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09.12.2025 11:16

Nanomagnete mit besonderem Dreh: Neues Fertigungsverfahren macht Technologie besser und günstiger

Simon Schmitt Kommunikation und Medien
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

    Forschende des HZDR haben in Zusammenarbeit mit Partnern von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim und dem Institut für Kernphysik der Polnischen Akademie der Wissenschaften eine Methode entwickelt, mit der sich besonders effiziente magnetische Nanomaterialien in einem vergleichsweise einfachen Verfahren und auf Basis günstiger Ausgangsmaterialien fertigen lassen. Mit Hilfe eines hochfokussierten Ionenstrahls prägen sie den Materialien magnetische Nanostreifen aus winzigen, senkrecht stehenden Nanomagneten auf. Wie die Forschenden berichten, verleiht diese Geometrie dem Material eine hohe Empfindlichkeit gegenüber äußeren Magnetfeldern und Strompulsen.

    Nanomagnete spielen eine Schlüsselrolle in modernen Informationstechnologien. Sie ermöglichen schnelle Datenspeicher, präzise magnetische Sensoren, neuartige Entwicklungen in der Spintronik und zukünftig auch im Quantencomputing. Grundlage all dieser Anwendungen sind Funktionsmaterialien mit besonderen magnetischen Strukturen, die auf der Nanoskala maßgeschneidert und präzise kontrolliert werden können.

    Rantej Bali und seine Kollegen vom Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR haben bereits in der Vergangenheit Verfahren entwickelt, um Materialien winzige magnetische Strukturen in unterschiedlichen Geometrien einzuprägen. Denn die Natur der jeweiligen magnetischen Nanostrukturen bestimmt, wie sich das Material in der Anwendung verhält. Nun ist das Team einen entscheidenden Schritt weitergegangen: „Wir haben es geschafft, senkrechte Nanomagnete mit einem relativ einfachen Material zu erzeugen. Dadurch können alle Technologien, die von Nanomagneten abhängig sind, besser und günstiger werden“, berichtet Bali.

    In den meisten Materialien neigen die Elektronenspins dazu, horizontal entlang der Oberfläche aufgelegt und sich nicht nach außen zu zeigen. Das schränkt ihre Anwendung stark ein. Nun konnten die Forscher zeigen, dass die Spins durch eine drastische Verkleinerung der magnetischen Bereiche gezwungen werden können, senkrecht aus der Materialoberfläche herauszuragen. Herkömmliche Verfahren erreichen ein ähnliches Verhalten zwar bereits, müssen dafür aber auf Ausgangsmaterialien mit komplexen Kristallstrukturen zurückgreifen oder unterschiedliche Materialien in dünnen Schichten kombinieren. Das macht diese Methoden aufwändig und teuer. Anders die neue Entwicklung: „Sowohl die Materialien als auch die Fertigung sind günstig und für die meisten magnetischen Anwendungsszenarien geeignet“, erläutert Bali.

    Die Begrenzung macht’s: Magnetische Gravur per Ionenstrahl

    Als Ausgangsmaterial nutzten die Forschenden einen dünnen metallischen Film aus einer Eisen-Vanadium-Legierung. Die Atome dieses Materials sind in ihrer zunächst ungeordneten Form nur schwach magnetisch. Dies ändert sich jedoch bei Beschuss mit einem stark fokussierten Ionenstrahl. Das Prinzip: Wenn der Strahl mit einem Durchmesser von nur etwa zwei Nanometern die Materie trifft, ordnet er die Atome lokal in ein Kristallgitter um. Die Ionen schubsen die Atome quasi auf ihre Gitterplätze. Im geordneten, kristallinen Zustand wird das Material ferromagnetisch. So entstehen Stück für Stück winzige magnetische Bereiche im Film. Zwar ist der genaue physikalische Mechanismus noch nicht geklärt, doch ist klar, dass sich damit magnetische Nanostrukturen fast beliebiger Geometrie und Größe erzeugen lassen.

    Anders als bei früheren Versuchen verkleinerten die Forschenden diesmal die Breite der Nanostreifen, bis sie schließlich extrem dünne, lediglich 25 Nanometer breite magnetische Bereiche erhielten. Zu ihrer Überraschung stellten sie fest: In den sehr dünnen Streifen richteten sich die Nanomagnete plötzlich an bestimmten Stellen senkrecht zur Oberfläche aus.

    Senkrechte Nanomagnete sind effizienter

    Senkrechte Nanomagnete sind aus mehreren Gründen vorteilhaft: Erstens können sie deutlich kompakter untergebracht werden. Das erhöht zum Beispiel die Datenspeicherdichte von Festplatten und unterstützt den Trend zu immer weiter miniaturisierten Bauteilen. Zweitens machen sie Materialien effizienter, etwa in der Spintronik, die neben der Ladung der Elektronen auch deren Spin für den Signaltransport nutzt. Fließt elektrischer Strom durch das Material, so üben senkrechte Momente ein größeres Drehmoment auf die Elektronen aus als parallele. Auch Quantencomputer können sich senkrecht stehende Nanomagnete zunutze machen, um die beiden möglichen Grundzustände eines Qubits, die jeweils einer magnetischen Ausrichtung nach oben oder nach unten entsprechen, zu unterscheiden und diese hochempfindlich anzusteuern.

    „Stark vereinfacht kann man sich das ähnlich wie bei einem Kartenspiel vorstellen. Wenn man alle Karten nebeneinander auf einen Tisch legt, benötigen sie relativ viel Platz. Stellt man sie stattdessen senkrecht auf, ist das viel platzsparender. Eine Karte, die senkrecht steht, reagiert deutlich sensibler auf Reize aus der Umgebung als eine flach liegende. Gleiches gilt für die Reaktion der Nanomagnete auf magnetische Reize von außen“, illustriert Bali.

    Experimenteller und theoretischer Nachweis

    Um das Ergebnis ihrer Versuche noch genauer zu verstehen, beobachteten die Forschenden in weiteren Experimenten, wie sich magnetische Domänen im Material ausbildeten. Das sind Bereiche, in denen jeweils alle magnetischen Momente gleich ausgerichtet sind. Stoßen zwei gegensätzliche Domänen aneinander, so muss die Magnetisierung in den schmalen, nur wenige Nanometer breiten Grenzbereich, der Domänenwand, ausweichen. Das Resultat: Die magnetischen Momente richten sich senkrecht auf.

    Das HZDR-Team konnte diesen besonderen Dreh zunächst mit Hilfe der Magnetkraftmikroskopie und über Streufelder nachweisen. Das NTNU-Team um Magnus Nord im norwegischen Trondheim vermaß das fertige Material mit Hilfe des sogenannten differentiellen Phasenkontrastverfahrens erneut. Diese Methode liefert nanoskalige Aufnahmen, die zeigen, wie Elektronen beim Durchgang durch magnetische Bereiche reagieren. Dadurch konnten die Forschenden die Magnetisierung der Streifen zweidimensional abbilden und die Grenzbereiche verschiedener magnetischer Domänen sichtbar machen. Das Team um Michal Krupinski vom Institut für Kernphysik der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Kraków ergänzte theoretische Simulationen und steuerte die Visualisierung bei, die zeigen, wie genau die Domänengrenzen die magnetischen Momente in die Senkrechte zwingen. Auf den gemeinsamen neuen Erkenntnissen wollen die Teams nun aufbauen, um zukünftig Technologien für magnetische Speicher, Sensoren und spinbasiertes Quantencomputing weiterzuentwickeln.

    Publikation:

    M. S. Anwar, I. Zelenina, P. Sobieszczyk, G. Hlawacek, K. Tveitstøl, K. Potzger, J. Fassbender, O. Hellwig, J. Lindner, M. Krupiński, M. Nord, R. Bali, Confinement Driven Spin-Texture Evolution in Directly Written Nanomagnets, in Advanced Functional Materials, 2025, (DOI: 10.1002/adfm.202513904)

    Weitere Informationen:

    Dr. Rantej Bali
    Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
    Tel.: +49 351 260 2461 | E-Mail: r.bali@hzdr.de

    Medienkontakt:
    Simon Schmitt | Leitung und Pressesprecher
    Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
    Tel.: +49 351 260 3400 | Mobil: +49 175 874 2865 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de

    Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
    • Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
    • Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
    • Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?

    Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
    Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat sechs Standorte (Dresden, Freiberg, Görlitz, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt fast 1.500 Mitarbeiter*innen – davon etwa 700 Wissenschaftler*innen inklusive 200 Doktorand*innen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Rantej Bali
    Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
    Tel.: +49 351 260 2461 | E-Mail: r.bali@hzdr.de


    Originalpublikation:

    M. S. Anwar, I. Zelenina, P. Sobieszczyk, G. Hlawacek, K. Tveitstøl, K. Potzger, J. Fassbender, O. Hellwig, J. Lindner, M. Krupiński, M. Nord, R. Bali, Confinement Driven Spin-Texture Evolution in Directly Written Nanomagnets, in Advanced Functional Materials, 2025, (DOI: 10.1002/adfm.202513904)


    Weitere Informationen:

    https://www.hzdr.de/presse/magnetic_nanomaterials


    Bilder

    Ein nanofokussierter Neonionenstrahl erzeugt eine räumlich begrenzte Gitterordnung in einer Legierung. Dadurch entsteht Ferromagnetismus, bei dem sich Spins senkrecht zur Materialoberfläche ausrichten.
    Ein nanofokussierter Neonionenstrahl erzeugt eine räumlich begrenzte Gitterordnung in einer Legierun ...
    Quelle: Sander Münster
    Copyright: Sander Münster/HZDR


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Chemie, Elektrotechnik, Informationstechnik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Kooperationen
    Deutsch


     

    Ein nanofokussierter Neonionenstrahl erzeugt eine räumlich begrenzte Gitterordnung in einer Legierung. Dadurch entsteht Ferromagnetismus, bei dem sich Spins senkrecht zur Materialoberfläche ausrichten.


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