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02.12.2025 09:24

Vom Weltall ins Kernkraftwerk

Martin Brandstätter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Vor dem Rückbau von Kernkraftwerken wird geprüft, ob die abzubauenden Gebäudeteile frei von Radioaktivität sind. Um Strahlung effizient und genau ausfindig zu machen, arbeitet ein Forschungsteam an einer neuen Messmethode.

    Zweimal knallt es dumpf, dann brechen die beiden Kühltürme des Atomkraftwerks in der bayerischen Gemeinde Gundremmingen zusammen. Am 25. Oktober 2025 wurden die beiden 160 Meter hohen Türme im schwäbischen Landkreis Günzburg gesprengt – ein Spektakel, das viele Schaulustige anlockte. Was vor dem Abbau von Kernkraftwerken vorgenommen werden muss, sind Strahlen-Messungen innerhalb der Gebäude, allen voran in der Nähe der Reaktoren, um möglicherweise von der Bausubstanz aufgenommene Radioaktivität ausfindig zu machen.

    Für diesen Schritt arbeitet ein Forschungsteam nun in einem Verbundprojekt an einer neuen Methode zur Messung. Es nimmt dafür eine Messtechnik, die bisher hauptsächlich in Satelliten zur Erfassung radioaktiver Elemente im Weltall eingesetzt wird, und entwickelt damit Kameras für den Einsatz in den Kraftwerken.

    Daran beteiligt ist ein Team unter Leitung von Dr. Thomas Siegert, Experte für Kernphysik im Weltraum vom Lehrstuhl für Astronomie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Gefördert wird das JMU-Teilprojekt mit Schwerpunkt auf der Software-Entwicklung vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) mit über 350.000 Euro.

    Szintillationsdetektoren – eine alte Methode effizienter nutzen

    Bisher kommen zur Messung radioaktiver Rückstände teure Halbleiterdetektoren zum Einsatz. Mit diesen werden typischerweise nur ein paar Quadratmeter pro Raum innerhalb von einer Stunde vermessen und dann zum nächsten Messpunkt gegangen. „Wenn man sich das für einen ganze Räume und dann für eine ganze hallengroße Anlage vorstellt, merkt man, wie ineffizient und zeitaufwendig diese Methode ist“, so Siegert. Die Geräte müssen zudem ständig mit flüssigem Stickstoff auf minus 200 Grad Celsius gekühlt werden.

    Für das neue Verfahren sollen Szintillationsdetektoren benutzt werden. Verbaut in einer Kamera, sollen diese über einen Zeitraum von mehreren Stunden in unterschiedlich großen Räumen alle Stellen anzeigen, von denen Radioaktivität ausgeht. „Diese Kameras sind aus mehreren Szintillationskristallen gebaut, die aufleuchten, wenn beispielsweise Gammastrahlung von einem radioaktiven Zerfall darauf trifft. Wenn diese mehr als einen Kristall zum Leuchten bringt, also von einem Detektor zum anderen streut, kann man die Richtung und die Energie der Strahlung ermitteln“, erklärt der Astrophysiker.

    Der Eintritts- sowie alle weiteren gemessenen Ablenkungswinkel zwischen den Kristallen bestimmen also, um welches potenziell radioaktive Material es sich handelt und wo dieses im Raum zu finden ist. „Teilchen des gleichen Elements tragen immer die gleiche Energie, wodurch man sie eindeutig zuordnen kann“, fährt der JMU-Forscher fort. Die Kamera gebe am Ende der Messung und mit Hilfe der Rechenleistung von Supercomputern ein detailliertes 3D-Bild des Raumes aus, auf dem alle strahlenbelasteten Stellen aufleuchten. Somit könne gezielt und sicher unbelastetes von belastetem Material unterschieden und abgebaut werden.

    Künstliche Intelligenz filtert Hintergrund-Rauschen

    Das Würzburger Team entwickelt die Analyse-Software der Kameras in Kollaboration mit Professor Uwe Gerd Oberlack und anderen Forschenden der Universität Mainz. Beide Gruppen sind auch am neuen Gammastrahlen-Weltraumteleskop COSI der National Aeronautics and Space Administration (NASA) beteiligt.

    Für die Software will das Team unter anderem künstliche Intelligenz (KI) einsetzen. „Sehr schwache natürliche radioaktive Strahlung gibt es überall auf der Erde. Je nach Ort ist sie unterschiedlich ausgeprägt. Bei den Messungen kann sie als Hintergrund-Rauschen stören“, so Siegert. Die KI könnte dazu beitragen, diesen natürlichen Strahlungshintergrund von den kontaminierten Stellen zu unterscheiden und damit die Genauigkeit des Verfahrens erhöhen.

    Zum Verbundprojekt

    Das Verbundprojekt scintLaCHARM läuft unter dem Titel „Lokalisierung und Charakterisierung von radioaktivem Material mit modernen bildgebenden und spektrometrischen Verfahren der Szintillationsmesstechnik“. Es wird vom BMFTR im Förderprogramm FORKA (Forschung für den Rückbau der kerntechnischen Anlagen) mit knapp zwei Millionen Euro gefördert (Förderkennzeichen: 15S9455 A-E).

    Beteiligt sind daran fünf Projektpartner:

    • Brenk Systemplanung GmbH, Aachen

    • Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalyse (INT), Euskirchen

    • Hellma Materials GmbH, Jena

    • Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    • Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Dr. Sibylle Petrak von der Hellma Materials GmbH hat die Projektleitung inne und ist verantwortlich für die Kristallfertigung sowie die Herstellung der Kamera-Prototypen. Von der Brenk Systemplanung GmbH stammen Fachleute wie Dr. Stefan Wörlen für den Rückbau von Kernkraftwerken. Am INT ist Sebastian Chmel, Professor für Physik und Messtechnik, beteiligt. Er beschäftigt sich mit der verlässlichen Identifizierung von radioaktiven Stoffen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Thomas Siegert, Lehrstuhl für Astronomie, T. +49 931 31-81691, thomas.siegert@uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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