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09.12.2025 13:43

ERC Consolidator Grant für „Soft Robotics“-Forscher – Philipp Rothemund will weiche Roboter besser steuerbar machen

Dr. Jutta Witte Stabsstelle Hochschulkommunikation
Universität Stuttgart

    Künstliche Hände mit besonders sanftem Griff; ein Endoskop, das wie ein Wurm selbsttätig durch den Darm kriecht: Roboter aus weichen Materialien könnten künftig Dinge erledigen, die ihren Kollegen aus Metall schwerfallen. Dr. Philipp Rothemund, Junior-Professor an der Universität Stuttgart, möchte die Bewegungssteuerung von weichen Robotern vereinfachen. Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert das Vorhaben durch einen seiner renommierten Consolidator Grants mit bis zu zwei Millionen Euro.

    „Ich gratuliere Philipp Rothemund herzlich zu dieser Auszeichnung“, sagt Prof. Manfred Bischoff, Prorektor Forschung und nachhaltige Entwicklung der Universität Stuttgart. „Soft Robotics ist ein wachsendes Forschungsfeld, das relevant ist für viele gesellschaftliche Bereiche und Philipp Rothemund ist schon jetzt ein international anerkannter Pionier auf dem Gebiet. Mit seinem Team schafft er wesentliche wissenschaftliche Grundlagen, um diese neue Generation von Robotik-Systemen für ihren späteren Einsatz in der Praxis fit zu machen.“

    Vorteile für viele Anwendungsbereiche

    Roboter aus weichen, flexiblen Materialien bieten verschiedene Vorteile. Indem sie sich entsprechend verformen, können sie beispielsweise in unzugängliche Nischen gelangen und so etwa im Falle einer Naturkatastrophe nach Überlebenden suchen. Dass sie ohne starres Skelett auskommen, senkt zudem die Gefahr von Beschädigungen oder Verletzungen. Sie könnten daher zum Beispiel in Zukunft Pflegekräfte bei der Umlagerung von Patient*innen unterstützen.

    „Trotz dieses Potenzials wartet das Gebiet der Soft Robotics noch auf seinen großen Durchbruch“, erklärt Philipp Rothemund, Junior-Professor am Institut für Adaptive Mechanische Systeme (IAMS) der Universität Stuttgart. „Ein Grund dafür ist, dass heute meist komplexe Steuerungstechnologien benötigt werden, um die Roboter kontrollierte Bewegungen ausführen zu lassen.“ Weiche fluidische Roboter bestehen zum Beispiel aus zahlreichen Kammern, die durch Pumpen und Ventile mit Luft oder Wasser befüllt werden. Indem man den Druck für jede Kammer passend einstellt, kann man zum Beispiel erreichen, dass sich die Finger einer mechanischen Hand krümmen.

    Innovativer Ansatz soll den Durchbruch bringen

    In seinem ERC-Projekt PHASEBOT (Phase Transitions for the Generation and Control of Complex Motion in Soft Robots) möchte Rothemund die Bewegungssteuerung weicher Roboter grundlegend vereinfachen. Dazu wird er das physikalische Verhalten an sogenannten Phasenübergängen ausnutzen. Darunter verstehen Wissenschaftler das Phänomen, dass manche Materialien plötzlich ihren Zustand ändern – destilliertes Wasser etwa beginnt bei 100 Grad Celsius zu sieden.

    Allerdings muss man diese Temperatur anfangs um ein paar Grad überschreiten, bevor das Wasser gasförmig zu werden beginnt. Um diesen sogenannten Siedeverzug zu überwinden, benötigt man also kurzzeitig etwas mehr Energie. „Das ist für Phasenübergänge typisch“, betont der Wissenschaftler. Wenn man die Kammer eines fluidischen Roboters wie einen Luftballon aufbläht, kann es sich dabei ebenfalls um einen Phasenübergang handeln. Und auch hier benötigt man anfangs besonders viel Druck, bevor sich die erste Ausbeulung bildet. Hat man diese Schwelle überschritten, geht es plötzlich leichter.

    Forschende wollen Verhalten an Phasenübergängen nutzen

    Dieses Phänomen erlaubt es, gezielt bestimmte Bereiche eines weichen Roboters zu deformieren, indem man die Drücke des Phasenübergangs designt. Die anderen Teile verbleiben dabei in ihrem Ursprungszustand.

    „Wir wollen zudem erreichen, dass wir den Teil, den wir deformieren, variieren können – und zwar einfach, indem wir durch Elektroden elektrische Ladung auf die Haut des Roboters übertragen“, erklärt Rothemund. Denn durch elektrostatische Aufladung lässt sich der Anfangsdruck lokal abschwächen. Wenn man bei dem elektrisch geladenen Roboter den Druck erhöht, bildet sich die Ausbeulung also an einer anderen Stelle als normalerweise. Auf diese Weise könnte man etwa erreichen, dass ein Roboterwurm entlang seines Körpers wellenförmig dicker und dann wieder dünner wird – ähnlich wie ein kriechender Regenwurm. Da er dazu nicht aus mehreren Kammern bestehen müsste, die separat befüllt werden, würde ein großer Teil der komplizierten Steuerungstechnik entfallen.

    Grundlagen für eine neue Generation weicher Hochleistungsroboter

    Ziel des ERC-Projekts ist es, den Übergang flexibler Materialien in eine „deformierte Phase“ gezielt zu kontrollieren und für die Bewegungssteuerung zu nutzen. Die Beteiligten werden dazu nicht nur geeignete Materialien entwickeln, sondern in den kommenden fünf Jahren auch exemplarisch einen Roboterarm konstruieren, der sich in drei Raumrichtungen bewegen lässt und an der passenden Position zugreift. „Wir arbeiten an einem neuen Paradigma für die Bewegungskontrolle, das als Basis für die Entwicklung einer neuen Generation weicher Hochleistungsroboter dienen wird“, sagt Rothemund.

    Zu Jun.-Prof. Philipp Rothemund

    Philipp Rothemund ist seit 2023 Tenure Track Professor für Functional Soft Robotic Matter am Institut für Adaptive Mechanische Systeme (IAMS) der Universität Stuttgart und Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme (MPI-IS). Er wurde 2025 zum Sprecher der Jungen Akademie gewählt und kürzlich vom Wirtschaftsmagazin Capital in die „Top 40 unter 40“ gewählt. Damit ehrt die Zeitschrift jährlich herausragende junge Persönlichkeiten, die Deutschlands Zukunft mitgestalten. Stationen von Rothemunds wissenschaftlicher Karriere waren die Harvard University in Cambridge Massachusetts und die University of Colorado Boulder. Er promovierte 2018 in den Ingenieurswissenschaften.

    Zu den ERC-Grants

    Die ERC-Grants des Europäischen Forschungsrats gelten als ein Markenzeichen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Hochschule. Sie gliedern sich in fünf Förderlinien – Starting Grants, Consolidator Grants, Advanced Grants, Synergy Grants und Proof of Concept. Consolidator Grants sind als Förderinstrument für herausragende Wissenschaftler*innen gedacht, deren Arbeitsgruppe sich in der Konsolidierungsphase befindet. Ausgezeichnet wurden in dieser Förderrunde 349 Spitzenforschende, die ihre Projekte in 25 EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Ländern durchführen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Jun.-Prof. Philipp Rothemund, Universität Stuttgart, Institut für Adaptive Mechanische Systeme (IAMS), Tel.: +49 711 685-60931, E-Mail: philipp.rothemund@iams.uni-stuttgart.de


    Weitere Informationen:

    https://www.uni-stuttgart.de/universitaet/aktuelles/meldungen/ERC-Consolidator-G...
    https://www.iams.uni-stuttgart.de/de/
    https://erc.europa.eu/news-events/news/erc-2025-consolidator-grants-results


    Bilder

    Mit dem ERC Consolidator-Grant ausgezeichnet: Philipp Rothemund will mit dem Projekt PHASEBOT Soft Robotics zum Durchbruch verhelfen.
    Mit dem ERC Consolidator-Grant ausgezeichnet: Philipp Rothemund will mit dem Projekt PHASEBOT Soft R ...
    Quelle: Uli Regenscheit
    Copyright: Universität Stuttgart

    Rothemund und sein Team experimentieren mit Händen aus Gummi, die sich automatisch um ein Objekt schließen, wenn man sie aufbläst.
    Rothemund und sein Team experimentieren mit Händen aus Gummi, die sich automatisch um ein Objekt sch ...
    Quelle: Uli Regenscheit
    Copyright: Universität Stuttgart


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Informationstechnik, Maschinenbau, Mathematik, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte, Organisatorisches
    Deutsch


     

    Mit dem ERC Consolidator-Grant ausgezeichnet: Philipp Rothemund will mit dem Projekt PHASEBOT Soft Robotics zum Durchbruch verhelfen.


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    Rothemund und sein Team experimentieren mit Händen aus Gummi, die sich automatisch um ein Objekt schließen, wenn man sie aufbläst.


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