Neue Studie unterstreicht Schlüsselrolle des Südpolarmeers für das Erdklima
Eine internationale Studie unter Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigt: Während der letzten großen Erwärmungsphase vor rund 12.000 Jahren breitete sich antarktisches Bodenwasser deutlich aus und verdrängte eine kohlenstoffreiche Wassermasse im Atlantik. Dieser Prozess setzte in der Tiefsee gespeichertes Kohlendioxid frei – und trug so zum Ende der letzten Eiszeit bei. Die Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse darüber, wie der Ozean heute auf die Erwärmung der Antarktis reagieren könnte. Die Studie erscheint heute in der Fachzeitschrift Nature Geoscience.
Vor rund 12.000 Jahren endete die letzte Eiszeit, die globalen Temperaturen stiegen an, die Jungsteinzeit begann, und die Menschen wurden sesshaft. Welchen Einfluss das Südpolarmeer rund um die Antarktis dabei spielte, zeigt ein internationales Forschungsteam in einer neuen Studie, die heute im Fachjournal Nature Geoscience erscheint.
Unter Leitung von Dr. Huang Huang vom Laoshan Laboratory in Qingdao und mit Beteiligung von Dr. Marcus Gutjahr, Geochemiker am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, rekonstruierte das Team die räumliche Ausdehnung des Antarktischen Bodenwassers (Antarctic Bottom Water, AABW) im Südlichen Ozean während der letzten 32.000 Jahre.
„Wir wollten wissen, wie sich die Bedeutung der tiefsten und kältesten Wassermasse der Ozeane – des Antarktischen Bodenwassers – während der letzten Deglaziation verändert hat und welche Rolle es für den globalen Kohlenstoffkreislauf spielte“, erklärt Huang Huang, der nach seiner Promotion am GEOMAR, welche er 2019 abschloss, nun als Wissenschaftler in Qingdao in China forscht.
Sedimentkerne verraten Herkunft des Tiefenwassers
Dafür analysierten die Forschenden neun Sedimentkerne aus dem atlantischen und indischen Sektor des Südozeans. Die Kerne stammen aus Tiefen zwischen 2.200 und 5.000 Metern von weit auseinanderliegenden Stellen. Anhand der isotopischen Zusammensetzung des Spurenmetalls Neodym, welches aus dem Meerwasser in diesen Sedimenten abgelagert wurde, konnten sie die Ausdehnung des Antarktischen Bodenwassers über Zehntausende von Jahren nachzeichnen.
„Gelöstes Neodym und sein isotopischer Fingerabdruck im Meerwasser sind ein sehr guter Indikator für die Herkunft einer Wassermasse in der Tiefsee“, erläutert Marcus Gutjahr. „In früheren Studien fiel uns auf, dass die Neodym-Signatur in der Tiefsee des Südatlantiks erst vor etwa 12.000 Jahren die heutige Zusammensetzung erreichte. Ältere Sedimentabschnitte aus der letzten Eiszeit zeigten Werte an, die in keinem Teil des Südozeans heute vorkommen. Zuerst dachten wir, die Methode funktioniert nicht, oder mit dem untersuchten Sedimentkern stimmt etwas nicht. Doch die eigentliche Frage war: Was kann so etwas auslösen? Ein derart exotisches Signal entsteht nur, wenn das Wasser der Tiefsee über sehr lange Zeiträume nahezu unbewegt bleibt. Dann dominieren sogenannte benthische Flüsse – also chemische Einträge aus dem Meeresboden – die isotopische Signatur mariner Ablagerungen in Sedimenten.“
Zwei Ausdehnungsphasen und ihre Rolle für die Freisetzung von Kohlendioxid
Während der letzten Eiszeit war das sehr kalte, dichte Tiefenwasser, das sich heute rund um die Antarktis bildet, stark zurückgedrängt. Große Teile des tiefen Südpolarmeers waren stattdessen mit kohlenstoffreichen Wassermassen aus dem Pazifik, einer sich wenig bewegenden eiszeitlichen Form des heutigen Zirkumpolaren Tiefenwassers (Circumpolar deep water, CDW), gefüllt. Die Studie beschreibt CDW als kohlenstoffreich, weil es lange relativ isoliert im tiefen Ozean zirkulierte und wenig Austausch mit der Oberfläche hatte. In der Folge blieb mehr im Wasser gelöster Kohlenstoff im Ozean gespeichert, was die CO2-Konzentration in der Atmosphäre niedrig hielt.
Während der Entstehung der heutigen Warmzeit – also in der Zeit des Abschmelzens der Eisschilde zwischen etwa 18.000 und 10.000 Jahren vor heute – dehnte sich das Antarktische Bodenwasser nun nachweislich in zwei Phasen wieder aus. Beide Phasen fielen mit Erwärmungsereignissen in der Antarktis zusammen. Durch die zunehmende vertikale Durchmischung des Südpolarmeers konnte gespeicherter Kohlenstoff aus der Tiefe wieder in die Atmosphäre freigesetzt werden.
„Dass sich das AABW so ausgedehnt hat, hat mehrere Gründe“, erklärt Gutjahr. „Durch die antarktische Erwärmung ging die Meereisbedeckung zurück, und mehr antarktisches Schmelzwasser wurde in den Südozean eingetragen. Das während dieses klimatischen Übergangs gebildete Antarktische Bodenwasser hatte deshalb eine geringere Dichte, da der Salzgehalt niedriger war. Dieses späteiszeitliche Antarktische Bodenwasser konnte sich stärker im Südozean ausbreiten, die vorhandene Schichtung wurde instabil und erleichterte den Austausch zwischen Tiefen- und Oberflächenwasser.
Bislang war man davon ausgegangen, dass Veränderungen im Nordatlantik – etwa durch die Bildung von Nordatlantischem Tiefenwasser (North Atlantic Deep Water, NADW) – entscheidend für die Umgestaltung der Tiefenwasserzirkulation im Südatlantik waren. Die neuen Daten zeigen jedoch, dass Einflüsse aus dem Norden geringer waren als bisher angenommen. Stattdessen spielte die Verdrängung einer glazialen Wassermasse, die reich an gelöstem Kohlenstoff war, durch frisch gebildetes Antarktisches Bodenwasser vermutlich eine wesentliche Rolle für den Anstieg des atmosphärischen Kohlendioxidgehalts während des Ausgangs aus der letzten Eiszeit.
Wärmespeicher Südozean und Eisschmelze in der Antarktis
„Vergleiche mit der Vergangenheit hinken immer ein bisschen“, sagt Gutjahr, „aber es geht im Grunde darum, wie viel Energie im System ist. Wenn wir wissen, wie der Ozean früher auf Erwärmung reagiert hat, verstehen wir besser, was heute passiert, wenn das Schelfeis der Antarktis weiter schmilzt.“
Alleine schon wegen seiner Größe spielt das Meer rund um die Antarktis eine Schlüsselrolle im Klimasystem: In den letzten fünfzig Jahren hat es sich unterhalb von etwa 1.000 Metern Tiefe deutlich schneller erwärmt als andere Bereiche des globalen Ozeans. Um zu verstehen, wie sich diese Veränderungen auf die Aufnahme und Abgabe von Kohlendioxid auswirken, müssen physikalische und biogeochemische Prozesse langfristig beobachtet und in Klimamodelle integriert werden.
Gutjahr: „Ich möchte den heutigen Ozean richtig verstehen, um auch beurteilen zu können, was Signale in der Vergangenheit bedeuten. Wenn wir nachvollziehen können, wie sich das Antarktische Bodenwasser über Jahrtausende verändert hat, können wir viel besser prognostizieren, in welchem Maße die Antarktis in Zukunft weiter an Masse verlieren wird.“
Paläoklimadaten, wie sie aus Sedimentkernen gewonnen werden, sind dafür unverzichtbar: Sie erlauben Einblicke in Epochen, die wärmer waren als heute – und helfen, künftige Entwicklungen des Klimasystems realistischer abzuschätzen.
Huang, H., Gutjahr, M., Hu, Y., Pöppelmeier, F., Kuhn, G., Lippold, J., Ronge, T. A., Wu, S., Blaser, P., Lembke-Jene, L., Jaccard, S. L., Luo, Y., & Yu, J. (2025). Expansion of Antarctic Bottom Water driven by Antarctic warming in the last deglaciation. Nature Geoscience.
DOI: 10.1038/s41561-025-01853-7
https://www.nature.com/articles/s41561-025-01853-7
https://www.geomar.de/n10096 Bildmaterial zum Download
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Chemie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch

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