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28.09.2004 10:45

Schimmelpilzbefall in Wohnungen und Weichmacher als Umweltgift

Ingrid Godenrath Stabsstelle Zentrale Kommunikation
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Schimmelpilzbefall in Wohnungen und Weichmacher als Umweltgift - Hygiene-Experten diskutieren nicht abgehoben, sondern alltagsbezogen

    Auf der 12. Konferenz der Gesellschaft für Hygiene und Umweltmedizin (GHU) am Universitätsklinikum in Halle (Saale) tauschen Wissenschaftler und Forscher neueste Daten und Erkenntnisse aus. Gerade im Themenbereich Raumluft-Hygiene und Umwelttoxikologie geht es dabei um Probleme, die jeden Haushalt betreffen: kann man versteckte Schimmelpilze finden, ohne Wände aufzustemmen? Sollten Weichmacher nicht nur in Spielzeugen, sondern auch in Lebensmittelverpackungen verboten werden?

    Gastgeber der 12. Konferenz der Gesellschaft für Hygiene und Umweltmedizin (GHU), die vom 3. bis 5. Oktober 2004 gemeinsam mit der 8. Konferenz der International Society of Environmental Medicine (ISEM) stattfindet, ist das Institut für Hygiene am Klinikum der Medizinischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg. Frau Professor Marianne Borneff-Lipp, Direktorin des Instituts, hat mit ihren Mitarbeitern ein Programm entwickelt, das sich auf drei Themengebiete konzentriert:

    Wasserhygiene,
    Infektionsreservoire im Krankenhaus
    sowie
    Umwelttoxikologie.

    Alle Fragen der Umwelttoxikologie kann man an drei Tagen wohl kaum erfassen. Deshalb haben die Wissenschaftler Schwerpunkte gesetzt. Einer davon ist der Schimmelpilzbefall in Wohnungen. Schimmelschäden stehen unter Verdacht, Mitverursacher allergischer und toxischer Reaktionen zu sein. Betroffene Hausbewohner sind deshalb zu recht besorgt und es kommt immer wieder zu alarmierenden Meldungen. Doch wissenschaftlich sind viele Frage ungeklärt. Wie hoch ist der Schimmelpilzbefall in deutschen Haushalten tatsächlich? Welche Risiken sind vorhanden und welche Gegenmaßnahmen sinnvoll?

    Schimmelpilzbefall - relevant für jeden Hausbewohner

    Zwei neue Studien aus Bielefeld und Jena kommen zu ähnlichen Ergebnissen: 22% aller deutschen Haushalte weisen Feuchtigkeits- und Schimmelschäden auf. Auf der GHU/ISEM-Konferenz befassen sich die Experten mit den Details dieser ersten tatsächlich repräsentativen Studien in Deutschland zu diesem Thema und diskutieren Konsequenzen. Das Problem ist erkannt, doch was ist nun zu tun? Das Umweltbundesamt hat 2002 einen Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innen-räumen veröffentlicht und Gesundheitsämter werden immer öfter um Rat gefragt. Für öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten werden schon Hygienepläne gefordert, die auch die Reinigung und Lüftung der Räume regeln.

    Besonders große Sorgen macht der verdeckte Schimmelpilzbefall: wer will schon eine Wand aufstemmen oder eine Decke aufreißen, nur um zu sehen, ob sich dort Schimmelpilze angesiedelt haben. Seit einiger Zeit entwickeln Forscher deshalb Nachweisverfahren, den Schimmelpilzbefall durch Indikatoren in der Raumluft aufzudecken. Größte Aufmerksamkeit gilt der Gruppe der MVOC (microbial volatile organic compounds), der mikrobiell produzierten flüchtigen organischen Verbindungen. Beim Wachstum von Schimmelpilzen und Bakterien entstehen gasförmige Stoffe mit einem typischen schimmeligen Geruch, der bei schwerem Schimmelbefall sehr gut wahrnehmbar ist. Bei verdecktem Befall ist unsere Nase jedoch oft nicht sensibel genug und für einen Rechtsstreit ist der subjektive Eindruck "das riecht hier so komisch" sicherlich auch keine Basis.

    Auf der Konferenz in Halle werden die Wissenschaftler über chemisch nachweisbare, eindeutige Marker zum Schimmelbefall diskutieren. Eine Studie in Berlin hat acht ausgewählte MVOC untersucht und keine statistisch relevanten Korrelationen zwischen ihrer Raumluftkonzentration und dem Schimmelpilzbefall feststellen können. Die Hoffnungen richten sich jetzt auf (1-3)-beta-D-Glukane. Diese endotoxinähnlichen Zellwandbestandteile der Schimmelpilze stehen im Verdacht, Entzündungen zu verursachen. Auch sie überwinden Barrieren wie Tapeten oder Raumverkleidungen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert ein Projekt, (1-3)-beta-D-Glukane systematisch und quantitativ zu erfassen, und einen Test zu entwickeln, der für Routineuntersuchungen geeignet ist. Ein einfaches Messinstrument soll keimfähiges und nicht keimfähiges Material von Schimmelpilzen rasch und effizient nachweisen.

    Weichmacher - eine harte Nuss

    Chemische Stoffe der Klasse Phthalate werden immer noch als Weichmacher für PVC, Polystyrol und andere Kunststoffe eingesetzt. Sie werden den Materialien beigemischt, um de-ren Dehnbarkeit und Verarbeitbarkeit zu optimieren. Darüber hinaus verwendet man Phthalate, unter anderem in Parfümen und Deodorants, in Munition sowie als Schmier- und Löse-mittel oder Textilhilfsmittel. Es ist schon seit einigen Jahren bekannt, dass Phthalate eine hormoninduzierende Wirkung (zumindest im Tierversuch) haben und damit reproduktions- und entwicklungstoxische Effekte aufweisen können. Auf europäischer Ebene wurden daher Weichmacher in Kinderspielzeug für alle Kinder unter drei Jahren verboten. Doch Phthalate kommen auch in der Innenraumluft und im Hausstaub vor. Ist das ein Problem? Eher nicht, sagt eine Studie, die in 59 Wohnungen in der Berliner Innenstadt und 74 Kindergärten durchgeführt wurde. Das Ergebnis der Studie wird auf der GHU/ISEM-Konferenz sicherlich stark diskutiert werden. Unterstreicht sie die Annahme, dass das größere Problem bei den Lebensmittelverpackungen liegt? Bisher gibt es lediglich eine Selbstverpflichtung der Industrie, in allen Folien, Beschichtungen und Verpackungen, die Nahrungsmittel mit einem hohen Fettgehalt, Milch und Milchprodukte, alkoholhaltige oder ätherische ölhaltige Lebensmittel umgeben, auf den Einsatz von Weichmachern zu verzichten. Reicht das?

    12. Konferenz der Gesellschaft für Hygiene und Umweltmedizin (GHU)
    gemeinsam mit der 8. Konferenz der International Society of Environmental Medicine (ISEM)
    3. bis 5. Oktober 2004, Halle (Saale)
    http://www.ghu2004.de

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Marianne Borneff-Lipp
    Tel.: 0345 55-71095
    E-Mail: marianne.borneff@medizin.uni-halle.de

    Theresia Wermelskirchen
    Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
    Referat Öffentlichkeitsarbeit der Medizinischen Fakultät
    Tel: 0345 55-75748
    E-Mail: theresia.wermelskirchen@medizin.uni-halle.de


    Weitere Informationen:

    http://www.ghu2004.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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