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09.12.2025 12:00

Der gläserne Druckgussprozess – Rückverfolgbarkeit und Vorhersage durch Digitalisierung und KI

Thomas Götz Unternehmenskommunikation und Institutsstrategie
Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM

    Der digitale Druckguss-Zwilling verknüpft Materialzustandsinformationen zu allen Teilprozessen des Druckgießens und schafft eine Wissensbasis zum Erfüllen von wirtschaftlichen, technologischen und ökologischen Anforderungen. Dazu wurden am Fraunhofer IWM mit Ontologie-basierten semantischen Strukturen Wissensgraphen zu verschiedenen Prozessschritten erstellt und vernetzt. Das Fraunhofer IWM präsentiert den digitalen Zwilling vom 13. bis 15. Januar 2026 auf der Messe EUROGUSS.

    Dekarbonisierung, Kostensteigerungen, Entwicklungstempo, Innovationsdruck – ohne eine umfassende produktbezogene Wissensbasis können die Herausforderungen, die teilweise im Zielkonflikt miteinander stehen, nicht bewältigt werden. Das gilt besonders für technologieintensive Produkte, die hohe Anforderungen an Sicherheit, Zuverlässigkeit und Lebensdauer zu erfüllen haben, und genauso für Gussbauteile.

    Die vielfältigen Qualitätsmerkmale von Gussbauteilen resultieren aus einem komplexen Zusammenspiel der Beschaffenheit des Ausgangsmaterials und der Prozessparameter. Ändert sich ein Parameter oder ein Legierungsbestandteil oder kommt es gar zu Schäden im Bauteileinsatz, muss Ursachenforschung betrieben werden und es gilt die Balance zwischen Material, Prozess und Bauteileigenschaften neu zu justieren. Wo jeweils angesetzt wird, basiert oft auf einem Mix aus Erfahrungswerten und verfügbaren Daten. Versuch-Irrtum-Schleifen sind häufig das Mittel der Wahl. Sie kommen aber an ihre Grenzen, wenn der CO2-Fußabdruck des Bauteils, der Nachweis der Materialbestandteile oder die Restlebensdauer des Bauteils gefragt sind – und das bei einem großen Produktportfolio und in begrenzter Zeit.

    Gefragt sind dann einerseits die systematische Rückverfolgbarkeit, d.h. das Wissen um die vielen Einflussfaktoren, die zu einem Material- und Bauteilzustand geführt haben, und andererseits die quantitativen Zusammenhänge zwischen Prozessbedingungen und -parametern, der entstehenden Mikrostruktur des gegossenen Materials und letztlich die daraus resultierenden Bauteileigenschaften. Um die Komplexität des Gussprozesses darstellen zu können, haben die Wissenschaftler*innen des Fraunhofer IWM einen Wissensgraphen entwickelt, der die komplexe Prozesskette detailliert beschreibt. Darüber hinaus wurden die Prozessdaten mit maschinellem Lernen analysiert, um neue Erkenntnisse zur Prozessoptimierung und Vorhersage von Gussqualitäten aus den Daten zu ziehen.

    Um dem digitalen Zwilling »Leben einzuhauchen«, wird er mit Daten aus der Maschinensteuerung und aus Prozesssensoren gefüllt. Zudem wird der Zwilling mit Werkstoffeigenschaften und Mikrostrukturdaten gefüttert. In diesem Datenraum können nun Abfragen gemacht werden, beispielsweise zur Druckguss-technischen Historie eines spezifischen abgegossenen Bauteils, zu Prozessfenstern, die zu einer erhöhten Porosität oder Oxidverunreinigung in hochbelasteten Bauteilbereichen führen, oder zu den Chargen, die in einem beanstandeten Bauteil verbaut wurden, und zu den verwendeten Schussparametern.

    Zudem ist der Wissensgraph eine ideale Ausgangsbasis für den sogenannten digitalen Produktpass (DPP), der ein Teil der EU-Verordnung zur umweltgerechten Gestaltung nachhaltiger Produkte ist und in dem Informationen zur Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft von Produkten, Komponenten und Materialien gespeichert und digital zugänglich sind.

    Neben Abfragen zu spezifischen Informationen können mit digitalen Druckgusszwillingen Ursache-Wirkungsbeziehungen mathematisch beschrieben werden. So wurden im Forschungsprojekt die Auswirkung von Prozessparametern wie Gießtemperatur und -druck auf Oxidverunreinigungen und Porosität und der Zusammenhang zwischen Außentemperatur bzw. Feuchtigkeit und dem Gießdruck beschrieben. Ziel ist letztlich, Vorhersagen machen zu können, die aufwendige Analyseschritte in der Qualitätssicherung einsparen und Versuch-Irrtum-Schleifen in Entwicklung und Fertigung durch systematische Prozessparameterstudien ersetzen.

    Technologisch basiert der »gläserne Druckgussprozess« auf einem Wissensgraphen, der alle relevanten Schritte der Prozesskette – von der Schmelzeherstellung über den Gießprozess und die Wärmebehandlung bis hin zur Prüfung und zum Bauteileinsatz – in standardisierter, ontologiebasierter Form abbildet. Er ist maschinenlesbar, erweiterbar, versionsfähig und so strukturiert, dass er sowohl klassische Auswertungen als auch KI-Methoden unterstützt. Damit wird der Wissensgraph zur zentralen, semantischen Datendrehscheibe für den digitalen Zwilling.

    Jeder Druckgussprozess ist anders und erst recht die spezifischen Informationsbedarfe der Gießereien und der Anwender der Gussbauteile. Die Konfiguration des digitalen Zwillings beginnt daher mit einer umfassenden Bestandsaufnahme zu den Prozessschritten und zu den notwendigen und verfügbaren Daten. Für die Prozessbeschreibung werden die bestehenden Wissensgraphmodule angepasst bzw. erweitert. Ist die Datenstruktur erstellt, werden die Abfragen programmiert, sodass die digitale Wissensbasis zu mehr Wertschöpfung und Qualität führen kann.

    Der »gläserne Druckgussprozess« wurde im Fraunhofer-Leitprojekt Future Car Production entwickelt, um nachhaltigen Fahrzeugbau zu ermöglichen und Unternehmen in Entwicklungsprozessen zu befähigen, robuste und ganzheitliche Entscheidungen zu Bauteilen und Technologien zu treffen. Dabei wurden Daten vom Fraunhofer IFAM und Fraunhofer EZRT verwendet. Das Fraunhofer IWM stellt den Demonstrator zum digitalen Druckgussprozess auf der Messe EUROGUSS in Nürnberg von 13. bis 15. Januar 2026 in Halle 4a, Stand 233, vor.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Elena Garcia Trelles l elena.garcia.trelles@iwm.fraunhofer.de
    Dr. Johannes Tlatlik | johannes.tlatlik@iwm.fraunhofer.de


    Bilder

    Analysebeispiel aus dem Wissensgraphen des gläsernen Druckgussprozesses: Mit Machine Learning wurde der Zusammenhang zwischen Druck- und Temperaturprofilen beim Gießen und dem Oxidanteil in den abgegossenen Proben untersucht.
    Analysebeispiel aus dem Wissensgraphen des gläsernen Druckgussprozesses: Mit Machine Learning wurde ...

    Copyright: Fraunhofer IWM

    Der gläserne Druckgussprozess – Mit einer integrierten Wissensbasis zu Material- und Prozessdaten den wirtschaftlichen, technologischen und ökologischen Anforderungen an Gussbauteile gerecht werden.
    Der gläserne Druckgussprozess – Mit einer integrierten Wissensbasis zu Material- und Prozessdaten de ...

    Copyright: Fraunhofer IWM


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Informationstechnik, Maschinenbau, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Analysebeispiel aus dem Wissensgraphen des gläsernen Druckgussprozesses: Mit Machine Learning wurde der Zusammenhang zwischen Druck- und Temperaturprofilen beim Gießen und dem Oxidanteil in den abgegossenen Proben untersucht.


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