten und Preisaktionen. Manuel Stegemann, Professor für Markt- und Werbepsychologie und Marketing an der HSBI, und seine Studierenden erklären, mit welchen Werbetricks die Händler arbeiten und wie man sich selbst vor unüberlegten Käufen schützen kann. Denn wer die psychologischen Tricks kennt, kann vielleicht ein wenig gelassener durch die Angebotsflut navigieren.
Bielefeld (hsbi). Wenn am 28. November der „Black Friday“ ausgerufen wird, verwandelt sich das Internet in einen gigantischen Marktplatz. Apps schicken Push-Nachrichten, Online-Shops werben mit exklusiven Deals und auf fast jeder Website ploppen Angebote auf, die „nur noch für kurze Zeit verfügbar“ sind. Wie lassen wir uns als Konsument:innen davon beeinflussen? Und weshalb ist gerade der Black Friday ein Paradebeispiel dafür, wie sehr Marketing unsere Entscheidungen steuern kann?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich Manuel Stegemann, Professor für Markt- und Werbepsychologie und Marketing an der Hochschule Bielefeld (HSBI). Gemeinsam mit seinen Studierenden im Studiengang Wirtschaftspsychologie untersucht er, welche Mechanismen und psychologischen Tricks hinter den Angeboten der Werbeindustrie stehen. Er sagt: Der Black Friday ist weniger eine Gelegenheit für besondere Schnäppchen, sondern vielmehr ein geschickt inszeniertes Event vieler Unternehmen, bei dem unsere psychologischen Schwachstellen in der Entscheidungsfindung besonders angesprochen werden. Die Angst, ein vermeintlich gutes Angebot zu verpassen, ist dabei einer der Hauptgründe für unüberlegte Käufe.
Unser Gehirn braucht Abkürzungen
Aber warum sind wir für überhaupt anfällig für Werbetricks? Prof. Stegemann: „Unsere Alltagswelt ist zu komplex, als dass wir alle Informationen erfassen und verarbeiten können. Daher arbeitet unser Gehirn mit Abkürzungen, in der Psychologie sprechen wir von sogenannten Heuristiken.“ Diese Abkürzungen funktionieren im Prinzip wie Faustregeln, die uns schnelle Entscheidungen ermöglichen. Und genau darauf baut die Werbung auf. „Die meisten Menschen halten sich selbst für eher vernünftig und sehen ihre Kaufentscheidungen als bewussten, reflektierten Prozess. Tatsächlich laufen die meisten Kaufentscheidungen aber viel irrationaler ab. Die Forschung hat über Jahrzehnte viele irrationale Einflüsse auf unsere Entscheidungen aufdeckt. Werbemaßnahmen bauen durch geschickte Darstellungen der Angebote auf diese Erkenntnisse auf, um uns damit zum Kauf zu überzeugen.“
1,99 Euro oder hohe Rabatte: der Anker-Effekt
Mit welchen psychologischen Tricks im Marketing gearbeitet wird und warum diese funktionieren, das lernen auch Stegemanns Studierenden in seinem Seminar „Marketing für Wirtschaftspsychologie“. „Ganz klassisch ist der sogenannte Anker Effekt“, erklärt Studentin Jule Marie Vaupel. Er basiert darauf, dass sich Menschen bei Bewertungen stark an Vergleichswerten orientieren. „Händler zeigen einen hohen ‚Originalpreis‘ oder eine dick durchgestrichene UVP und dieser Wert sitzt als Anker im Kopf. Der reduzierte Preis wirkt wie ein Schnäppchen, selbst wenn der Unterschied gar nicht so groß ist oder der Ausgangspreis vorher künstlich hochgesetzt wurde.“ Einen ähnlichen Effekt erzielt man übrigens auch durch klassische 1,99-Preise: Sie werden von links nach rechts wahrgenommen und setzen so einen niedrigen Anker, sodass der Betrag günstiger wirkt, obwohl er praktisch bei 2 Euro liegt. Kurz gesagt: Ein Ankerwert setzt den Ton, und alles danach fühlt sich günstiger an.
Countdowns suggerieren Knappheit
Noch stärker wirkt der Druck, der durch künstlich erzeugte Knappheit entsteht. Online lässt sich das besonders gut erzeugen: ‚Nur noch 1 Stück‘, heißt es dann, oder ‚14 Personen haben dieses Produkt im Warenkorb‘. Oder ein herunterlaufender Countdown wird gezeigt, der eine zeitliche Knappheit suggeriert. Student Gerrit Sander erklärt: „Die Sorge, man könne ein gutes Angebot verpassen, lässt viele Menschen impulsiver kaufen, als sie es außerhalb solcher Situationen tun würden. Dabei sprechen wir von der Verlustaversion, denn Verluste wirken für uns emotional schwerer als Gewinne.“ Die Strategie spielt also mit der „Angst“, dass das Angebot nur sehr begrenzt verfügbar ist, um zum impulsiven Kauf zu animieren.
„Der Black Friday ist sehr gehyped“
Stegemann weist daraufhin, dass diese Mechanismen natürlich nicht neu sind, beim Black Friday kommen derartige Werbeeinflüsse jedoch besonders gebündelt zusammen. „Der Tag wird sehr gehyped, es ist ein gemeinsam orchestriertes Event von allen Anbietern“, so der Professor. Im Internet sei es zudem noch viel einfacher, Kaufdruck zu erzeugen durch aufblinkende Pop-Ups oder Countdowns. Stegemann: „Online sind wir von sich stetig verändernden Angeboten, Anbietern und Produkten umgeben. Diese Dynamik wirkt auf viele Menschen überwältigend und ist mental kaum verarbeitbar. Menschen erfahren dadurch Stress und nutzen als Folge erst recht Entscheidungsheuristiken. Dadurch werden wir noch beeinflussbarer“.
Der Tipp der Expert:innen: Vorher eine Liste schreiben
Darum haben die Studierenden im Seminar auch diskutiert, wie man sich vor dieser Überreizung schützen kann. „Je klarer man seinen tatsächlichen Bedarf kennt, desto weniger anfällig ist man für Verlockungen“, sagt Studentin Clara Sälter. „Wenn ich mir vorher genau überlege, was ich brauche, und mir dieses in einem ruhigen Moment aufschreibe, treffe ich viel bessere Entscheidungen.“ Außerdem sollte man schon ein paar Wochen vorher die Preise im Blick haben. „Oft merkt man dann schnell, dass viele Rabatte gar nicht so hoch sind, weil die Preise vorher hochgeschraubt wurden“, so die Wirtschaftspsychologie-Studentin. Auch das Wissen, dass viele Rabatte regelmäßig zurückkehren, entlastet. Denn wer sich in einer emotional aufgeladenen Entscheidungssituation bewusst macht, dass ein Angebot in der Regel nicht einmalig ist, kann entspannter auf Käufe verzichten.
Veröffentlichung von Manuel Stegemann: „Konsumverhalten verstehen“
Die wissenschaftlichen Grundlagen hinter all diesen und viel mehr Mechanismen beschreibt Prof. Dr. Manuel Stegemann in seinem Buch „Konsumverhalten verstehen, beeinflussen und messen: Die Psychologie hinter effektivem Marketing“ ausführlich. Darin zeigt er anhand zahlreicher Beispiele, wie Konsumentscheidungen gelenkt werden. Das Buch richtet sich zwar primär an Menschen und Studierende in Marketing, Handel und Vertrieb, ist aber ebenso für all jene lesenswert und verständlich, die ihr eigenes Kaufverhalten reflektieren möchten.
Stegmann: „Im Studium vermitteln wir Heuristiken und Biases nicht, um angehende Fachkräfte mit „unfairen Tricks“ auszustatten, sondern erst einmal um grundsätzlich zu verstehen, wie Menschen überhaupt wahrnehmen, entscheiden und handeln. Dieses Wissen hilft einerseits, Kommunikation und Angebote so zu gestalten, dass sie sowohl verständlich als auch attraktiv sind. Ein ethischer Rahmen ist dabei zentral: Tricks, die mit Irreführung oder ähnlichem arbeiten, werden nicht gelehrt. Zugleich stärken derartige Inhalte die eigene Reflexionsfähigkeit: Wer typische Denk- und Verhaltensmuster kennt, kann bewusster wahrnehmen und entscheiden.“
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Copyright: J. Wunder/HSBI
Im Seminar „Marketing für Wirtschaftspsychologie“ lernen die Studierenden Gerrit Sander, Jule Marie ...
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
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