Die akute myeloische Leukämie (AML) mit NUP98-Fusionen (NUP98-r) ist eine aggressive Form von Blutkrebs. Sie wird durch eine chromosomale Umlagerung ausgelöst, bei der NUP98-Fusions-Onkoproteine entstehen. Bis jetzt gab es keine therapeutischen Strategien, um NUP98-Fusions-Onkoproteine direkt zu inaktivieren. Forscher:innen des CeMM, der Vet.Med. Uni Wien und der St. Anna Kinderkrebsforschung gelang nun ein Durchbruch: Mit dem Protein SPOP identifizierten sie einen direkten Regulator der Stabilität von NUP98-Fusions-Onkoproteinen und damit einen möglichen Ansatzpunkt für neue Therapien. Die Studie wurde in „Cell Reports“ (DOI: 10.1016/j.celrep.2025.116602 ) veröffentlicht.
Wenn Blutkrebs bei Kindern besonders aggressiv verläuft, steckt häufig ein Fehler im Erbgut dahinter: eine Genverschmelzung, wie beispielsweise das NUP98-Fusions-Onkoprotein, welches das Zellwachstum außer Kontrolle bringt. Gegen diese Form der akuten myeloischen Leukämie (AML) wirken Standardtherapien oft kaum. Ein vielversprechender Ansatz zur Therapie dieser Blutkrebsart ist der gezielte Abbau dieser krebsauslösenden Fusions-Onkoproteine. Die molekularen Mechanismen, welche die Stabilität der NUP98-Fusions-Onkoproteine kontrollieren, waren bis dato jedoch unbekannt.
Mithilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas9 suchte das Forschungsteam um Florian Grebien, Adjunct-PI am Wiener CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin, Professor für Medizinische Biochemie an der Vetmeduni und Forschungsgruppenleiter an der St. Anna Kinderkrebsforschung, nach Genen, welche die Stabilität des krebsauslösenden NUP98-Fusionsproteins beeinflussen. Dabei entdeckten sie das Protein SPOP (E3-Ligase-Speckle-Typ-POZ-Protein) als zentralen Regulator: Es steuert, wie stabil das NUP98-Fusionsprotein bleibt, und wirkt gleichzeitig als natürlicher Tumorhemmer in der NUP98-r-AML. Die Ergebnisse zeigen damit einen neuen Ansatz, das natürliche Abbau-System der Zelle – das sogenannte Ubiquitin-Proteasom-System – gezielt umzulenken. So könnten krankmachende Fusionsproteine künftig gezielt abgebaut werden.
„Der Verlust von SPOP erhöht die Menge an NUP98- Fusions-Onkoproteinen und fördert so die Proliferation von Leukämiezellen. Unter Ausnutzung dieser Spezifität konnten wir zeigen, dass die induzierte räumliche Nähe von SPOP und des NUP98-Fusions-Onkoproteins den vollständigen Abbau des Fusions-Onkoproteins bewirkte. Dies induzierte terminale Differenzierung und den Zelltod von NUP98-r-Leukämiezellen in vitro und in vivo“, erklärt Studien-Letztautor Florian Grebien.
SPOP als Tumorsuppressor in der NUP98-r-Leukämie
SPOP wurde bereits zuvor mit mehreren bösartigen Tumoren beim Menschen in Verbindung gebracht, wobei es je nach Krebsart sowohl als Tumorsuppressor als auch als krebsfördernder Faktor wirken kann. In ihrer Studie beobachteten die Forscher:innen nun, dass sowohl die pharmakologische Hemmung als auch die genetische Störung von SPOP zu erhöhten Spiegeln von NUP98-Fusions-Onkoproteinen und einer verstärkten Proliferation von Leukämiezellen führten. „Entsprechend seiner potenziellen Rolle als Regulator der Stabilität des NUP98-Fusions-Onkoproteins war die SPOP-Expression bei NUP98-r-AML-Patienten durchwegs niedrig, was auf eine tumorsuppressive Rolle von SPOP in der NUP98-r-Leukämie hindeutet“, so Studien-Erstautorin Ecem Kirkiz von der Vetmeduni.
Grundstein für die Entwicklung neuer Therapien bei NUP98-r-AML
Weil SPOP von Natur aus gut an NUP98-Fusionsproteine bindet, entwickelten die Wissenschafter:innen im nächsten Schritt synthetische Moleküle (bioPROTACs). Bei bioPROTACs handelt es sich um im Labor designte biologische Moleküle, welche beide Proteine gezielt zusammenbringen und so den Abbau des krebsauslösenden Proteins auslösen können. Die Expression eines SPOP-bioPROTACs führte zu einem effizienten und vollständigen Abbau des NUP98-Fusions-Onkoproteins innerhalb von 24 Stunden, trieb die terminale Differenzierung von Leukämiezellen voran und löste eine apoptotische Reaktion in Zellkulturen und in vivo aus. „Unsere Studie identifiziert SPOP als neuen Tumorsuppressor in der NUP98-r-AML, leistet Pionierarbeit bei der Anwendung von Nähe-induzierenden Wirkstoffen für den Abbau onkogener Fusionsproteine und legt den Grundstein für die Entwicklung von therapeutisch relevanten PROTACs zur Bekämpfung von NUP98-Fusions-Onkoproteinen und darüber hinaus“, sagt Ecem Kirkiz zu dem mit der Studie erreichten Meilenstein in der Erforschung von NUP98-r-Leukämie.
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Der Artikel „Harnessing the E3 ligase SPOP for targeted degradation of the NUP98::KDM5A fusion oncoprotein“ von Ecem Kirkiz, Gabriel Kaufmann, Simone Bergqvist, Pablo Fernández-Pernas, Thomas Eder, Laura Quell, Melanie Allram, Gabriele Manhart, Wencke Walter, Torsten Haferlach und Florian Grebien wurde in „Cell Reports“ veröffentlicht.
Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter wissenschaftlicher Leitung von Maria Rescigno und Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen, sowie seltene Erkrankungen und Altern. Das Forschungsgebäude des Institutes befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien.
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CeMM
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DOI: 10.1016/j.celrep.2025.116602
Myeoloblasten in AML
Quelle: Makysm
Copyright: CC0 1.0
Die Studienautoren Ecem Kirkiz und Florian Grebien
Quelle: Ecem Kirkiz / Bubu Dujmic
Copyright: CeMM
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch

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