In der Vorweihnachtszeit teilen sich wieder die Geister, wenn es um Fragen der Dekoration geht. Was für die einen anmutig und formschön ist, wird von anderen als Kitsch abgetan. Auch in Finnland, dem Land der klaren nordischen Formsprache, wird das deutsche Wort „Kitsch“ verwendet. In einer neuen sprachwissenschaftlichen Untersuchung zeigt Prof. Dr. Marko Pantermöller, Professor für Fennistik an der Universität Greifswald, wie das deutsche Wort „Kitsch“ zunächst als Bezeichnung für ein als Deutsch empfundenes Phänomen den Weg in die finnische Sprache fand.
1908 tauchte „Kitsch“ zum ersten Mal in der finnischen Presse in der Übersetzung eines Interviews mit dem Maler Akseli Gallen-Kallela auf. Damals war der Begriff noch so fremd, dass er eingeklammert, umschrieben und typografisch markiert wurde. Von einer festen Bedeutung konnte noch keine Rede sein. Und doch begann hier die finnische Reise eines Wortes, das bald weit über den deutschen Sprachraum hinausweist.
Vom Zitat zur kulturellen Referenz
Neue Forschungen vom Fennistik-Professor Prof. Dr. Marko Pantermöller zeigen, wie „Kitsch“ im Finnischen zunächst als exotische Zitatentlehnung auftauchte: meist großgeschrieben, in Anführungszeichen und begleitet von erklärenden Umschreibungen. „Oft verbanden finnische Autor*innen den Begriff mit Deutschland selbst: mit dessen Kunsthandel, Konsumkultur oder politischer Propaganda“, erläutert Prof. Dr. Marko Pantermöller. „Kitsch“ war ein deutsches Exportprodukt – zunächst semantisch, später kulturkritisch.
Erst ab den 1970er Jahren setzte eine regelrechte Popularisierung ein. Zeitungen, Kritiker*innen und Kulturschaffende griffen das Wort nun selbstbewusst auf – nicht mehr als Fremdkörper, sondern als präzises Schlagwort für massenkulturelle Übertreibungen, sentimentale Ästhetik und postmoderne Alltagskunst. Parallel dazu hielten zunehmend integrierte finnische Formen wie „kitsi“ Einzug in Nachschlagewerke und schließlich in den Kernwortschatz des Kielitoimiston sanakirja, der finnische Duden.
Ein deutsches Wort im finnischen Alltag
Die Entwicklung von „Kitsch“ zeigt exemplarisch, wie ein deutsches Wort im Finnischen vom zitathaften Import zum festen Bestandteil der Alltagssprache werden kann. Prof. Dr. Marko Pantermöller sagt: „Das Wort hat sich vom kulturgebundenen Ausdruck zum echten Internationalismus entwickelt.“ Eine Besonderheit, denn nur sehr wenige deutsche Lehnwörter fanden in die finnische Sprache Eingang, die auch sonst versucht, möglichst ohne Fremdwortschatz auszukommen. Nachdem „Kitsch“ im finnischen Einzug hielt, wurde es auch in weitere Sprachen wie Englisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch gebräuchlich.
Heute begegnet man „Kitsch“ in Finnland überall: in Feuilletons, in Alltagsdebatten über Dekor, Popkultur oder Politik und zunehmend auch in kreativen Wortbildungen. Das deutsche „Kitsch“ ist zu einem finnischen „kitsi“ geworden. Und damit Teil der Diskussion global-ästhetischer Fragen in der finnischen Sprache.
Weitere Informationen
Der Aufsatz „Vom kulturgebundenen Ausdruck zum Internationalismus: Das deutsche Wort Kitsch im Kontext usueller und normativer Integration im Finnischen“ von Marko Pantermöller erschien im Sammelband
Pantermöller, M., Järventausta, M., Kolehmainen, L., & Kujamäki, P. (Eds.) (2025). Kulturen, Konvergenzen und Kommunikation: Begegnungen zwischen Finnland und dem deutschsprachigen Raum. (Mémoires de la Societé Néophilologique de Helsinki; Vol. 114). Société Néophilologique. https://doi.org/10.51814/8ctme436
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Marko Pantermöller
Institut für Fennistik und Skandinavistik
Ernst-Lohmeyer-Platz 3 (Raum E.28)
17487 Greifswald
Tel: +49 3834 420 3611
panter@uni-greifswald.de
Symbolbild
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch

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